75. Geburtstag von Arnold Schwarzenegger - Monument aus einer liberalen Zeit

Schon früh in seiner Karriere beherrschte Arnold Schwarzenegger das Spiel mit Identitäten, mit inszenierter Authentizität und Männlichkeit. Dieser ironische Gestus unterscheidet ihn von anderen Action-Darstellern, machte ihn zu einer Ikone der Popkultur und ermöglichte seinen Wechsel in die Politik. Zugleich ist Schwarzenegger damit eine letzte Bastion von Multiperspektivität in einer zunehmend verengten Welt.

Arnold Schwarzenegger als „Terminator“: Er brach geschlechtliche Stereotype, indem er Persiflagen des Männlichen schuf. / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Was für eine Geschichte! Sie wurde tausend Mal erzählt und klingt doch jedes Mal unglaublich: Sie handelt von einem Jungen aus Thal, einem kleinen Ort unweit von Graz. Mit 14 entdeckt dieser Junge seine Liebe zum Gewichtheben. Mit 19 geht er nach München, um in einem Fitnessstudio zu arbeiten. Zwei Jahre später siedelt er über in die USA. Da war er soeben das zweite Mal Mr. Universum geworden. In Venice Beach, L.A., besucht er Gold’s Gym und macht aus der Betonhalle mit den selbstgeschweißten Geräten einen Mythos. Dass es derzeit in Deutschland knapp 10.000 Fitnessanlagen mit etwa 11 Millionen Mitgliedern gibt, ist vor allem sein Verdienst.

Doch als die Fitnessbranche in den 80ern so richtig durchstartete, war unser Held schon längst im Filmbusiness unterwegs. Zunächst spielt er in Genre-Filmen. Nur zehn Jahre später ist er ein Superstar Hollywoods und einer der bedeutendsten Action-Darsteller aller Zeiten.

Wie eine Persiflage auf den American Dream

Schon in den 80er Jahren hatte er zudem in eine der bedeutendsten Familien der USA eingeheiratet: die Kennedys. Auch deswegen startete er schließlich eine dritte Karriere, diesmal als Politiker. Von 2003 bis Januar 2011 war er Gouverneur von Kalifornien. Die Rede ist natürlich von Arnold Schwarzenegger.

Dass Schwarzeneggers Leben geradezu wie eine Persiflage auf den American Dream wirkt, macht seine Faszination aus. In drei Lebensbereichen hat der Steirer mehr erreicht als die allermeisten Menschen in einem einzigen. Das ist erstaunlich genug. Seine ganz eigene Strahlkraft bekommt dieser Lebensweg dadurch, dass sein Protagonist sich dabei nie um die Meinung anderer geschert hat, im Gegenteil. Als Bodybuilding und selbst Fitnesssport allenfalls belächelt wurde, holte er diesen Sport aus dem Kuriositätenkabinett, initiierte einen Welttrend und machte sich selbst zur Ikone dieser Branche.

Von Cineasten geschätzt

Dem Action-Genre erschloss er neue Zuschauermilieus, indem er seine begrenzten darstellerischen Möglichkeiten zum Markenzeichen und zum Kult erhob und schaffte es schließlich, mit der Terminator-Reihe (insbesondere Teil 1 und 2) auch bei Cineasten zu reüssieren. Ähnlich eigenwillig verfolgte er seine Karriere als Politiker und Kandidat der Republikaner. Denen steht er zwar politrhetorisch nahe. Das hat ihn aber nie daran gehindert, etwa in der Umweltpolitik Positionen zu beziehen, die von der gängigen Parteilinie erheblich abweichen.

In diesem Sinne ähnelte der reale Schwarzenegger tatsächlich den Charakteren, die er darstellte: unbeirrbar, gradlinig, unaufhaltsam seinen eigenen Weg gehend und nicht nach der Meinung anderer fragend.


Mehr aus der „Grauzone“:

Dabei ist Schwarzenegger intelligent genug, zu wissen, dass es den „Self-made-man“ natürlich nicht gibt. Schwarzenegger ist vor allem auch deshalb Schwarzenegger geworden, weil er willens war zu lernen, zu beobachten und sich Unterstützung zu holen – für sein Training, sein Englisch, seine Schauspielerei.

Personifizierter Pop

Dazu gehört auch, dass Schwarzenegger immer ein ausgeprägtes Gefühl für den Zeitgeist hatte. Geschmeidig hat er sich den Erfordernissen angepasst, die an eine öffentliche Person gestellt werden, vom Bodybuilder der 70er Jahre über den martialischen und maskulinen Schauspieler der Reagan-Ära bis zum Umweltschützer des Greta-Zeitalters. Dass er trotz dieser Wandlungsfähigkeit dennoch authentisch wirkt und eben nicht opportunistisch, gehört zu der Erfolgsrezeptur Schwarzeneggers.

Arnold Schwarzenegger ist personifizierter Pop. Instinktiv beherrscht er das Spiel mit dem Authentischen, die Synthese von Echtheit und Inszenierung, das Jonglieren mit sozialen Rollen in wechselnden Kostümen. Wo andere „Arnie“ identitär missverstanden, war er schon wieder einen Schritt weiter.

Arnie und Madonna: stilisierte Geschlechtlichkeit

In diesem Sinne ist Schwarzenegger die männliche Madonna. Ein Vergleich der beiden lohnt, nicht nur um die Protagonisten besser zu verstehen, sondern auch unsere Gesellschaft. Beide wurden in den 80er Jahren zu Superstars. Beide benutzten von Anfang an ihre Körper als Mittel der Inszenierung. Mehr noch: Beide verschwanden geradezu hinter ihrer Körperlichkeit. Beide auch stilisierten die Merkmale ihres jeweiligen Geschlechts bis ins Groteske: Schwarzenegger durch seine Muskelpakte, Madonna mit Hilfe von Gaultier-Korsetts, Spitzen, Leder und SM-Erotik.

Beide, Arnold Alois Schwarzenegger und Madonna Louise Ciccone, verließen damit geschlechtliche Stereotype und ironisierten sie, indem sie geradezu Persiflagen des Männlichen oder Weiblichen arrangierten. Wer über die heutigen Genderdebatten nachdenkt, ohne Schwarzeneggers und Madonnas ironische Hypostasierung von Geschlechtsmerkmalen in den 80er Jahren im Hinterkopf zu haben, hat nichts verstanden.

Monument aus einer liberalen Zeit

Zugleich wird nicht zuletzt an Schwarzeneggers ironischer Selbstdarstellung deutlich, wie sehr sich unserer Gesellschaft geändert hat. Wo einmal Übertreibung, Sinn für das Überzogene und Spaß am Grotesken herrschte, regiert inzwischen Sittenstrenge, Humorlosigkeit und Gouvernantentum. Der Hedonismus und die Multiperspektivität der Postmoderne wurden abgelöst durch Engstirnigkeit und Moralismus. Arnold Schwarzenegger wirkt da wie ein Monument aus einer vergangenen, liberalen Zeit. Heute feiert der große Steirer seinen 75. Geburtstag.

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