Urteil gegen Sternekoch Schubeck - Steuerhinterzieher sind keine Vergewaltiger

Was hat die deutsche Gesellschaft von einem Alfons Schuhbeck im Gefängnis? Nichts. Freiheitsstrafen für Steuersünder sind ein obrigkeitsstaatliches Relikt, das im schlimmsten Fall niedrige und von Neid getriebene Rachereflexe bedient. Wir sollten dringend darüber nachdenken, ob es nicht sinnvollere Strafen gibt als sie einzusperren.

Sühne und Vergeltung: Alfons Schuhbeck, Koch und Unternehmer, im Landgericht München / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Was ein tiefer Fall: Vom gefeierten Sternekoch, vom TV-Star, vom omnipräsenten Unternehmer, von Darling der Münchener-Bussi-Gesellschaft ins Gefängnis. Eine menschliche Tragödie. Auch wenn der Fernsehkoch Alfons Schuhbeck mit seinem ewigen „Knoblauch-und-sein-Spezi-der-Ingwer“-Gerede und dem dicken FC-Bayern-Logo auf der Kochjacke durchaus das Zeug hatte, gewisse Ressentiments zu wecken, so müsste man ein Herz aus Stein haben, um das Tragische an diesem Abstieg zu übersehen.

Wegen Steuerhinterziehung in der Höhe von mindesten 2,3 Millionen Euro muss Alfons Schuhbeck für drei Jahre und zwei Monate ins Gefängnis. Das war weniger als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, aber sicherlich mehr als vom Angeklagten und seinen Verteidigern erhofft. Ein hartes Urteil. Entscheidend dabei war nach Aussage des Gerichts die „hohe kriminelle Energie“, die das Gericht in der Anwendung einer eigens von einem Mitarbeiter geschriebenen Software zur Kassenmanipulation gegeben sah. Alles andere als hilfreich war sicher auch, dass Schuhbeck als Wiederholungstäter gelten kann. Schon 1994 wurde er wegen Steuerhinterziehung und Untreue zu einer Geldstrafe von 250.000 Euro verurteilt.

Sind Gefängnisstrafen das richtige Mittel gegen Steuersünder?

Keine Frage. Steuerhinterziehung ist eine Straftat. Zu Recht. Man kann über das Steuersystem streiten und darüber, bis zu welcher Höhe der Staat Steuern erheben darf. Darüber, dass Steuern in einem gewissen Rahmen sinnvoll sind, besteht jedoch kein Zweifel. Dementsprechend müssen auch diejenigen mit Sanktionen belegt werden, die sich der Steuerpflicht entziehen. So weit, so gut.

Allerdings muss die Frage erlaubt sein: Sind Gefängnisstrafen wirklich das richtige Mittel gegen Steuersünder? Zur Erinnerung: Steuerhinterziehung wird in Deutschland mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft, in besonders schweren Fällen mit bis zu zehn Jahren. Damit liegt der Strafrahmen ähnlich wie bei Vergewaltigung. Die wird in der Regel mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn sie mit schwerer Körperverletzung und Waffengewalt einhergeht mit nicht unter fünf Jahren.

Der Schaden ist eher abstrakter Natur

Selbst wenn man zugesteht, dass Steuerhinterziehung im siebenstelligen Bereich kein Kavaliersdelikt ist, muss man einräumen, dass hier ein gewisses Missverhältnis vorliegt. Schließlich ist der Schaden, den der Steuerhinterzieher anrichtet, eher abstrakter Natur. Keinem Mitmenschen wird ein Leid zugefügt. Niemanden passiert etwas. Der Steuersünder erschleicht sich lediglich einen Vorteil. Das ist aber bei weitem nicht vergleichbar mit der Schwere der Tat einer Vergewaltigung.

Aber auch wenn man solche Strafvergleiche mal beiseite lässt, stellt sich die Frage, ob Gefängnisstrafen für Steuersündern überhaupt sinnvoll sind. Was sollen sie bezwecken? Was ist ihr Sinn?

Die Idee, Sühne zu erzwingen, ist verfehlt

In der Straftheorie kennt man grob vier Strafgründe: Sühne, Vergeltung, Prävention und die Wahrung der Rechtssicherheit. Geht man nüchtern an die Sache heran, stellt man fest, dass alle vier Strafmotive fragwürdig sind. Der Gedanke der Sühne ist ein Anachronismus. Ein liberaler und säkularer Rechtsstaat darf Menschen nicht zum Zweck der inneren Bekehrung die Freiheit nehmen. Schon die Idee, Sühne zu erzwingen, ist verfehlt.

 

Mehr aus der „Grauzone“:

 

Noch problematischer ist der Gedanke der Vergeltung. Rache als Strafmotiv sollte in einem liberalen Rechtsstaat ausgeschlossen sein. Bleiben die Prävention und die Wahrung der Rechtssicherheit. Aber muss man zu diesem Zweck Menschen einsperren? Zumindest bei Steuersündern sind mehrjährige Haftstrafen aus Präventionsgründen erkennbar unangemessen. Und einzelne Personen zum Zwecke der Rechtssicherheit zu instrumentalisieren, ist in einer liberalen Gesellschaft mehr als fragwürdig. 

Dienst an der Gemeinschaft

Seien wir ehrlich: Freiheitsstrafen für Steuersünder sind unverhältnismäßig und gehen an der Sache vorbei. Was hat die deutsche Gesellschaft von einem Schuhbeck in Landsberg? Nichts. Im Grunde handelt es sich um ein obrigkeitsstaatliches Relikt, das im schlimmsten Fall niedrige und von Neid getriebene Rachereflexe bedient. Einer rationalen Prüfung hält diese Art von Strafe nicht stand.

Sehr viel sinnvoller wäre es, Täter zu sozialer Arbeit oder anderen Diensten an der Gemeinschaft zu verpflichten. Und das gilt nicht nur für Steuersünder. Dass Gefängnisstrafen ihr Ziel so gut wie immer verfehlen, dass sie niemanden zur inneren Umkehr bewegen oder resozialisieren, sondern die meisten Betroffenen erst recht mit kriminellen Strukturen in Kontakt bringen, ist allgemein bekannt. Wir sollten dringend darüber nachdenken, ob es nicht angemessenere und sinnvollere Strafen für Menschen gibt als sie einzusperren. Bei den Steuerstraftätern könnte man beginnen.
 

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