Keinen Bock auf Arbeit? So will Baden-Württemberg neue Lehrer rekrutieren / dpa

Schulbeginn - Ungeliebter Lehrerberuf

Der Lehrerberuf ist in der Krise. Viele Lehramtsstudenten brechen ihr Studium ab, Referendare steigen aus. Nachwuchs unter den Studenten ist rar. Die Faszination, die einst vom Beruf des Pädagogen ausging, scheint verflogen zu sein.  

Autoreninfo

Rainer Werner unterrichtete an einem Berliner Gymnasium Deutsch und Geschichte. Er verfasste das Buch „Fluch des Erfolgs. Wie das Gymnasium zur ,Gesamtschule light‘ mutiert“.

So erreichen Sie Rainer Werner:

Während der Sommerferien wurden Fluggäste am Stuttgarter Flughaften mit einem riesigen Plakat begrüßt, das eine überraschende Botschaft verkündete: „Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? Mach was dir Spaß macht und werde Lehrer*in“ (Kommafehler im Original). Wie verzweifelt muss das Kultusministerium von Baden-Württemberg sein, wenn es mit dem klassischen Vorurteil gegenüber Lehrern, sie seien im Grunde arbeitsscheu, um Nachwuchs wirbt? Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erregte 1995 Aufsehen, als er Lehrer als „faule Säcke“ bezeichnete. Ob Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) weiß, was sie mit diesem Spruch anrichtet? Die Schulleiter im Ländle werden sich bedanken, wenn sich jetzt Quereinsteiger bei ihnen melden, die zuerst nach der Ferien- und Freizeitregelung fragen. Der Lehrermangel, der alle Bundesländer erfasst hat, heiligt nicht alle Methoden der Anwerbung.  

Lehrer steigen aus 

Gibt man auf Facebook die Wörter „Lehrer auf Abwegen“ ein, landet man in einer Gruppe, in der sich Pädagogen austauschen, die den Lehrerberuf aufgeben wollen oder dies bereits getan haben. 11.000 Mitglieder hat die Gruppe. Beim Lesen der Beiträge zeigt sich, dass es viele Gründe gibt, warum junge Lehrer mit dem System Schule unzufrieden sind. So individuell die Gründe für den Ausstieg auch sein mögen, gemeinsam ist ihnen, dass die Aussteiger die Schule für eine dysfunktionale Einrichtung halten, deren Beharrungskräfte zeitgemäße Reformen verhindert. Das Beamtenrecht schere alle Lehrkräfte über einen Kamm.

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Peter Sommerhalder | Mo., 28. August 2023 - 08:35

wirkt nur dann als natürliche Autorität, wenn er über eine positive Ausstrahlung verfügt, wenn er den Glauben an sich selbst und seine Sache wirklich glaubhaft vermittelt. Denn nur wer von sich selbst überzeugt ist, kann andere überzeugen."

Das sehe ich auch so, nur was soll man als Lehrer machen wenn dies nicht mehr reicht?

Deshalb habe ich das Gefühl, dass nicht nur Lehrer, die diese natürliche Ausstrahlung nicht haben aussteigen, sondern eben leider auch die welche sie haben...

gehtdichnixan | Mo., 28. August 2023 - 08:58

Hab zwar grad mal die ersten paar Sätze gelesen, aber das fiel mir gleich auf:

Wie verzweifelt muss das Kultusministerium von Baden-Württemberg sein?

Sehr, wenn man seine Aktion schon "The Länd" nennt. Sorry aber peinlicher gehts halt schon nemmer.

Gerhard Lenz | Mo., 28. August 2023 - 11:04

Antwort auf von gehtdichnixan

Da gibt es den gleichen, z.T. noch viel schlimmeren Lehrermangel. Mittlerweile nehmen dort beschäftigte Lehrer reißaus, weil sie hier und da den täglichen Rassismus nicht mehr ertragen wollen.

Und der Aufstieg der AfD wird garantiert viele, viele junge Menschen in den Osten locken, die dann in der Schule aus nächster Nähe das verbreitete, rechtspopulistische Gedankengut miterleben dürfen...

... die Tricks heran, die Schopenhauer in der "Eristischen Dialektik" aufgezählt hat!

So eine schön einfache Erklärung: die AfD ist auch am Lehrermangel im Osten schuld!

Darauf muss man erst einmal kommen! Gratuliere, Herr Lenz! Damit ist ja alles wieder in goldener deutscher Butter!
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Aber was ist denn umgekehrt: Sind am Lehrermangel in Baden-Württemberg etwa die Grünen (oder die SPD ...) schuld? Das kann und darf doch wohl nicht sein, lieber Herr Lenz!!

