Premiere von „Reschke Fernsehen“ - Haltung ist was ganz Tolles

Anja Reschke hat jetzt eine Late-Night-Sendung in der ARD, die Journalismus und Humor verbinden will. Klingt stark nach Böhmermann im ZDF. In der ersten Folge geht es dann auch milieugerecht um das Gottseibeiuns-Duo linksgrüner Medienmacher: Bayern und die CSU.

Moderatorin Reschke im Studio von „Reschke Fernsehen“ / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Was der Zuschauer als erstes sieht, als Anja Reschkes neues ARD-Format Donnerstagnacht auf Sendung geht, ist: Alexander Gauland von der AfD. Es ist ein Einspieler. Gauland sitzt in einer Talksendung, das Ganze ist schon eine Weile her, und spricht über die Rolle der Öffentlich-Rechtlichen in der Flüchtlingskrise. Erwartungsgemäß fällt sein Urteil nicht schmeichelhaft aus. Er spricht von „Propaganda“. Auch Reschke sitzt in der Runde. An sie wendet sich Gauland dann persönlich: „Ich hab’ das mal – Entschuldigung, gnädige Frau – ‚Reschke Fernsehen‘ genannt.“ 

Schnitt: Eine Bigband spielt – und Anja Reschke läuft ins Studio wie auf einem Laufsteg. Der Raum ist nur mager ausgeleuchtet, schwarz und holzfarben. „Herzlich willkommen beim ‚Reschke Fernsehen‘“, sagt sie und schnipst mit den Fingern. Die Bigband verstummt. Reschke lächelt: „‚Reschke Fernsehen‘ ist die erste Sendung im deutschen Fernsehen, deren Titelgeber die AfD ist.“ Die allererste Pointe immerhin sitzt. Chapeau erstmal! 

Kritik als Kompliment

Einmal wöchentlich geht die Moderatorin künftig mit „Reschke Fernsehen“ auf Sendung. Reschke moderierte jahrelang das Medienmagazin „Zapp“, mittlerweile ist sie Frontfrau bei „Panorama“ und soll das laut ARD auch bleiben. Reschke ist eine gute, eine erfahrene Moderatorin. Und Reschke ist eine der prominentesten Vertreterinnen dessen, was man dieser Tage „Haltungsjournalismus“ nennt respektive schimpft. In einem Interview sagte sie kürzlich: „Ich habe mit dem Begriff Haltung kein Problem, auch wenn dieser Begriff in den letzten Jahren ganz schön diskreditiert wurde und irgendwie so ein bisschen beschmutzt wurde, weil Haltung ist was ganz Tolles.“

Freilich geht es bei der Kritik, auf die sich Reschke hier bezieht, nicht darum, dass Haltung etwas Schlechtes wäre. Niemand hat per se etwas gegen Haltung. Als Medienkritik formuliert, meint der Begriff daher etwas anderes als Reschke und Co., die bemüht sind, den Vorwurf zum Kompliment umzuwurschteln. Derart, dass der Haltungsjournalist für Höheres eintritt, für das Gute. Wer ihn dafür kritisiert, der tritt also für das Schlechte ein, für das Unmoralische. Gemeint ist mit der Kritik freilich, dass der „Haltungsjournalist“ es nicht so genau nimmt mit der Ausgewogenheit. Aber sei’s drum. Zurück zur „Show“.

Eine Mischung, die selten funktioniert

Als ebensolche bezeichnet Reschke ihre neue gut 30-minütige Sendung. Schon in den ersten zwei Minuten, mit Bigband und lustigen Einspielern über „Bayern und die CSU“, wird klar, wohin die Reise gehen wird mit diesem Format, das eine Mischung aus Böhmermann und der BR-Sendung „Quer“ ist. Unterhaltsam soll „Reschke Fernsehen“ sein, aber journalistisch auch, satirisch obendrein. Eine Mischung, die selten funktioniert, wie man bei Böhmermann sieht; qualitativ, nicht quantitativ.
 

