Zum Tag der Pressefreiheit - Verkehrspolizist der Demokratie

Das Querulantentum gehört zu den wichtigsten Grundeigenschaften des Journalismus. Wer sich der kritischen Betrachtung des Zeitgeistes verweigert, schadet dem Ruf der Presse – und damit auch der Pressefreiheit. Das gilt auch für Klimajournalisten.

Im Prinzip ist der Journalist der Verkehrspolizist der Demokratie / picture alliance
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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An diesem 3. Mai ist Internationaler Tag der Pressefreiheit. Fester Bestandteil in diesem Zusammenhang ist die Betrachtung der „Rangliste der Pressefreiheit“ von „Reporter ohne Grenzen“ (ROG). Die Organisation stellt auf Basis gewisser Parameter eine solches Ranking zusammen, um den Grad der Pressefreiheit eines Landes ins Verhältnis zu anderen Ländern zu setzen. Dieses Jahr ist Deutschland in dieser Tabelle erneut abgerutscht, von Rang 16 auf Rang 21.

Der Mini-Absturz hat zwei Gründe: Erstens haben sich andere Länder bei jenen Parametern, die ROG in seine Bewertung einfließen lässt (politischer Kontext, rechtlicher Rahmen, Sicherheit), im Vergleich zum Vorjahr verbessert. So die Niederlande, Tschechien, Kanada, Lettland und die Slowakei; auch Osttimor und Samoa haben Deutschland überholt, allerdings nur mit einer minimalen Verbesserung in der Gesamtbetrachtung. Zweitens waren die von ROG gezählten Angriffe auf Journalisten bei Demonstrationen in Deutschland im Jahr 2022 aber auch so hoch wie nie: Ganze 103 Vorfälle dieser Art hat ROG dokumentiert.

Ein passabler Seismograph

Die „Rangliste der Pressefreiheit“ mag ein passabler Seismograph für die Situation der Presse in den jeweiligen Ländern sein. Nicht im Sinne der Konkurrenz mit anderen Staaten, weil Vergleiche immer hinken. Sondern primär, um eine grobe Bestandsaufnahme zu haben, aus der dann wiederum gewisse Maßnahmen folgen können, um die Lage der Journalisten von außen zu verbessern: etwa durch diplomatische Einwirkung, mithilfe der Gesetzgebung oder durch mehr Sicherheitspersonal für Journalisten bei Demonstrationen. Dennoch greift die Beurteilung der Lage der Pressefreiheit auf Basis äußerer Umstände zu kurz. 

Gute Rahmenbedingungen – Pressefreiheit in der Verfassung, niemand wird verprügelt, es findet keine staatliche Zensur statt – nutzen nämlich nur teilweise der Pressefreiheit, wenn einer Redaktion die finanziellen Möglichkeiten fehlen, um bestmöglichen Journalismus zu machen. Obendrauf kommen dann noch Rahmenbedingungen, die die journalistische Arbeit an sich nicht grundsätzlich einschränken, aber sie dennoch verkomplizieren: Algorithmen in den sozialen Medien zum Beispiel, die dazu führen, dass manche Inhalte mehr gesehen werden als andere. Die Twitter Files seien hier exemplarisch genannt

Und dann gibt es noch den einzelnen Journalisten und sein Berufsverständnis. Dass ein Journalist seine Arbeit frei machen kann, heißt nicht zwangsläufig, dass er sie auch gut macht. Und es gibt auch Journalisten, nicht wenige an der Zahl, die für sich selbst beanspruchen, ihrer Arbeit frei nachgehen zu dürfen, aber in ihrem Freiheitsverständnis die Freiheit anderer Journalisten einschränken, indem versucht wird, andersdenkende Kollegen mit hanebüchenen Vorwürfen und hirnlosen Verallgemeinerungen aus dem Diskurs zu schreiben. Die Kollegen bei Springer können ein Lied davon singen.

