Deutscher Meister und deutsche Politik - Fehler im System

Die nächste Meisterschaft des FC Bayern München kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass beim Verein vieles im Argen liegt. In der Bundesrepublik ist das derzeit ähnlich. Ohne kluge Politik und das richtige Personal läuft man Gefahr, am Ende mit leeren Händen dazustehen.

Schoss die Bayern am letzten Spieltag zur Meisterschaft: Jamal Musiala / picture alliance
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Im September werde ich 37 Jahre alt. Beim Fußball bin ich damit fast schon ein Greis. Doch obwohl ich mich kaum noch erinnern kann, wann ich das letzte Mal für meine Hobbymannschaft aufgelaufen bin, ohne, dass irgendwas schmerzte oder zwickte, bin ich genauso deppert wie viele andere Hobbykicker im Land. Ich spiele trotzdem, 90 Minuten, Elf gegen Elf, Ligabetrieb – und damit mein Meniskus sich nicht endgültig verabschiedet, tue ich das mit einer Bandage zur Kniestabilisation. Kommt Zeit, kommt Verfall. 

Nein, Sie und ich, wir werden nicht jünger. Das zeigt mir der Fußball überdeutlich. Mein eigenes Spielen sowieso, aber auch mein Dasein als Fußballfan. Wobei, Fan bin ich auch nicht mehr so richtig, respektive nur im Rückblick. Andere schwärmen heute noch von der Generation Franz Beckenbauer und Gerd Müller. Ich schwärme von Arjen Robben und Franck Ribéry, vom Wembley-Sieg des FC Bayern gegen Borussia Dortmund etwa. Dann skandiere ich manchmal, nur so für mich: „Jupp, Jupp, Jupp, Jupp, Jupp“. Jupp Heynckes, Tripple-Trainer, bester Mann.  

Die Flasche Brinkhoff’s fest im Griff

Als Bayern-Fan ist man erfolgsverwöhnt. Und was das betrifft, hätte ich dem BVB die Meisterschaft sogar ein bisschen gegönnt, weil man es dort viel zu lange nicht war, also erfolgsverwöhnt – mit sportlichen Grüßen an A., dessen Trauzeuge ich bin, und der eigentlich im siebten schwarz-gelben Himmel sein wollte. Mit sportlichen Grüßen auch nach Dortmund, wo am Borsigplatz schon alles vorbereitet war für den Meister-Rambazamba; die Flasche Brinkhoff’s fest im Griff, ein Liedchen auf den Lippen. „BVBeeee, Null-Neueueun“. 

Stattdessen gibt es an der Säbener Straße, dort, wo der FC Bayern dahoam ist, Grund zu feiern. Eine eigentlich schon vergeigte Saison, ein Trainerwechsel, ohne, dass die Mannschaft damit deutlich zurückgekommen wäre in die Erfolgsspur, aber am Ende hat es eben doch gereicht. Dortmund verliert, Musiala trifft, Bayern ist zum elften Mal in Folge Meister. Wer so spielte wie der FC Bayern in der vergangenen Saison, der hat die Meisterschaft – gemessen an den eigenen Ansprüchen – eigentlich nicht verdient. Und während ich das hier schreibe, kommt mir die Formulierung „Wie das Land, so der Verein“ in den Sinn. Auch Deutschland war mal deutlich stärker – und damit meine ich tatsächlich nicht den Fußball. 

Gutes Management, gesunder Patriotismus

Es gibt einen Begriff, der sehr passend ist für allerlei, was da draußen gerade vor sich geht: Wohlstandsverwahrlosung. Die sehe ich beim FC Bayern genauso wie in vielen Bereichen in der Bundesrepublik. Ich nenne Ihnen drei Parallelen. Erstens: Wer glaubt, Hasan Salihamidžić und Oliver Kahn – die nun ihren Hut nehmen müssen – seien ein super Führungsduo für den großen FC Bayern München gewesen, der glaubt auch, dass Robert Habeck und Patrick Graichen ein super Führungsduo für das Wirtschaftsministerium waren; für die große deutsche Volkswirtschaft.
 