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Denn wenn Journalismus auf Satire und Haltung trifft, droht das Ganze abzudriften ins Plakative, ins Selektive, ins Unausgewogene. Dann wird der Humor schnell zum Vehikel für eine politische Agenda, weil sich eine solche mit Augenzwinkern subtiler transportieren lässt, versteckter. Weil man bei Kritik immer sagen kann: „Aber das ist doch Satire!“ Und bei Lob: „Das ist halt gut recherchierter Journalismus.“ Böhmermann macht’s im ZDF vor – mit großer Klappe und noch größerem Bemühen, beim eigenen Milieu bloß nicht anzuecken. Macht’s Reschke nun in der ARD nach? 

Im seelenlosen Konferenzraum

Der Anspruch, den die Redaktion von Böhmermann an sich selbst formuliert, klingt nicht viel anders als der Anspruch, den die Redaktion von Reschke an sich selbst formuliert. Auf der Webseite der ARD heißt es über „Reschke Fernsehen“: 

„Journalismus trifft Unterhaltung: Anja Reschke geht jede Woche einem Thema auf den Grund, das die Gesellschaft bewegt. Gegen Mächtige und Blender. 100 Prozent Recherche, null Prozent Bullshit. Gespickt mit amüsanten Clips und Zitaten zeigt sie in Reschke Fernsehen Zusammenhänge und Hintergründe auf.“

„Blender“? „Bullshit“? So klingt das halt, wenn die ARD „junges Fernsehen“ macht. Man sieht den Kreativ-Trupp hinter Reschkes neuem Format vor sich, wie er vor Monaten in einem seelenlosen Konferenzraum saß und die Köpfe rauchten, weil man jetzt auch was machen wollte wie Böhmermann im ZDF, „junges Fernsehen“ mit Haltung, aber schon auch anders. Die rettende Idee kurz vor Feierabend: Statt Satiriker mit Haltung nimmt man Journalistin mit Haltung – und baut den Rest um sie herum. Und nun?

Irgendwer hat da gepennt

Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass Reschke sich in der Premierenfolge ihrer Sendung, die monothematisch angelegt ist, mit der CSU und Bayern beschäftigt. Stimmt schon, im Herbst ist Landtagswahl bei uns, aber Berlin-Wahl ist demnächst, Lützerath nur wenige Tage her, die Silvesternacht nur vier Wochen. Die Ampelkoalition regiert seit einem guten Jahr. Wir befinden uns mitten in der nächsten Flüchtlingskrise. Energiekrise. Inflation. Aber die Premierenfolge von „Reschke Fernsehen“, die macht man lieber über die CSU und über Bayern, über das Gottseibeiuns-Duo linksgrüner Medienmacher.

Da dürfen die Klischees in den Einspielern freilich nicht fehlen, Blasmusik und Bergpanorama, immer und immer wieder. „Sich jetzt über Bayern lustig zu machen, ist einfach“, sagt Reschke. Stimmt schon, sage ich, wenn man von einem der vielen Müllberge im Land herabsieht auf den Süden, während man sich einredet, man säße auf einer bunten Blumenwiese. Reschke weiter: „Aber man muss schon anerkennen, in Bayern läuft einiges wirklich sehr, sehr gut. Niemand zum Beispiel, also wirklich niemand, ist so gut im Vermarkten wie die CSU.“ 

Der Satz macht freilich keinen Sinn. Denn im Vermarkten ist auch Berlin gut, obwohl sonst eher dysfunktional. Und dann lobt Reschke, in München geboren, die Berge, die Seen, die Brezn, das Bier – und schiebt nach: „Übrigens, um das einmal für die Nachwelt festzuhalten: Nichts davon hat die CSU geschaffen, auch wenn sie so tut, als ob Bayern wirklich ganz allein ihr Werk sei.“ Moment! Da passt doch was nicht zusammen. Ein Absatz weiter oben: Reschke setzt Bayern mit der CSU gleich. Dieser Absatz: Reschke kritisiert, dass sich die CSU mit Bayern gleichsetzt. Irgendwer hat da gepennt. 

