Plagiatsaffäre bei der „SZ“ - Toxische Abgehobenheit

Die „Süddeutsche Zeitung“ ist beeindruckend gut darin, wahnsinnig unsouverän mit externer Kritik umzugehen. Im „SZ“-Hochhaus ist man damit auf dem besten Weg, zum Inbegriff des journalistischen Elfenbeinturms zu werden. Falls man es nicht längst schon ist.

Hochhaus des Süddeutschen Verlags in Berg am Laim / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

Maulwürfe sind fast blind. Sie sehen nur hell-dunkel. Schwerhörig sind sie auch. Und machen dennoch jede Menge Ärger, wenn sie entweder Tunnel buddeln, wo sie das nicht sollen – wie kürzlich bei uns unterm Fußballplatz –, oder bei der Süddeutschen Zeitung arbeiten und Interna an einen Branchendienst stecken. Unter Branchendienst, das zur Klärung, versteht man im Medienjargon ein Medium, das über die Medienbranche berichtet.

Im SZ-Hochhaus in Berg am Laim, einem Stadtteil von München, der, wenn Sie mich fragen, eigentlich schon „aufm Land“ ist, ist die Aufregung derzeit groß. Die jüngsten Plagiatsvorwürfe gegen die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid kratzen am Image einer Zeitung, deren Image bereits angekratzt ist; nach der regierungsfreundlichen Corona-Berichterstattung der SZ etwa – Autor Heribert Prantl sei an dieser Stelle als kluger Kopf unbedingt ausgenommen – und der missglückten Flugblatt-Kampagne der Zeitung gegen Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger vergangenes Jahr. 

Von Auffälligkeiten und Ausspähungen

Am Anfang des jüngsten Ärgers der SZ steht eine Recherche des Branchendienstes Medieninsider, der vor allem in Gestalt des Medienjournalisten und Co-Gründers Marvin Schade über beste Kontakte in die Medienwelt verfügt und sich obendrein leistet, was sich viele Branchendienste, wenn überhaupt, nur mit angezogener Handbremse trauen: wirklich kritisch auf die eigene Branche zu blicken – und sich nicht zu scheuen, dabei auch bei jenen anzuecken, die man demnächst trotzdem gerne im Interview hätte. 

Medieninsider jedenfalls berichtete im Dezember über einen, sagen wir, Plagiatsverdacht light gegen Föderl-Schmid. Zunächst war nur die Rede von diesbezüglichen „Auffälligkeiten“ in einigen ihrer Artikel. Das löste in Berg aber Laim direkt ein riesiges Tohuwabohu aus; jedoch nicht etwa, wie dann erneut bei Medieninsider zu lesen war, weil man sich echauffiert hätte über eine mögliche Abschreiberitis der eigenen Chefin, sondern weil man bei der SZ erstens eine Kampagne gegen das eigene Haus witterte und man zweitens ziemlich angepisst war, dass Details und Zitate einer internen Versammlung zu dem Thema durchgestochen wurden. 

Von „Verleumdung“ war die Rede (ursprünglicher Artikel) und von einem „Maulwurf“ (Folgebeitrag). Die Wut der SZ-Führung auf die Ungerechtigkeiten dieser Welt ging so weit, dass man prompt die eigenen Leute ausspähte, gerade so, als säße der Verlag nicht in München, sondern in Dschibuti: E-Mails und Telefonverbindungen der eigenen Angestellten wurden durchforstet, ob es Kontakt mit Medieninsider gegeben hatte (als ob ein Journalist so blöd wäre, Interna über seinen Arbeitsaccount oder sein Arbeitstelefon auszuplaudern). Entsprechend groß – und berechtigt – war anschließend auch die Kritik an Chefredakteur Wolfgang Krach, alias „Agent 089“ mit der Lizenz zum Stöbern.

Die große Verschwörung

Alexandra Föderl-Schmid, Jahrgang 1971, wurde im März 2020 als Vize in die Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung berufen. Zuvor war sie SZ-Korrespondentin in Tel Aviv und davor unter anderem Chefredakteurin des Standard in Wien. Was ihren Karriereweg betrifft, kann sich die Österreicherin also nicht beschweren. Aber als Externer muss man sich schon auch wundern dürfen, mit welcher Nonchalance sich manch ein Journalist nach oben abschreiben kann, ohne dass es irgendwem aufgefallen wäre. Und wundern darf man sich auch darüber, mit welch unterschiedlichen Maßstäben die SZ misst, wenn es um sie selbst geht: Eine Zeitung, die sich gerne ihrer investigativen Recherchen gegen Dritte rühmt, aber deren Führungsetage sofort das Friendly Fire eröffnet, wenn’s mal andersherum läuft, darf man auch bigott nennen. 
 

