
- „Es war wirklich unglaublich“
Die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte hat die legendäre „Faust“-Inszenierung von und mit Gustaf Gründgens gesehen. Sie erinnert sich noch gut daran, wie der Schauspieler und Regisseur seine Energie in das Publikum hineinschleuste
Wenn man heute über Gustaf Gründgens’ Hamburger „Faust“-Inszenierung spricht, heißt es oft, sie sei legendär gewesen. War sie das wirklich?
Im Nachhinein würde ich sie auch als legendär bezeichnen. Ich war ein Mädchen von 15 oder 16 Jahren, als ich sie damals sah und hatte noch sehr wenig Theatererfahrung. Um Karten für die Ostervorstellung des „Faust“ zu bekommen, standen wir 1958 oder 1959 eine ganze Nacht lang an. Nur so hatten wir morgens um 10 Uhr bei der Kassenöffnung eine Chance. Der Run auf diese Inszenierung war unglaublich.
Worin lag das Besondere?
Schon das „Vorspiel auf dem Theater“ war sensationell. Wir kannten, wenn überhaupt, nur realistisches Theater. Bei Gründgens wurden dann der Dichter und die „lustige Person“ durch die Darsteller von Faust und Mephisto, Will Quadflieg und Gustaf Gründgens, verkörpert. Der ganze Abend wurde so als Spiel kenntlich – eine wunderbare Idee. Die Atmosphäre war damit gesetzt, die Art der Anschauung vorweggenommen. Gottvater war nur ein Theatergott. Der Gedanke, hier werde der liebe Gott verkörpert, kam gar nicht erst auf.