Schade! Wir gewöhnlichen Sterblichen, die wir nicht so recht an die heilige Lehre von den omnipotenten AfD-Teufeln glauben können, wir werden deshalb - im Westen und im Osten - noch weiter nach irdischeren und nicht-satanischen Gründen für den Lehrermangel suchen müssen.

Stefan Eichardt | Mo., 28. August 2023 - 08:59

1975 habe ich die Schrift "Was ist Autorität? Einführung in die Logik der Autorität" des polnischen Philosophen Joseph Maria Bocheński gelesen. Bocheński unterscheidet in dieser zwischen deontischer (von Amts wegen) und epistemischer (wissensbasierter) Autorität. Wikipedia: "Epistemische Autorität ist die Autorität des Wissenden, der sich in einem Fachgebiet besonders gut auskennt und auf den bei Fragen, die dieses Fachgebiet betreffen, gehört wird. Deontische Autorität bezeichnet die Autorität des Vorgesetzten, der von dieser Position her Weisungen zum Verhalten einer im Rang untergeordneten Person gibt." Ich betrachte es als gravierendes Problem, dass zu viele Lehrkräfte über unzureichendes Fachwissen verfügen. Verfügt man über fundiertes Fachwissen, ist man einerseits selbstsicher und kann zweitens auf jede fachbezogene Schülerfrage eine für den Fragenden adäquate Anwort erteilen kann und muss sich nicht an Schulbüchern entlang hangeln.

ist heute gar nicht mehr erwünscht.
Es geht um allgemeine "Kompetenzen", die Schüler vermittelt bekommen sollen, so daß sie sich Wissen s e l b s t aneignen können.
Ein heutiger Schüler muß nur lernen, wie er einen sinnvollen Text herstellen bzw. ansprechend u. überzeugend über ein Thema daherreden kann - dann bekommt er die volle Punktzahl am Ende jeden Schuljahres. In die Tiefe zu gehen, ist nicht das Hauptziel des Unterrichtes u. auch nicht der Erwerb eines bestimmten, soliden Grundwissens. Früher konnte man jeden Abiturienten ein solches abfragen. Wenn man das heute tut, erlebt man sein blaues Wunder.

Hinzu kommt die Tatsache, daß auf intelligente Menschen, die fähig sind, sich solides Fachwissen anzueignen, in anderen Bereichen bessere Karrieren warten als im Lehrerberuf. Die Folge ist, daß die meisten Lehrer heute selbst nicht mehr über viel Wissen verfügen. Wie sollen sie also darauf Autorität aufbauen können?
Nur das lockt noch am Lehrer-Sein: Ferien u. Beamtenverhältnis

Ich habe die 90er Jahre an einem Gymnasium in Niedersachsen in Erinnerung, das war meine beste Zeit als Lehrer für Chemie und Biologie. Im wesentlichen Frontalunterricht mit häufigen Schülerexperimenten, den Schülern im Wissen nicht nur immer um eine Stunde voraus, nach erkennbaren Rückmeldungen recht beliebt bei der Schulgemeinschaft. Dann kamen nacheinander die Riesenklassen mit über 30 Schülern, die zunehmende Freizeitmentalität bei Eltern und Schülern (Komasaufen mit Ausschlafen montags), Schulleiter, die sich auf Verwaltungsaufgaben zurückzogen, immer mehr zusätzliche Aufgaben neben dem Unterricht, die aus meiner Sicht von speziellen Verwaltungsangestellten besser zu erledigen gewesen wären, "Berater", die uns gestandenen Lehrern erklären wollten, wie man "guten komptenzorientierten" Gruppenunterricht macht, Ärger mit Toiletten und anderen baulichen Mängeln der Schule. Mit 61 Jahren habe ich hingeschmissen, "macht euren Dreck alleene".

... behindert eine erfolgreiche Lehrertätigkeit viel stärker, als man denkt. Hier müsste die Hochschulausbildung dringend weitaus mehr leisten.

Die Auflösung der Pädagogischen Hochschulen hat ja zu zwei negativen Effekten geführt. Manche Professoren, die Lehrer ausbilden, begreifen sich sich als verhinderte "echte" Wissenschaftler, und versuchen z. B. die Lernvorgänge durch schwierige physiologische Betrachtungen des Gehirns zu "verwissenschaftlichen". Manchmal traktieren sie die Lehramtsstudenten auf einer so hohen fachlichen Abstraktionsebene, wie man es nur mit diesem "Gleichrangigkeitsstreben" erklären kann. Wieder andere, die keine inhaltliche Arbeit mehr leisten können oder wollen, schlagen die Ausbildungszeit mit Gender-Geschwätz oder ähnlichem tot. All das nützt dem künftigen Lehrer nichts.