Die Existenzberechtigung von Journalismus

Anders formuliert: Auch Journalisten können der Pressefreiheit schaden, wenn das eigene Berufsverständnis nicht in Einklang gebracht wird mit der grundsätzlichen Existenzberechtigung von Journalismus. Diese besteht nämlich unter anderem darin, den Mächtigen und Einflussreichen auf die Finger zu schauen – und nicht jenen, die genau das tun, einen Strick daraus zu drehen. Dass es dabei in Deutschland ein Problem gibt, hat nicht zuletzt die Corona-Berichterstattung gezeigt. Anstatt zu hinterfragen, ob die einzelnen Eindämmungsmaßnahmen gegen das Virus sinnvoll sind, haben sich nicht wenige Redaktionen als verlängerte Pressestellen der Regierenden hergegeben und mehr Zeit in Kritik an Abweichlern auch aus der eigenen Zunft investiert als in Kritik an der Politik. Dabei wäre Letzteres ihr Job gewesen.
 

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Da machen übrigens auch Verbände mit, die sich selbst Journalistenverband nennen, aber primär Gesinnungsüberwachsungseinrichtungen sind, die nur jenen Journalisten den Rücken stärken, die auf der vermeintlich richtigen, also progressiven Seite stehen. Mit gartenzaunwinkenden Grüßen an den Deutschen Journalisten-Verband an dieser Stelle, bei dem ich nicht Mitglied bin, weil ich in einem Verband, der immer wieder Journalisten diskreditiert, weil sie politisch nicht auf Linie sind, eben nicht Mitglied sein möchte. Da ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass ich Stammgast beim antikolonialistischen Stammtisch der Grünen Jugend Buxtehude werde. 

Hang zum Querulantentum

Eine der nobelsten Eigenschaften von Journalisten ist der Hang zum Querulantentum. So jedenfalls habe ich meinen Job immer verstanden. Als Teil einer Zunft, deren Grundhaltung die des Oppositionellen sein sollte. Freilich kann man erstmal gut finden, was eine Regierung macht oder was mit Blick auf den vermeintlichen Zeitgeist gerade en vogue ist. Aber wenn das so ist, besteht die Aufgabe von Journalisten eben nicht darin, die Regierung permanent zu verteidigen oder dem Zeitgeist blind hinterherzurennen. Sondern darin, trotz aller persönlicher Zustimmung Kritikpunkte zu identifizieren und diese auch zu thematisieren. 

Im Prinzip ist der Journalist der Verkehrspolizist der Demokratie. Seine Aufgabe besteht darin, auch kleinste Verstöße der Mächtigen und Einflussreichen zu dokumentieren – und, wenn nötig, durch entsprechend kritische Kommentierung zu sanktionieren. Sein Job ist es, zu meckern, nicht zu loben. Und wer sich damit schwertut – weil er nur seiner eigenen Zunft, einer zeitgeistigen Bewegung oder einer Regierung gefallen will –, hat in diesem Job nichts verloren. Für solche Kollegen gibt es andere Jobperspektiven: als Pressesprecher, NGO-Mitarbeiter, Berater für politische Kommunikation – oder als Klimakleber. Selbstverständlich mutet es erstmal seltsam an, wenn der Spiegel-Journalist Raphael Thelen seinen Job kündigt, um Klimaaktivist in Vollzeit zu werden. Aber es ist wenigstens ehrlich.

„Neutralität, nein danke!“

In der Sonntagsausgabe der FAZ ist am Wochenende ein zum Thema passender Beitrag erschienen, über den man sich als Journalist nur wundern kann. Zur Erinnerung: Die FAZ war mal eine dezidiert liberalkonservative Zeitung, in der die Welt aus einer bürgerlichen Perspektive betrachtet und bewertet wurde, was übrigens nicht bedeutet, dass man dort bedingungslos die CDU unterstützt hätte. Im Gegenteil: Wer als Journalist ähnlich tickt wie ein Christdemokrat, ist vielleicht sogar viel sensibler, wenn es um die Frage geht, ob die CDU noch bürgerliche anstatt ideologische Politik betreibt. Aber zurück zum Beitrag. Unter der Überschrift „Neutralität, nein danke!“ hat der Kollege Harald Staun einen bemerkenswerten Text geschrieben. Staun schreibt unter anderem: 

