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Nicht nur das Staatstheater in Braunschweig muss jetzt wieder eine Pause einlegen / dpa

Theater und Kinos im Lockdown - Corona-Krieg gegen die Kultur

Wenn ab Montag wieder Theater, Kinos und andere Kultureinrichtungen schließen müssen, dann fehlt den Maßnahmen nicht nur eine evidenzbasierte Grundlage. Dem Handeln der Bundesregierung liegt auch ein zweifelhafter Kulturbegriff zugrunde.

Autoreninfo

Karl-Heinz Paqué ist Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Er ist Volkswirt und Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Wirtschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

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Laut Statistik gibt es 1.734 Kinos und 807 Theater in Deutschland. Als die Corona-Pandemie ausbrach und der erste komplette Lockdown im Frühjahr zu Ende kam, haben die meisten dieser kulturellen Spielstätten schnell reagiert und umfassende, professionelle Hygienekonzepte in der Theorie entworfen und in die Praxis umgesetzt. Dafür gebührt ihnen der größte denkbare Respekt, denn das gehört nicht gerade zu den Kernkompetenzen, die Betreiber von Bühnen- und Leinwandkunst aus ihrer Ausbildung und Sozialisation mitbrigen. Aber die Passion für die Sache und das Publikum, eine typische Eigenschaft von Kulturmanagern, Schauspielern, Sängern und Tänzern, gepaart mit existenzieller Not sorgte dafür, dass man entschlossen, intelligent und schnell handelte.
    
Und offenbar auch erfolgreich: Seit die Theater und Kinos wieder offen sind, wurde meines Wissens kein einziger Fall bekannt, in dem eine Infektion im Kino- oder Theaterraum stattfand. Kein Wunder, denn überall gab es Maskenpflicht und Mindestabstände, strikte Regeln für Ein- und Ausgang, um Frontalbegegnungen zu verhindern, die Pausen wurden gestrichen und die Bar blieb geschlossen. Die Zuschauer strömten vor Beginn der Vorstellung wie Schiffe auf See in die nur locker besetzten Kinos und Theater, und am Schluss glitten sie lautlos und isoliert hinaus. Die Schauspieler im Theater befolgten peinlich genau die Regeln, und die Zuschauer wohl auch. Die Vorstellung, dass in diesem Klima die menschliche Disziplinlosigkeit grassiert, ist absurd. Von einer leutseligen Atmosphäre, wie sie bei einer privaten Großfeier herrscht, wo Sekt, Wein und Bier in Strömen fließen und die menschliche Nähe und Wärme überbordet, waren die deutschen Kinos und Theater meilenweit entfernt.

Keine Evidenz für Infektionsgeschehen

Und trotzdem sagt nun der von Frau Merkel angeführte Staat: Ihr müsst zumachen. Und zwar nicht, weil Ihr ein typischer Hotspot des „Superspreading“ seid - dafür gibt es nicht die geringste Evidenz; sondern einfach, weil Ihr in die Schublade „Freizeit“ fallt, völlig egal, wie professionell Ihr die Menschen vor der Infektion schützt. Es könnte sich ja jemand sogar auf dem Weg ins Kino und Theater anstecken, so allen Ernstes der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach, also besser zu Hause bleiben. Und Frau Merkel fügt hinzu, dass man ja wegen der Unklarheit der Infektionswege ohnehin mit allem rechnen müsse und deshalb sicherheitshalber die Tore der Kulturstätten schließt. Allerdings: Die Kirchen schließt man nicht, die Kulturstätten sehr wohl.

Kultur ist mehr als Vergnügen

Tatsächlich hat die Vorgehensweise, die Frau Merkel angestoßen hat, einen überaus schalen Beigeschmack. Sie zeugt von einem geradezu primitiven Weltbild, in dem die Kultur nicht mehr darstellt als ein jederzeit verzichtbares Vergnügen: wenn nötig, weg damit! Und sie zeugt von dem völligen Unverständnis der Motivation des Kulturbetriebs, der sich vor allem auf Leidenschaft gründet. Reich wird man da in der Regel ohnehin nicht, und der Job ist hart - man lebt von magerer Gage, schönem Applaus und guten Kritiken. Und wenn das alles weg ist, steht man vor dem nichts - selbst wenn wie jetzt Vater Staat gönnerhaft verspricht, eine auskömmliche „finanzielle Kompensation“ zu zahlen.
    
