Abschied von Papst Benedikt XVI. - Das Leben des Joseph Ratzinger

Ein letztes Mal zuhause in Bayern war der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Juni 2020 - um von seinem im Sterben liegenden Bruder Georg Ratzinger in Regensburg Abschied nehmen zu können. Nun ist er ihm nachgefolgt.

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Joseph Ratzinger alias Papst Benedikt XVI. wurde am Donnerstag im Beisein von Papst Franziskus I., hochrangiger Kirchenvertreter, Politiker und weiterer Gäste in Rom beigesetzt. In diesem Text wirft Barbara Just einen letzten komprimierten Blick zurück. In der Bildergalerie oben (einfach durchklicken) hat Ben Krischke Bilder des Lebens und Wirkens von Joseph Ratzinger sowie Eindrücke vom Abschied gesammelt. 

Als sich der emeritierte Papst Benedikt XVI. am 22. Juni 2020 morgens bei seinem schwerkranken Bruder Georg Ratzinger in Regensburg verabschiedete, wussten beide, dass sie sich hier auf Erden wohl nicht mehr wiedersehen würden. Aber noch etwas sei ihnen damals bewusst gewesen: dass „der gütige Gott, der uns auf dieser Welt dieses Zusammensein geschenkt hat, auch in der anderen Welt regiert und uns dort ein neues Miteinander schenken wird“. Diese Worte schrieb Benedikt in einem Dankesbrief an den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der ihm den Aufenthalt in der Heimat noch einmal ermöglicht hatte.

Mit dem Verlesen dieser Zeilen im Requiem für den Papstbruder und langjährigen Leiter der Regensburger Domspatzen hatte Benedikt damals seinen Sekretär beauftragt, Erzbischof Georg Gänswein. Dieser kämpfte dabei immer wieder mit Tränen. Gänswein bezeugte damit auch, wie innig die Beziehung der Geschwister zueinander war, und letztlich auch zu ihm, der beiden nahestand: dem „Bücher-Ratz“ und dem „Orgel-Ratz“, wie sie von Freunden genannt wurden.

Beide waren sie nach dem Zweiten Weltkrieg aus tiefster Überzeugung Priester geworden; 1951 wurden sie in Freising gemeinsam von Kardinal Michael von Faulhaber geweiht. Während der drei Jahre ältere Georg noch seiner zweiten Leidenschaft folgte und ein Musikstudium draufsattelte, machte Joseph als Wissenschaftler Karriere; 1977 folgte die Ernennung zum Erzbischof von München und Freising und der baldige Kardinalstitel. 1981 berief ihn Papst Johannes Paul II. an die Spitze der Glaubensbehörde in Rom, am 19. April 2005 wurde aus Joseph Ratzinger Benedikt XVI. – „Wir sind Papst“, titelte die Bild-Zeitung.

„Mein Herz schlägt bayrisch“

Anhaltenden Stolz weckte er aber vor allem im weiß-blauen Freistaat – war doch erstmals überhaupt ein heimatverbundener Altbayer auf den Stuhl Petri gelangt; ein Ehrenmitglied der Tegernseer Gebirgsschützen, dekoriert mit dem Karl-Valentin-Orden der Münchner Faschingsgesellschaft Narrhalla. Schon in einer seiner ersten Audienzen machte das neue Kirchenoberhaupt deutlich: „Mein Herz schlägt bayrisch“, auch wenn er nun der ganzen Welt gehöre.
 

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Das Konklave machte einen Strich durch seine Pläne. Eigentlich hatte er schon den Ruhestand anvisiert. In seinem „Häusle“ in Pentling, das er sich als Regensburger Professor hatte bauen lassen, wollte er auf seine alten Tage weitere Bücher schreiben. Und er wäre in der Nähe seines Bruders gewesen. Ebenfalls nicht weit hätte er es zum Grab der Eltern gehabt, wo auch seine ältere Schwester Maria begraben liegt, die ihm über Jahrzehnte den Haushalt führte.

Leben und Wirken

2006 kehrte Benedikt während seiner Bayernreise noch einmal an diesen Ort zurück. Bei schönstem Wetter wurde er vom 9. bis 14. September bei großen Freiluftgottesdiensten in München, Altötting und in Regensburg gefeiert. In Marktl am Inn, wo sein Geburtshaus am Marktplatz zu einem Begegnungsort mit seinem Leben und Wirken geworden ist, bereiteten die Menschen „ihrem“ Papst einen denkwürdigen Empfang.

Die meisten Orte, in denen der Gendarmensohn mit seiner Familie einst gelebt hatte, machten ihn zum Ehrenbürger – außer München. Landauf, landab wurden Büsten und Benedikt-Säulen aufgestellt. Doch ab 2010, als in Deutschland immer mehr Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche bekannt wurden, verdunkelte sich zunehmend der Himmel über dem bayerischen Pontifikat. Das von seiner alten Erzdiözese München und Freising 2010 in Auftrag gegebene Gutachten über Missbrauchsfälle warf Fragen über das Handeln in seiner Amtszeit auf. Der ehemalige Generalvikar Gerhard Gruber warf sich schützend vor seinen Ex-Chef.

2021, bei der Veröffentlichung des neuen Gutachtens der Münchner Erzdiözese, wurden die Vorwürfe gegenüber dem seit 2013 emeritierten Papst allerdings heftiger. Benedikt wehrte sich mit Unterstützung eines Freundeskreises nach Kräften. Ein persönliches Wort zu seiner Verantwortung, wie es sich vor allem Betroffene gewünscht hatten, unterblieb.

Der himmlische Richter

Im Frühjahr 2023 hätte vor dem Landgericht Traunstein eine Feststellungsklage gegen das frühere Kirchenoberhaupt verhandelt werden sollen. Es wäre darum gegangen, ob er aufgrund seines Handelns oder Unterlassens während seiner Zeit als Münchner Erzbischof in Zusammenhang mit einem unter Missbrauchsverdacht stehenden Priester schadenersatzpflichtig gewesen wäre. Für den Verstorbenen zumindest hat sich das Verfahren erledigt. Für Benedikt ist nun der himmlische Richter zuständig.

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