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Zweitens: Wer glaubt, die Politik könne mit Geld schon irgendwie zuschütten, was sie seit geraumer Zeit riskiert und vergeigt, und international noch in zehn Jahren eine relevante Rolle spielen, wenn nur genug transformiert wird, statt nachhaltige Politik mit Augenmaß zu machen und sich selbst treu zu bleiben, der glaubt auch, dass der FC Bayern nur teuer genug im Ausland einkaufen und sich irgendwie neu erfinden muss, um wieder zu alter Form zu finden.

Und drittens: Weder dem FC Bayern München noch der Bundesrepublik steht es gut zu Gesicht, wenn die eigenen Erfolge am Ende vor allem eine Mischung sind aus Glück – Energiekrise und milder Winter hier, verschossener Elfmeter des BVB gegen Mainz dort – und dem Misserfolg anderer. Will sagen: Das Problem des FC Bayern München und der Bundesrepublik ist derzeit, dass man sich zu wenig auf jene Stärken besinnt, die einen groß gemacht haben: gutes Management, richtiges Personal, gesunde Ambitionen, eine Prise Realismus, Mia san Mia.  

Franck Ribéry feiert 2019 mit den Ultras / picture alliance

Die Markenkerne eines erfolgreichen FC Bayern München und einer erfolgreichen Bundesrepublik sind sich gar nicht so unähnlich. Ein erfolgreicher FC Bayern ist wie eine erfolgreiche Bundesrepublik fleißig, fokussiert, selbstbewusst – und hat immer die wichtigen Dinge im Blick. Im Falle der Politik meine ich damit: Gute Politik machen, ohne Gender-Firlefanz, Klimavorbild-Blabla und Moralweltmeister-Attitüde. Dafür gute Nachwuchsarbeit (ergo: Bildung), gesunde Finanzen und den Fan im Blick (ergo: Haushalt und Wählerwille) und stets das tun, worin man wirklich gut ist, nicht das, worin man gerne gut wäre (Technologieoffenheit statt Energiewende-Verbote).

Ein Verein, der einer Hauptstadt würdig ist

Wenn Sie mich fragen, ist der FC Bayern von heute nicht mehr der Mia-san-Mia-Verein von damals. Jedenfalls merkt man überdeutlich, dass hier und da irgendein Fehler ist im System, der rasch korrigiert werden muss. Ein guter Anfang beim FC Bayern ist das Ende der Ära Kahn und Salihamidžić. Ein guter Anfang für die Bundesrepublik wäre das Ende der Ampelregierung, mit der Deutschland gerade Schlangenlinien laufend in die Zukunft stolpert. 

Ja, wie das Land, so der Verein. Und wenn wir schon dabei sind, darf ich Ihnen abschließend noch ein Geständnis machen: In der abgelaufenen Saison habe ich weniger dem FC Bayern die Daumen gedrückt als Union Berlin. Das ist ein Fußballverein, der noch verkörpert, was ich mir für den Fußball und das Land gleichermaßen wünsche: Bodenständigkeit und Teamgeist, selten filigran, aber immer bemüht. Mit großartigen Fans und einem echten, einem nachhaltigen Konzept ohne Brechstangen-Mentalität.

Während es anderswo eher bergab geht, wächst in Köpenick gerade langsam, aber konstant etwas ganz Großes. Ein bisschen wie damals, aus vielen Trümmern. Und so bekommt die bundesrepublikanische Hauptstadt sogar endlich wieder einen Verein, der einer bundesrepublikanischen Hauptstadt würdig ist und kommende Saison Champions League spielen wird. Gleichzeitig stand Stadtrivale Hertha BSC Berlin schon vor dem letzten Spieltag als Absteiger fest. Wäre schön, wenn das Land bald auch wieder eine pragmatische Politik bekommt, die diesem Land würdig ist. Man wird ja wohl noch träumen dürfen. 

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