Man kann nur hoffen, dass dieser Corona-Krieg gegen die Kultur den November 2020 nicht überlebt - und zwar auch dann nicht, wenn die Infektionszahlen sich nicht substanziell verbessern. Dieser Krieg ist einer Kulturnation nicht würdig.
 

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Ernst-Günther Konrad | Do., 29. Oktober 2020 - 17:40

nach meiner Meinung. Da besteht kein Zweifel. Alles was Sie da beschreiben, könnte in einem Klageverfahren als Begründung - natürlich juristisch ausgefeilt - u.a. beigezogen werden.
"...wurde meines Wissens kein einziger Fall bekannt, in dem eine Infektion im Kino- oder Theaterraum stattfand"
Genau solche Beweise, z.B. für das Beherbergungsverbot verlangten die Gerichte von den Behörden. Und was kam von denen nur: "Gesundheitsschutz". Deshalb sollten die Betroffenen sofort ab dem 2.11.20 im Eilverfahren die Gerichte diese völlig unbewiesenen und schädigenden Verbote sofort aufheben lassen. Leute wehrt Euch. Es geht nicht nur um Euch, es geht auch um Eure Zuschauer, Eure Fans, Eure Mitarbeiter, Zulieferer, Ausstatter usw.
Das ist ein massiver Eingriff in den Art. 5 Abs. 3 GG.
"(3) 1.Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. 2. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung."
Die Gerichte rücken immer mehr das GG in den Mittelpunkt ihrer Entscheidungen.

Sondern nur eine Vermutung.

Aber manche Leute glauben offensichtlich, man könne das Virus förmlich wegklagen und rufen fast täglich dazu auf, vor Gerichte zu ziehen.

Dahinter steckt natürlich politisches Kalkül: Die Regierung soll vorgeführt werden.

Der eigenen Partei, der AfD, fehlen dazu völlig die "Voraussetzungen", also sollen es die Gerichte "richten".

Ein Großteil der betroffenen Künstler ist den Rechtspopulisten mit Sicherheit völlig egal, oft handelt es sich schließlich um Menschen, die irgendwo im links-grünen Milieu anzusiedeln sind.
Künstler sind selbstverständlich schon durch die Art ihrer Erwerbstätigkeit anfälliger für Einbußen. Man hat ja kein festes Arbeitsverhältnis. Gleichwohl ist die freie Ausübung der Kunst und die Möglichkeit zur Ausübung derselben wichtig, ja unentbehrlich. Der Staat ist auch hier gefordert, Härten zu mildern. Dass das nicht geschehen kann und darf, indem man sich von Populisten vor den Karren spannen lässt, versteht sich von selbst.

Um es mit der von mir "hoch verehrten" Frau Ayhan Özoguz zu sagen:
"Deutschland hat außer der Sprache keinerlei Kultur."
Und den Art 20 GG wollte, will sie bekanntlich ebenfalls abschaffen, zumindest ändern.
Was gemäß Art. 79 III GG nicht möglich ist.
Sie war, ist eine gute Bekannte unserer Kanzlerin.

Und die Kanzlerin musste dieses Jahr leider auf ihre Wagner-Festspiele in Bayreuth verzichten, schade.
Trotz Freiluftveranstaltung und gewaltigem Orchester welches die Aerosole sicherlich weggeblasen hätte.
Folglich müssen alle leiden - niemand braucht Kunst, Kino, Theater.

Ich habe damit keine Probleme.
Theater, Oper?
ZERO und Kino letztmals damals mit Klein-Tochtern bei Harry Potter.

"Ist das Kunst oder kann das weg?"
Die Beuys´sche Fettecke.

Herr Konrad, wir steuern in der Tat sehr harten Zeiten entgegen!

Insoweit zwei Anregungen bzgl. Kunst.
Der Cartoon "Abandon ship" von Ben Garrison sowie "Narrenschiff" von Reinhard Mey, live.
Bei Interesse mal gugeln, youtuben.

Alles Gute!

