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() Stauffenberg (l.) und Crusie (r.)
Wider die politische Korrektheit

Ein Scientologe soll nicht den Widerstandskämpfer Stauffenberg spielen.

Es ist gut, dass ein Großer, einer‚ der es sich leisten, den man nicht sofort aus der öffentlichen Debatte verbannen kann, endlich gegen den geistigen Terror der politischen Korrektheit aufbegehrt. Mit seinem Plädoyer für den Scientologen Tom Cruise hat Florian Henckel von Donnersmarck ein Tabu gebrochen, ein Tabu, das die geistige Freiheit in diesem Lande seit Jahren einschränkt, weil viele mitmachen, die einen, weil sie ihre Überzeugungen absolut setzen, die anderen, weil sie die intellektuelle Verstoßung fürchten. Es ist schon so, wie der Herausgeber der FAZ, Frank Schirrmacher, kürzlich festgestellt hat: In diesem Lande dürfte heute nicht einmal der echte Stauffenberg sich selber spielen. Es begann mit dem ebenso lächerlichen wie sprachästhetischen Unsinn der „Innen“, die sich nun schon auf amtlichen Erfassungsbögen über Architekt/Innen und Soldat/Innen finden. Und was als sprachlicher Mummenschanz begann, hat im „Gender Mainstreaming“, also der politischen Geschlechtsumwandlung zu Gleichstellungszwecken seine traurige Fortsetzung gefunden. Man wage nur die These, dass es Sache der islamischen Gesellschaften und nicht der Amerikaner oder Europäer ist, die Gleichstellung der Frau im Islam durchzusetzen, und schon macht der Menschenrechtsfeminismus mobil. Dabei tappen auch Liberale leicht in die jakobinische Falle. Dass Christian Klar wohl noch immer nicht bedingungslos der Gewalt abgeschworen hat, hat ihn zu Recht um eine Begnadigung gebracht. Dass er das privatkapitalistische System abschaffen will, spricht jedoch nicht gegen seine Resozialisierung, solange er es friedlich und demokratisch unternimmt. Denn in einem hat der nicht immer lupenreine Demokrat Putin bestimmt recht. Privateigentum an russischen Gas- und Erdölquellen gehört nicht zu den Menschenrechten, die jedermann zu respektieren hat. Wie problematisch das Starren auf Anzeichen von Rassismus in unserer Gesellschaft sein kann, hat kürzlich der Fall Mulugeta in Potsdam gezeigt. Da die vermeintlichen Täter weiß und Deutsche waren und das Opfer Afrikaner, nahm sich nicht nur der Generalbundesanwalt der Sache an, die wohl eher eine Schlägerei unter Betrunkenen war, sondern es wurde auch ein Klima der öffentlichen Vorverurteilung durch Mahnwachen und Solidaritätsadressen erzeugt, in dem das freisprechende Urteil des Potsdamer Landgerichts schon fast eine mutige Tat darstellte. Die bundesweite Aufregung über den Fall steht in merkwürdigem Gegensatz zur großen Stille über zwei Berliner Untaten, bei denen die Opfer ebenfalls farbige Ausländer, die Täter aber offenbar Türken oder jedenfalls dem moslemischen Kulturkreis angehörende Personen waren. Aber der frühere Regierungssprecher Gerhard Schröders, Uwe-Karsten Heye, hatte die ausländischen Besucher der Fußballweltmeisterschaft ja auch vor deutschem Rassismus und nicht vor moslemischer Fremdenfeindlichkeit gewarnt. Längst haben wir uns in diesem Lande daran gewöhnt, dass linke Gewalt wegen der angeblichen Ungerechtigkeiten, gegen die sie sich richtet, mit einem gewissen Verständnis, rechte dagegen nur mit Abscheu und Entsetzen rechnen kann. Die politische Korrektheit beginnt die große Errungenschaft der Französischen Revolution, die Gleichheit vor dem Gesetz ohne Ansehen der Person, in sogenannten affirmativen Haltungen aufzulösen. Weil die Europäer in ihrer Geschichte so manche Untat gegen Angehörige farbiger Kolonialvölker begangen haben, fühlt sich eine überkorrekte öffentliche Meinung verpflichtet, kriminellen Taten mit nachholender Reue und vorauseilender Buße zu begegnen, wenn die Täter Deutsche ohne Migrationshintergrund sind. Es ist ein umgekehrter Rassismus, getrieben von der Motivation des „Nie wieder Deutschland“, wie es schon in den Tagen der Wiedervereinigung hie und da formuliert wurde. Nun ist es bestimmt richtig, dass Auschwitz und das, wofür es steht, uns die Verpflichtung auferlegen, mit unserem historischen Erbe bewusst aufmerksam und prüfend umzugehen. Das schlägt allerdings dort in ahistorische Rechthaberei um, wo – wie kürzlich geschehen – eine Figur wie Bismarck an den Forderungen des modernen Feminismus gemessen wird, und deutsche Geschichte vor 1933 wie einst bei den Nationalsozialisten zum Vorläufer erklärt wird. Von Golo Mann stammt die kluge Beobachtung, dass „die Geschichtsschreiber Hitler viel zu viel Ehre antun, die uns glauben machen wollen, es habe Deutschland seit 100 Jahren nichts anderes getrieben, als sich auf das unvermeidliche Ende, den Nationalsozialismus, vorzubereiten“. Das hindert manche allerdings nicht daran, die nationalkonservative Junge Freiheit vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen, während ihr linker Gegenpart, die taz, unhinterfragt zum demokratischen Spektrum der Bundesrepublik gehört. Dabei haben weder die eine noch die andere je Auschwitz verteidigt, den Führer zurückgewünscht oder Stalins mörderische Bilanz verkleinert. Warum also der Unterschied in der Behandlung? Es wird Zeit, dass die politisch Korrekten nachprüfbar erläutern, warum ein Scientologe nicht Stauffenberg spielen und ein Nationalkonservativer kein guter Demokrat sein kann. Schließlich hat ja auch niemand ein Berufsverbot für diejenigen Theologen gefordert, die die politisch korrekte Bibelübersetzung verbrochen haben, auch wenn Luther darüber wahrscheinlich strenger gedacht hätte.

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