Was fehlt, ist die konzentrierte Feinarbeit an dem Stoff, der den Kindern tatsächlich vermittelt werden soll. Und genau da fehlt die sachkundige Unterstützung in der Lehrerausbildung.

Ihre scholastischen Explikationen in allen Ehren, aber Sie scheinen mir das grundlegende Problem nicht verstanden zu haben, mit dem ein großer, wahrscheinlich der größte Teil unserer Lehrer zu kämpfen hat! Als da sind der Lehrermangel per se, die überbordenden Anforderungen in Klassen mit 30 Schülern und mehr, mit den eklatanten Sprach- und Disziplinproblemen allenthalben, den hinzukommenden Problemen durch Schüler aus nicht-integrierwilligen Familien und Kulturen, sowie den Schülern, die eigentlich in Förderschulen gehörten, weil sie einer besonderen pädagog. Behandlung bedürfen, die Sie mit 30 weiteren Schülern unmöglich auch noch erbringen können. In manchen Klassen ist nicht einmal ein Sprechen in "normalem" Ton mehr möglich. Aber vielleicht gibt es ja noch ein paar wenige Nischen-Gymnasien, wo Schüler den Unterschied zwischen deontischer und epistemischer Autorität noch zu schätzen wissen.

Gerhard Lenz | Mo., 28. August 2023 - 11:15

als gar keiner? Kommt darauf an, was man darunter versteht. Diskussion müßig. Auch früher war nicht "Alles" gut, wo Lehrer/ Lehrerin drauf stand.
Wie gewinnt man mehr Lehrer? Nach den Gesetzen des Marktes gilt: Indem man den Lehrerberuf attraktiver macht. Was einfacher gesagt, als getan ist
Wer wieder fordert, alle Lehrer zu verbeamten, muss mit politischem Widerstand rechnen.
Denn bereits die Zahl der Abiturienten (im europäischen Vergleich eher bescheiden) wird an den einschlägigen Orten (wie hier im Forum) bereits als maßlos bezeichnet. Sollen doch die Jungen gefälligst ein Handwerk lernen!
Und wer lehrt dann an Schulen?
Es gilt auch hier, wie mittlerweile in zahlreichen anderen Berufszweigen: Es geht nicht ohne Zuwanderung.
Die Forderung, doch erst mal
potentiell geeignete Deutsche entsprechend auszubilden, hat noch nie funktioniert. Und dass die deutsche Frau sich plötzlich an (der kinderlosen) AfD-Frau von Storch orientiert und viele deutsche Kinder zeugt, ist unwahrscheinlich.

Vielleicht haben Sie ja auch - wie wohl die meisten hier im Forum - inzwischen fröhliche und liebenswerte Enkel. Müsste ja eigentlich so sein, andernfalls würden Sie sich ja an Frau von Storch orientieren, und das kann ich mir nicht so recht vorstellen.

Und natürlich haben Sie Recht: Die Bio-Deutschen, die stolz auf das Recht zur eigenen Faulheit sind, vom reichen und glücklichen Influencer- oder Politiker-Sein träumen und konsequent jeden Beruf meiden, der mit irgend einer realen Anstrengung verbunden ist - ja, solche Deutsche sind zweifellos auf die Zuwanderer angewiesen, die die reale Arbeit für sie erledigen. Geborene Herren eben, die sich nicht die Hände schmutzig machen wollen.

Sehr geehrter Herr Lenz,
was geht eigentlich in Ihrem Hirn vor. Hat sich dort mittlerweile ein Bereich herausgebildet, der bei allem und jedem eine rote AfD Lampe aufleuchten lässt?
Von dieser Partei war in besagten Artikel doch nicht die Rede! Was also soll Ihr ständiges Geplärre diesbezüglich? Das scheint mittlerweile pathologische Züge bei Ihnen anzunehmen.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 28. August 2023 - 11:29

