Nach Jahren wieder entdeckt - Baked Beans – aber nicht aus der Dose

Unser Genusskolumnist hatte sich eigentlich vor vielen Jahren geschworen, nie wieder Baked Beans zu essen. Denn die sensorischen Erinnerungen an dieses Nahrungsmittel waren nahezu traumatisch. Doch vor kurzem ist er auf ein Originalrezept gestoßen – und er hat es probiert.

Man muss kein Holzfäller sein, um Boston Baked Beans als Delikatesse genießen zu können / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

So erreichen Sie Rainer Balcerowiak:

Anzeige

Es gibt Nahrungsmittel, die ich eigentlich nie wieder zu mir nehmen wollte. Dazu gehören „Baked Beans“, die in der Regel mit einer süßlichen Tomatensoße in Dosen angeboten werden. Auch ähnliche Produkte wie „Kidney-Bohnen“ oder „Chili-Bohnen“ aus der Dose gehören grundsätzlich in die Kategorie sensorisch und dabei vor allem olfaktorisch nicht verkehrsfähiger Lebensmittel. Sagt jedenfalls die Geschmackspolizei.

Früher, in ersten WG-Zeiten, war uns das ziemlich egal. Die Dosen waren sehr billig, und ihr Inhalt hat satt gemacht. Sie waren eine beliebte Abwechslung zu den allgegenwärtigen „Spaghetti Napoli“ und zudem recht flexibel einsetzbar. Man konnte sie einfach kalt direkt aus der Dose essen. Oder erhitzen, dabei ein wenig nachwürzen und mit Reis verspeisen.

Die spinnen, die Briten

Die ersten Aufenthalte in England vermittelten zudem das Gefühl, dass es sich um ein international renommiertes Gericht handelt. Denn Baked Beans sind unverzichtbarer Bestandteil des berüchtigten „Full English Breakfast“ und werden dort zusammen mit gebratenem Frühstücksspeck, kleinen gebratenen Würstchen, Spiegelei, gegrillten Tomaten und gebratenen Champignons serviert. Alles auf einem Teller serviert, als eine Art kulinarische Sinfonie des Grauens. Doch die einzige dort verbreitete Alternative, ein absonderlicher Haferschleim namens Porridge, ist auch nicht besser. Allein diese „Frühstückskultur“ wäre ein Grund gewesen, Großbritannien die Aufnahme in die EU zu verweigern oder wenigstens später den raschen Ausschluss zu betreiben. Doch dann sind sie ja von allein gegangen. Aber das nur nebenbei.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

Erstaunlicherweise begegnen einem Baked Beans auch in kulinarisch vermeintlich einigermaßen zivilisierten Ländern auf den Frühstücksbuffets von Hotels. Doch für mich war die Sache erledigt. „Nie wieder Baked Beans“ wurde zu einer meiner kulinarischen Lebensmaximen. Rückblickend lässt sich auch sagen, dass man – wenn man die Augen schließt – beim langsamen Zermalmen der weichen Dosenbohnen durchaus an Mehlwürmer denken könnte. Die waren damals jedoch noch nicht in der öffentlichen Empörungsdebatte.

Fundstück im Bücherregal

Aber neulich gab es eine überraschende Wendung. Beim Abstauben meines Kochbuch-Regals stieß ich auf ein Werk, das ich wohl irgendwann mal geschenkt bekam. „Die 100 berühmtesten Rezepte der Welt“ lautet der Titel. Es erschien erstmals 1971 und wirkt aus heutiger Sicht eher wie eine lustige Kuriositätensammlung, sowohl die ausgewählten Speisen als auch viele Zubereitungsarten betreffend.

Doch beim Blättern stieß ich auf „Boston Baked Beans“. Dabei soll es sich um ein „Gericht aus Pionierzeiten“ handeln, das sich angeblich vor allem bei Holzfällern an der kanadischen Grenze großer Beliebtheit erfreute. Das Rezept weist zwar einige Ungereimtheiten auf, etwa eine Schmorzeit von 4-5 Stunden bei 175 Grad im Ofen, doch in Bezug auf die Zutaten wirkte es überzeugend. Auf dieser Grundlage habe ich dann meine leicht modifizierte Variante der Holzfäller-Delikatesse gekocht.

Und danach einen Baum fällen

Los geht‘s. Getrocknete große weiße Bohnen über Nacht einweichen. Zwiebeln und Knoblauch hacken, Speck (oder Kasseler) nicht zu klein würfeln und zusammen in einem ofenfesten Topf mit Öl glasig bräunen. Senf (oder Senfpulver aus gemahlenen Senfkörnern), Ahornsirup (unbedingt!) und schwarzen Pfeffer einrühren, nur dezent salzen. Bohnen abseihen, mit ausreichend (1 ½ Liter) Wasser auffüllen und alles gut durchrühren. Ganz wichtig! Keine Tomaten (wie bei den gängigen Rezepten und der Dosenware), denn die Holzfäller in den unwirtlichen Wäldern an der kanadischen Grenze hatten keine Tomaten.

Jetzt im gut verschlossenen Topf (gerne auch ein Bräter) für 2 ½ Stunden in den auf 150 Grad vorgeheizten Ofen schieben, zwischendurch zwei Mal umrühren. Dann den Deckel abnehmen und eine weitere halbe Stunde im Ofen lassen, zum Eindicken. Falls die Konsistenz noch nicht stimmt, eine weitere halbe Stunde. Reste lassen sich problemlos einfrieren und dann aufwärmen.

Das klingt alles recht primitiv, schmeckt aber großartig, Vor allem die Kombination aus Senf und Ahornsirup ist eine echte Offenbarung und passt hervorragend zu den Bohnen. Und wenn ich das nochmals koche, gehe ich anschließend in den Wald und fälle einen Baum.

Boston Baked Beans

Zutaten für 4 Personen       

500g getrocknete weiße Bohnen
200g durchwachsener Speck oder Kasseler
75g Ahornsirup
1 El Senf (darf auch scharf sein)
2 Zwiebeln
3 Knoblauchzehen
Öl zum glasig bräunen
Pfeffer, Salz, Wasser

Anzeige