Mehr Medienthemen von Ben Krischke:


Bei der SZ-Führung scheint das Prinzip nämlich zu lauten: Wenn die SZ etwas ausbuddelt und veröffentlicht, was gar nicht gut ist für Dritte, dann nennt man das Pressefreiheit – selbst wenn, wie bei Hubert Aiwanger, schnell der Verdacht aufkommt, dass die Berufung auf die Pressefreiheit vor allem als Feigenblatt diente, um unliebsame Politiker abzuschießen

Wenn aber über die SZ respektive über Mitarbeiter der SZ etwas ausgebuddelt und veröffentlicht wird, dann raunt man die große Verschwörung herbei – selbst wenn, wie bei Föderl-Schmid, ein begründeter Verdacht besteht, dass eine gut bezahlte Journalistin einer der größten Zeitungen Deutschlands es nicht so genau nimmt mit dem Berufsethos; worunter dann wiederum auch die Reputation jener SZ-Journalisten leidet, die einfach nur in Ruhe einen guten Job machen wollen. Denn auch das sollte man bei aller Aufregung und vielleicht auch ein bisschen Schadenfreude nicht vergessen: Krach und Föderl-Schmid sind nicht die SZ

Der journalistische Elfenbeinturm

Die Süddeutsche Zeitung – respektive: die Führungsetage dieser Zeitung – ist jedenfalls wahnsinnig schlecht darin, mit externer Kritik umzugehen. Und zwar so schlecht, dass diese Form der, sagen wir, toxischen Abgehobenheit schon wieder beeindruckend ist. Da weiß man als außenstehender Journalist, der die SZ noch als ganz große Zeitung kennt und, ich gestehe, als naiver Student noch davon träumte, irgendwann für diese Zeitung zu arbeiten, gar nicht, ob man lachen oder weinen soll. Denn die SZ ist derzeit wirklich auf dem besten Wege, zum Inbegriff des journalistischen Elfenbeinturms zu werden, von dem jede Menge Wasser gepredigt und in dem jede Menge Wein gesoffen und sich eingeredet wird, dass jedwede Kritik von außen gleich eine Verleumdungskampagne ist, sofern sie von mehr als einer Person artikuliert wird. Man kennt das aus der Politik: von den Grünen. 

Wer aber direkt derart unsouverän mit externer Kritik umgeht, braucht sich dann über schlechtes Karma auch nicht zu wundern. Jüngster Höhepunkt der Affäre: Föderl-Schmid hat sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, weil aus ersten „Auffälligkeiten“ längst handfeste Plagiatsvorwürfe geworden sind. Diese beziehen sich auch nicht mehr „nur“ auf ihre Artikel, für die sie reihenweise woanders abgeschrieben haben soll, ohne dies entsprechend zu kennzeichnen – sondern auch auf ihre Dissertation. Anlass ist, dass sich der Plagiatsjäger Stefan Weber – der Mann hinter dem Plagiatsskandal rund um Annalena Baerbocks Buch – mittlerweile eingeklinkt hat in die ganze Geschichte und direkt fündig geworden ist in Föderl-Schmids Dissertation. Und zwar schon in der Einleitung, wie er in der Talksendung „Stimmt“ berichtet. Immerhin will die SZ die Vorwürfe nun extern prüfen lassen. Warum also nicht gleich so?  

Nur die Spitze des Eisbergs

Wer den Laden, also die SZ, ein bisschen kennt, der weiß aber auch, woher das kommt mit der Nervosität. Denn in Berg am Laim mag man sich zwar im Kreise der Guten wähnen, gerne auch den moralischen Zeigefinger heben, aber hinter der Hochhausfassade geht es bisweilen alles andere als freundlich zu. Über Jahre hinweg wurden Online-Journalisten der SZ von ihren Kollegen der gedruckten Zeitung als Journalisten zweiter Klasse behandelt. Ein einschneidender Sparkurs und interne Machtkämpfe um die künftige Ausrichtung der Marke SZ taten in den vergangenen Jahren ihr Übriges, um im Hochhaus für schlechte Stimmung zu sorgen. 

Das Drama um die ehemalige SZ-Onlinechefin Julia Bönisch, die einst als Digitale in die Chefredaktion geholt wurde und bei der SZ seit Ende 2019 als Persona non grata gilt, war da nur die Spitze des Eisbergs. Vor die Tür gesetzt hatte man Bönisch damals offiziell wegen eines Meinungsbeitrags, der im Branchenblatt Journalist erschienen war. Der Job von Redaktionsleitern, schrieb Bönisch, sei heute weniger die „Schönschreiberei“ oder „wuchtige Texte“. Vielmehr müssten sie sich als Manager und Produktchefs verstehen, die in „Workflows und Prozessen denken“. Bei der SZ wurde das als Majestätsbeleidigung gewertet, Bönisch erst ausgebuht, dann vor die Tür gesetzt. 

Zugegeben: Der Fall Bönisch mag eine olle Kamelle sein. Aber dennoch deutet eine Aktion wie die jüngste Ausspähungsoffensive gegen die eigenen Mitarbeiter überdeutlich darauf hin, dass auch vier Jahre später intern noch einiges im Argen liegt bei der SZ. Wer den eigenen Laden aber nicht im Griff hat, der tut sich freilich auch schwer damit, wenn von außen jemand kommt und Kritik äußert. Auch wenn diese völlig berechtigt ist. 


Cicero Podcast Gesellschaft: Der Psychologe und Neurowissenschaftler Joachim Bauer erklärt, was die Digitalkultur mit unserer Psyche anstellt.

Anzeige