
- Der einsame Rufer
Mit Benedikt XVI. ist eine der wichtigsten historischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts gestorben. Als reformorientierter Theologe ist er gestartet, als konservativer Kirchenführer bleibt er in Erinnerung und als letztlich unverstandene, tragische Figur tritt er ab.
Wir müssen uns Joseph Ratzinger als einen Clown vorstellen. Als den vielleicht tragischsten und zugleich klügsten Clown, den das 20. Jahrhundert zu bieten hat. Es ist keinesfalls ehrenrührig, so über den nun verstorbenen früheren Papst Benedikt XVI. zu schreiben. Es ist fast eine Art Selbstbeschreibung in Anlehnung an eine berühmte Geschichte des evangelischen Theologen und Philosophen Søren Kierkegaard, die Ratzinger in seinem erfolgreichsten und wichtigsten Buch, der „Einführung ins Christentum“, selbst nacherzählt.
In dieser Geschichte gerät ein Wanderzirkus in Brand. Der Zirkusdirektor schickt den bereits verkleideten Clown ins benachbarte Dorf, um Hilfe zu holen. Doch die Dorfbewohner lachen sich schlapp und halten die Hilferufe nur für eine originelle Clownerie, um Zuschauer ins Zirkuszelt zu locken. Schließlich fangen auch die Stoppelfelder Feuer, die Flammen fressen sich bis zum Dorf durch und entzünden auch die Wohnhäuser. Doch da ist es zu spät. Der Clown ist der Theologe in der modernen Welt, der einsame Rufer.