Gabriel und Laschet bei Maischberger - „Das Richtige zum falschen Zeitpunkt ist auch falsch“

Bei Maischberger sprechen zwei Männer über Klimawandel und Ukraine-Krieg, die nicht mehr im politischen Rampenlicht stehen: Sigmar Gabriel und Armin Laschet. War das nun eine Zeitreise in die Vergangenheit – oder in die Zukunft?

Armin Laschet und Sigmar Gabriel bei Sandra Maischberger / Screenshot
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

Ein bisschen was von Zeitreise hatte das schon. Am Dienstagabend diskutierten zwei Politiker bei Sandra Maischberger, die in der Politik im Jahre des Herrn 2023 möglicherweise noch viel Einfluss haben, aber nicht mehr derart im Rampenlicht stehen wie früher: Sigmar Gabriel, der bis 2017 SPD-Bundesvorstand und bis 2018 Vizekanzler war, und Armin Laschet, CDU-Chef bis zur Wahlpleite der Union bei der vergangenen Bundestagswahl und ehemaliger Kanzlerkandidat seiner Partei. Ein politisches Déjà-vu für den Zuschauer, wenn man so will.  

Von Laschet, heute einfacher Bundestagsabgeordneter und seit Januar 2022 Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, hört man mittlerweile kaum noch etwas. Gabriel, seit 2019 Vorsitzender der Atlantik-Brücke, stand zuletzt wegen seiner Verteidigung Katars gegen Kritik am Status quo des Emirats wiederum selbst in der Kritik. Für die Sendung gab es daher zwei Möglichkeiten: Entweder die Diskussion erinnert an Opa, der vom Krieg erzählt, oder man darf sich freuen über einen Austausch zweier Männer, die gemeinsam jede Menge politischer Expertise mitbringen – und diese auch halbwegs frei von Parteiinteressen artikulieren können.  

„Die Grundanalyse stimmt“

Beide Herren schienen erst einmal verwundert darüber, was Deutschland heute so alles bewegt. Heizungsdebatten zum Beispiel. „Der Rest der Welt fliegt uns gerade fast um die Ohren, und wir diskutieren, wie üblich, über uns selber“, sagte Gabriel. Und Laschet pflichtete bei: „Die Grundanalyse stimmt.“ Internationale Fragen, so Laschet, hätten aber schon im Bundestagswahlkampf kaum eine Rolle gespielt.

Gabriel störte sich zudem daran, dass der Blick auf die Lebensrealitäten der Menschen im Land verloren gehe: „Alles, was man macht und verändert, auch zum Guten, muss berücksichtigen: Da leben Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebenssituationen.“ Es sei ein Problem, so Gabriel weiter, wenn man eine gewisse Politik mache und versuche, aus dieser entstehende Widersprüche „mit Geld zuzudecken“. So mache man die Leute nur verrückt. Auch das sieht Laschet ähnlich: „Was kommt, das weiß heute niemand.“
 

Das könnte Sie auch interessieren:


Die ruhige und überlegte Argumentation beider Diskutanten wirkte am Dienstag ebenfalls ein bisschen aus der Zeit gefallen, aber genau deshalb war dieses Gespräch so angenehm für den Zuschauer. Kein parteipolitisches Geplänkel, ruhige und sachliche Argumentation, ein fast freundschaftliches Verhältnis zwischen Laschet und Gabriel, die auch per Du sind. Davon würde man sich in Krisenzeiten wie diesen wirklich mehr wünschen. 

„Was mich stört an der Debatte (um den Atomausstieg) ist dieses Schwarz-Weiß und dass wir nicht mehr zu pragmatischen Lösungen kommen können“, sagte Laschet dann auch irgendwie passend zur Gesprächsatmosphäre insgesamt. Das Hauptziel beim Klimaschutz müsse doch sein, „jedes Gramm CO2 zu reduzieren“. Und das tue man bei „tausend Dingen“, nur bei der Energieerzeugung nicht. „Das ist nicht glaubwürdig“, findet Laschet. Da hat er recht. 

