Gustaf Gruendgens als Mephisto waehrend einer Auffuehrung der Hamburger Gruendgens-Inszenierung des Faust im Rahmen der Berliner Festwochen im September 1959
Gustaf Gründgens als Mephisto während einer Aufführung im Rahmen der Berliner Festwochen im September 1959 / picture alliance

Gustaf Gründgens „Faust“-Inszenierung - „Es war wirklich unglaublich“

Die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte hat die legendäre „Faust“-Inszenierung von und mit Gustaf Gründgens gesehen. Sie erinnert sich noch gut daran, wie der Schauspieler und Regisseur seine Energie in das Publikum hineinschleuste

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Wenn man heute über Gustaf Gründgens’ Hamburger „Faust“-Inszenierung spricht, heißt es oft, sie sei legendär gewesen. War sie das wirklich?
Im Nachhinein würde ich sie auch als legendär bezeichnen. Ich war ein Mädchen von 15 oder 16 Jahren, als ich sie damals sah und hatte noch sehr wenig Theatererfahrung. Um Karten für die Ostervorstellung des „Faust“ zu bekommen, standen wir 1958 oder 1959 eine ganze Nacht lang an. Nur so hatten wir morgens um 10 Uhr bei der Kassenöffnung eine Chance. Der Run auf diese Inszenierung war unglaublich.

Worin lag das Besondere?
Schon das „Vorspiel auf dem Theater“ war sensationell. Wir kannten, wenn überhaupt, nur realistisches Theater. Bei Gründgens wurden dann der Dichter und die „lustige Person“ durch die Darsteller von Faust und Mephisto, Will Quadflieg und Gustaf Gründgens, verkörpert. Der ganze Abend wurde so als Spiel kenntlich – eine wunderbare Idee. Die Atmosphäre war damit gesetzt, die Art der Anschauung vorweggenommen. Gottvater war nur ein Theatergott. Der Gedanke, hier werde der liebe Gott verkörpert, kam gar nicht erst auf.

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Dorothee Sehrt-Irrek | Mi., 15. Mai 2019 - 11:36

wissenschaftlichen Leistung von Frau Fischer-Lichte. s. dazu Wiki,
damit sie meine Gegenrede nicht als ungebührlich empfinden muss.
Also, lustig UND böse gibt es m. Erachtens nicht.
Ich habe nur Ausschnitte der Aufführung gesehen vor langer Zeit einmal, Angst hatte ich vor Gründgens und Elisabeth Flickenschildt, die sich dann noch einmal wiederfand in einem Edgar-Wallace-Krimi mit auch Hans Clarin "Das indische Halstuch", Begabung aus Irrsinn?
Das Böse, das das Gute schafft?
Nein und dafür würde ich gerne die Idee des Performativen benutzen, um festzuhalten, dass Goethe seinen Faust nicht noch einmal schreiben konnte, nachdem er in ihm und Gretchen dargelegt hatte, dass nur aus der Liebe von Faust und Gretchen KRITIK an Religion erwachsen kann, die Religion, so wie Goethe sie vorfand, überstieg hin zu einer Himmelskönigin, die ich bei Goethes Vorliebe für die Zauberflöte als dieselbe identifizieren würde.
Das Böse wäre also ein Irrtum Gottes, der über sich aufgeklärt wurde.

Sven Bendig | Mi., 15. Mai 2019 - 14:10

Hallo, Redaktion!

Sehr schön, dass Sie sich dem Riesenwerk "Faust" zuwenden, aber wie kann es sein, dass die einzig ungekürzte und säkulare Aufführung beider Teile durch Peter Stein im Jahr 2000 nirgendwo erwähnt wird? Das waren 23 Sternstunden des Theaters in an einem Stück.

Ich habe die Aufführungen 3x angeschaut und bin noch immer von den DVD begeistert.

Nehmen Sie's nicht krumm: Dass Sie sich mit dieser Großtat des deutschen Theaters überhaupt nicht beschäftigen, sondern die Fragmentaufführungen beackern - das lässt schlicht auf fehlende Professionalität schließen.

Maria Fischer | Mi., 15. Mai 2019 - 19:01

Mir bleibt nur die Verfilmung!
Ich weiß nicht wie oft ich mir diesen Film schon angesehen habe, aus purer Lust an Gründgens und Quadfliegs Faust/Spiel.
Man kann erahnen wie wunderbar die Theateraufführung gewesen sein muss.
Danke für den schönen Beitrag Frau Fischer-Lichte!