Ja, es gibt sie überall, die Faulenzer, die sich auf ihrem "Beamtenarsch" ausruhen und sich einen schönen Lenz (nein nicht G. L. ) machen. Gerne wurden öffentlich negative Beispiele in der Presse zur Verstärkung der Vorurteile lanciert. Ja, schlechte Beispiele gibt es sicher, aber es gibt auch eine überwiegende Mehrheit für die ist und war der Lehrerberuf eine Berufung, auch wenn mancher mangels ganz persönlicher Voraussetzungen besser kein Lehrer geworden wäre.
Dennoch halten gerade die Berufsidealisten noch immer den Laden am Laufen und rennen inzwischen gegen Windmühlen. Einige, auch nicht alle Junglehrer sind inzwischen politisch so indoktriniert, dass sie es sind, die auch schnell den Ausstieg wählen. Es ist wie überall. Lehrer ist ein Job mit viel Ferien - was so falsch ist - und hat einen inzwischen hohen Ansehensverlust erfahren. Und wer heute Lehrer wird braucht einen guten Anwalt und eine Ausstiegsoption. Berufung war einmal, Idealismus zerbröselt im grünen Schulalltag.

Albert Schultheis | Mo., 28. August 2023 - 12:50

Ich war Quereinsteiger, allerdings mit 1. und 2. Staatsexamen für Gymnasien in Physik und Anglistik/Amerikanistik. Habe mein Geld in der Industrie verdient und bin nach 27 Jahren quereingestiegen - weil ich immer gerne unterrichtet hatte. Drei Jahre hielt ich es im Schuldienst als Studienrat an zwei Gesamtschulen aus. Ich kann jedem jungen Menschen nur raten, werdet nicht Lehrer! Arbeitet nicht für diese linksgrün-versiffte Schulbehörde. Die Probleme, die man sich geschaffen hat - absichtlich, willentlich, aus voller Dummheit - sie sind nicht zu bewältigen. Und wenn Sie tatsächlich gewillt sind, sich gegen die resignative linksgrüne Schulkultur zu stellen, dann stehen sie alleine da. Die Effizienz dieses Schulsystems nähert sich in vielen Bereichen dem Nullpunkt an. In manchen Klassen habe ich nur noch vor Muslimen unterrichtet. Zu den Schülern mit Sprachproblemen kamen die mit ADHS- Schülern, mit Legasthenie, Dyskalkulie und ausgeprägten Psychopathologien. Das ist nicht zu schaffen.

Thomas Hechinger | Mo., 28. August 2023 - 17:04

Unterschätzt wird, darauf wurde hier schon hingewiesen, die Sicherheit im Fach. Ein Lehrer, der gerade eine Seite weiter im Buch als seine Schüler ist, wird von den Schülern nicht ernst genommen. Eine Witzfigur.
Umgekehrt war mir als Lehrer immer wichtig, meine Schüler ernst zu nehmen. Ich gebe mich nicht als ihr Kumpel. Das glaubt mir sowieso keiner. Aber so etwas wie ein väterlicher Ratgeber, dem man vertraut, daß er einen, wenn mal was schiefläuft, nicht hintergeht, auch nicht nach 35 Jahren hintergeht (siehe den Fall Aiwanger), will ich schon sein. Und ich versuche, jeden Schüler als eigenständige vollwertige Person wahrzunehmen und mit ihm altersgemäß umzugehen. Ich lehne die Infantilisierung, wie sie in unseren Schulen Einzug gehalten hat, ab. Ich mache mit 14jährigen keine Spielchen aus dem Kindergarten, sondern behandle sie wie Menschen, die dabei sind, erwachsen zu werden.
Ob ich den hier gesetzten Ansprüchen selbst genüge, kann niemand anders beurteilen als meine Schüler.

Rudolf Wedekind | Mo., 28. August 2023 - 23:29

Nichts ist verkehrt an diesem Kommentar zum Lehrermangel und dennoch scheint mir das Wesentliche zu fehlen. Die engagierten Lehrer, die ab Mitte der 70er Jahre die Lehrerzimmer füllten und die Bildungspolitik für die folgenden Jahrzehnte bestimmten, wollten von ihren Schülern geliebt werden als Kontrast dazu, dass sie selbst ihre autoritären Lehrer gehasst hatten. Wer aber geliebt werden will, macht sich abhängig. Und so ist es heute: Die Schüler, ihre Eltern und die zeitgeistige Bildungsmafia bestimmen, unter welchen Bedingungen gelernt wird. Der Glaube ist weit verbreitet, dass Lernen nicht der Anstrengung bedarf, sondern immer Spaß machen soll. Die Lehrer stehen dann bei Leistungs- und Disziplinforderungen mit dem Rücken zur Wand. Wer will da Lehrer sein, wenn der Zeitgeist nur den Lehrern was abfordert, aber den Schülern und Eltern nicht. Achtsamkeit gegenüber den Schülern gerne, aber bitte auch Achtung vor den Lehrern! Die fehlt leider zunehmend.