Anti-Windkraft-Seehofer

Die gesamte erste Folge von „Reschke Fernsehen“ ist unterm Strich ein großer Appell, in Bayern im Herbst bloß nicht CSU zu wählen. Wegen der Windräder, von denen man bei der ARD gerne mehr in Bayern verspargelt hätte. Was mich in die unangenehme Situation bringt, die CSU verteidigen zu müssen. Dass Bayern, in der Relation betrachtet, weniger Windräder hat als der Norden: geschenkt. Dafür gibt’s auch gute Gründe, die hier jetzt den Rahmen sprengen würden. 

Dass Bayern aber, in der Relation gesehen, auch weniger Kriminalität und weniger Arbeitslose hat als andere Bundesländer, dass Bayern „Laptop und Lederhosn“ kann, dass in Bayern jährlich 90 bis 100 Patente pro 100.000 Einwohner angemeldet werden (im Jahr 2021 in Berlin 14, in NRW 31, in Sachsen-Anhalt 7); all das und mehr hat die Redaktion von „Reschke Fernsehen“ leider unterschlagen. Derlei Erfolgsmeldungen wollte man der CSU wohl nicht gönnen. 

Außerdem ist es schon arg verkürzt, wenn Reschke behauptet, Horst Seehofer hätte die Bayern-Wahl 2013 wegen einer Anti-Windkraft-Kampagne gewonnen. Nein, die CSU wird in Bayern stets stärkste Kraft, weil’s in unseren Breitengraden solide läuft. Und wer genervt ist von der CSU, der macht sein Kreuz halt bei den Freien Wählern; als Kompromiss, weil die dann eh gemeinsam regieren. Bei uns, ja, läuft’s sogar so gut, dass wir Berlin mitfinanzieren. Auch darüber verliert Reschke kein Wort. Das kennt man auch von Böhmermann: Erwähnt wird nur, was zum Narrativ passt. 

Reschke im Dirndl

Plötzlich aber steht Reschke im rot-weißen Dirndl da. Als Reaktion auf Günther Beckstein, der in einem Einspieler sagt, sie „als Norddeutsche“ habe keine Ahnung von Bayern, nicht wissend, dass Reschke in München geboren ist und, laut eigener Aussage, sogar gerne auf die Wiesn geht, also tatsächlich viel Ahnung von Bayern hat, sagt sie. Als wäre München gleich Bayern. Und als machte einen der regelmäßige Oktoberfestbesuch schon zum Experten für den Freistaat. 

Nächster Einspieler, unter anderem mit Franz Josef Strauß. Aus dem Off ist Reschkes Stimme zu hören, die jetzt Bairisch spricht, also genau genommen das, was man außerhalb Bayerns als Bairisch identifizieren würde, obwohl es ordentlich holpert bei Reschke mit dem Dialekt. Für den ARD-Zuschauer ist das authentisch genug, dachte sich die Redaktion. Fazit des Einspielers: „Bayern ist seit über 60 Jahren am Nasenring der CSU.“ 

Bloß nicht CSU wählen

Windräder: abgehakt. Zweites Thema kurz vor Schluss: Mobilität. Jetzt geht’s noch fix um Andreas Scheuer und Aussagen von ihm, die vier Jahre alt sind. Irgendwas mit einem Mobilitätszentrum, das er angekündigt hat vor der Wahl 2018, das aber wohl nie wirklich entstanden ist. Und auch wegen der Maut-Farce gibt's für den Scheuer Andi noch eine mit. Gut, ein Thema ist das schon, aber halt nur eines von vielen. 

Nach gut 30 Minuten ist diese erste Sendung „Reschke Fernsehen“ vorüber – und lässt den Zuschauer, sagen wir, selektiv informiert zurück. Ist aber auch egal, denn wichtiger ist ohnehin, dass die Botschaft stimmt. Und die lautet, wie erwähnt: Im Herbst bloß nicht CSU wählen – wegen der Windräder-Sache. Was alles gut läuft im Freistaat und deutlich besser als anderswo, dafür bleibt da keine Zeit. Ja, Haltung ist was ganz Tolles. 

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