Bitte anschauen: Alle Künstler, u.A. Anne-Sofie Mutter, Jonas Kaufmann, u. andere Weltstars richten Appelle an die Politik und das Publikum mit dem Tenor "Machen sie Druck"! Die Sendung ist 14 Tage her, Herr Konrad. Erhört man das förmliche Flehen aber bisher nicht.

gabriele bondzio | Do., 29. Oktober 2020 - 19:15

Lockdown , Gender sorgen schon dafür. Der Verdacht liegt nahe, dass soll sie auch. Damit die Buntheit mehr Platz hat. Schon wider zumachen wird viele, die sich größte Mühe gegeben, total frustrieren. Der „Experte“ Lauterbach kann sich ja einen Raumanzug von DLR ausborgen, mit extra Sauerstoffversorgung. Damit wäre er absolut sicher verpackt.
Und Merkels Kulturgeschmack wurde nie thematisiert, hat sie einen?

Hans-Georg Maaßen :„Ich habe Zweifel, dass die gestern beschlossenen Corona-Maßnahmen mit Blick auf die Neben- und Folgewirkungen verhältnismäßig sind. Ich rege an, diese Maßnahmen bundesweit auf ihre Rechtsmäßigkeit hin überprüfen zu lassen.“

Wolfgang Jäger | Do., 29. Oktober 2020 - 21:04

Ich persönlich halte Frau Merkel nicht gerade für eine kulturaffine Politikerin, auch wenn sie bisher ihrem jährlichen Pflichtbesuch in Bayreuth nachgekommen ist. Insofern wundert es mich nicht, dass sie auch ein zweites Mal in Kauf nimmt, die Kultur abzuwürgen. Auch Herr Söder mag die Kultur ganz gerne für eigene Repräsentationszwecke, aber sonst? Der kulturelle Kollateralschaden dieser fatalen Politik wird immens sein. Aber vielleicht wird dann die Party-Jugend auch nichts vermissen. Hauptsache die Diskos, Kneipen und Clubs sind wieder offen. Es gibt ja dann auch wieder Gründe zu "feiern". Vorausgesetzt, diese hat es nicht auch erwischt.

Dr. Rudolf Winter | Fr., 30. Oktober 2020 - 10:58

Herr Paqué, ihr Satz "Die Schauspieler im Theater befolgten peinlich genau die Regeln," zeigt mir, daß Merkel Recht hat. Ein kritisches Kulturverständnis, das sklavisch unsinnige Vorgaben umsetzt? Nein, diese Kulturträger sind nicht kritisch, sie sind einfach feige!

Dorothee Sehrt-Irrek | Fr., 30. Oktober 2020 - 14:35

Es gibt keinen Krieg gegen die Kultur.
Vielleicht gibt es noch nicht die passgenauen Massnahmen, aber denen will man sich doch annähern.
Ich kann teilweise verstehen, dass manche Menschen Panik bekommen, wenn Frau Merkel von Unheil und schweren Zeiten spricht.
Ich habe jetzt einfach mal gewartet, bis ich Kontruktives sah und hörte.
Da ist z.B. Herr Streeck etc. und gerade eben auf n-tv Peter Altmeier zum Teillockdown.
Expertise, wo immer sie sich auftut und in der Gesamtschau zu sehen und die Ruhe und Kompetenz, die ein Herr Altmeier ausstrahlt.
Das reicht mir völlig.
Ich lasse mich allerdings auch nicht durchs Internet verrückt machen.
Das schaue ich mir gar nicht erst an und nebenbei, der Ton hier beim Cicero wird mir auch zu schrill.

Doch, es gibt Krieg gegen die Kultur. Wie sagte doch Frau Özoguz, Integrationsbeauftragte der Bundesregierung unter Frau Dr. Merkel am 16.05.2017 : "Die Deutschen haben außer ihrer Sprache keine Kultur." Es zeigt die Verachtung großer Teile der Eliten für Kunst und Kultur. Mit dieser Erklärung ist die Lockdown-Entscheidung der Kanzlerin schlüssig. Übrigens wurde Frau Özoguz damals weder von den Mainstreammedien noch den linken und linksliberalen Politikern wegen dieses Statements gescholten. Der Kreis schließt sich.