„Was viele engagierte ,Klimajournalisten' an der Berichterstattung kritisieren, ist das, was sie auch in der Politik vermissen: dass immer noch kein ausreichendes Krisenbewusstsein das Handeln be­stimmt, kein Sinn für die Dringlichkeit der Transformation. Aber das sei doch Aktivismus, alarmistisch und missionarisch, entgegnen reflexartig veränderungsresistente Medien und notorische Freiheitsjournalisten auf Twitter, holen dann gerne Hanns Joachim Friedrichs’ legendär missverstandenes Gebot, sich nicht gemein zu machen mit einer Sache, vom Dachboden und fordern einen gewissermaßen klimaneutralen Journalismus.“

Unterm Strich findet Staun also, dass sich Journalisten mit dem Kampf gegen den Klimawandel gemein machen sollten. Damit geht er zunächst einmal der Argumentation der Klimaaktivisten auf den Leim, die in Debatten über ihr Tun irgendwie nicht fähig sind, den übergeordneten Zweck (Klimaschutz) von der Frage zu trennen, ob eine Protestform oder eine vermeintliche Klimaschutzmaßnahme sinnvoll und durchdacht sind. Wer glaubt, Aufmerksamkeit alleine schaffe schon Akzeptanz für die eigenen Anliegen, hat nicht verstanden, dass es eine Sender- und eine Empfängerperspektive gibt. Gleiches gilt für die Klimapolitik. 

Dass FAZ-Redakteur Staun Journalisten, die sich nicht gemein machen wollen mit den Klimaklebern oder mit jeder Maßnahme, die angeblich dem Klima nutzen soll, zudem als „veränderungsresistent“ respektive als „notorische Freiheitsjournalisten“ bezeichnet, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Erstens sollte jedem halbwegs klugen Kopf einleuchten, dass Veränderungen nicht per se gut sind. Erst recht nicht, wenn sie mit grüner Bastapolitik und grünem Klimanationalismus zusammenhängen. Und zweitens ist es schon ziemlich durchschaubar, wenn man Journalisten, die aus einer liberalen Warte auf Politik blicken, fast pathologisiert, indem man den Begriff „notorisch“ nutzt. Als wäre freiheitliches Denken Ausdruck eines Defizits – und Freiheit nur ein Klotz am Bein, dessen es sich zu entledigen gilt, damit die Welt nicht untergeht. 

Kritische Distanz

Gleichwohl reiht sich Staun mit seinem Beitrag auch nur ein in eine ganze Schar von Journalisten – die Kooperation des Stern mit Fridays for Future ist ein weiteres schönes Beispiel –, die den Journalismus wandeln wollen von der Kontrollinstanz zur Erziehungsinstanz; die den Leuten sagen wollen, was sie zu denken, wovor sie sich zu fürchten und wie sie entsprechend zu leben haben, was eben genau nicht die Aufgabe des Journalismus sein sollte. Und wer der Aufgabe des Journalismus nicht gerecht wird – Stichwort kritische Distanz –, macht eben auch keinen Journalismus, sondern Aktivismus, ganz egal, ob er klebt oder schreibt. 

Eine Folge dieser Entwicklung: Das Vertrauen in den Journalismus ist ordentlich angeknackst. Und das wiederum hat auch negative Auswirkungen auf die Pressefreiheit, womit wir wieder am Anfang dieses Beitrags wären. Denn eine Presse, die Politik und Zeitgeist nicht kritisiert, sondern nur nachplappert, braucht kein Mensch. Was kein Mensch braucht, hat auch keine Existenzberechtigung. Und was keine Existenzberechtigung hat, erledigt sich früher oder später von selbst, weil der Markt das schon regelt. An diesem 3. Mai ist also Internationaler Tag der Pressefreiheit. Für Klimajournalisten, die sich explizit von der Objektivität verabschieden (und dies auch von anderen einfordern), ist das ein guter Anlass, ihre eigene Arbeit zu hinterfragen.

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