„Dann fliegt uns Europa um die Ohren“ 

Auch über den Ukraine-Krieg wurde am Dienstagabend gesprochen – und über die Hoffnung, ob der Krieg durch eine Verhandlungslösung beendet werden könnte. „Ich bin dafür, dass man jeden diplomatischen Kanal offenhält, aber nichts macht, was im Moment die Position der Ukraine schwächt“, so Laschet. Ergo: Waffen und Verhandlungen, was eine „alte Nato-Strategie“ sei. „Eine realistische Position?“, wollte Maischberger von Gabriel wissen. „Als Erstes muss man dafür sorgen, dass die Ukraine nicht von den Russen überrannt wird“, sagte er und warnte, dass sich deutsche Sonderwege beim Thema verbieten: etwa von heute auf morgen keine Waffen mehr an die Ukraine zu liefern. „Dann fliegt uns Europa um die Ohren.“  

Man müsse, so Gabriel weiter, aber auch „ein bisschen mehr mit denen reden, die sich nicht auf eine der beiden Seiten ziehen wollen“, um diese Länder dazu zu bewegen, sich nicht „einfach rauszuhalten“, sondern „selber auch den Druck erhöhen auf Russland“. Laschet hierzu: „Unser Problem ist, dass der Rest der Welt die Dinge nicht sieht wie wir.“ Und weiter: „Die deutsche Außenpolitik sollte nicht in die Welt reisen und überall erklären, was andere falsch machen, sondern Verbündete gewinnen.“ Damit äußerte Laschet klare Kritik an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die China nach ihrem Besuch dort als „systemischen Rivalen“ bezeichnete, also die Konfrontation suchte, nicht die politischen Schnittmengen. Nachhaltige Geopolitik geht anders. 

Europa müsse aufpassen

Obgleich es bis dahin eher harmonisch zugegangen war zwischen Laschet und Gabriel, gab es gegen Ende des Gesprächs dann doch noch Dissens. Dieser fußte auf der Aussage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in China, wonach Europa aufpassen müsse, nicht in Krisen verwickelt zu werden, „die nicht unsere sind“. Damit meinte Macron die drohende Annexion Taiwans durch China. Gabriel beklagte, das Ergebnis einer solchen Aussage sei, dass Macron Europa spalte und dass diese Aussage zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt gekommen sei. Laschet nahm Macron dagegen in Schutz. Er interpretierte die Aussage derart, dass Macron dazu gemahnt habe, Europa müsse aufpassen, den Konflikt nicht weiter zu verschärfen. 

„Meine Erfahrung in der Politik ist: Das Richtige zum falschen Zeitpunkt ist auch falsch“, hielt Gabriel dagegen. Über die Souveränität Europas in einer Situation zu reden, in der man die Amerikaner brauche, damit Russland nicht morgen an der Grenze zu Polen stehe, sei falsch. Schließlich, so Gabriel, gebe es die baltischen Länder, Polen und andere, die den Ukraine-Krieg auch als Bedrohung für die eigene Existenz wahrnehmen. „Dass es darum gehen muss, dass Europa selbstständiger wird, keine Frage. Aber wir konnten nicht einmal unsere Soldaten ohne die Hilfe von Qatar Airways aus Kabul zurückholen und jetzt reden wir über militärische Selbstständigkeit und Führung der Deutschen. Das finde ich, ehrlich gesagt, ein bisschen albern“, so Gabriel. 

Reise in die Zukunft? 

Nach einer guten halben Stunde war das Gespräch dann vorüber. Was hängenblieb: Es lässt sich auch ruhig und sachlich über Politik streiten – und etwas mehr Pragmatismus und etwas weniger moralische Selbstüberhöhung und europäische Hybris auf dem internationalen politischen Parkett kann auch nicht schaden. Und die Frage schwingt ein wenig nach: War das bei Maischberger am Dienstagabend nun eine Zeitreise in die Vergangenheit oder doch eine in die Zukunft? Nicht unbedingt wegen Laschet und Gabriel, aber wegen SPD und CDU, die jüngst in Berlin zusammengefunden haben – und dies nach der nächsten Bundestagswahl auch wieder auf Bundesebene könnten.  

Armin Laschet im Cicero-Podcast:

Anzeige