Streit um Bundeshaushalt - Das letzte Gefecht der Bürgergeld-Verteidiger

Die argumentlosen Polemiken von Ampelpolitikern gegen die Beschneidung des Bürgergelds zeigen nur, dass sich der sozialpolitische Wind gedreht hat. Ein weiterer Ausbau des Umverteilungsstaats ist nicht sozial, sondern ungerecht.

Olaf Scholz, Lars Klingbeil, Saskia Esken, Katja Mast, Rolf Mützenich und Britta Haßelmann im Deutschen Bundestag. Berlin, 28.11.2023 / dpa
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD im Bundestag, Katja Mast, hat versucht, einen Schlussstrich zu ziehen: „Entgegen der konservativen Angriffe auf unseren Sozialstaat steht fest: Arbeit lohnt sich.“

Wer laut feststellen zu müssen glaubt, dass etwas feststeht, bestätigt damit allerdings stets eher das Gegenteil. Denn was wirklich feststeht, bedarf keiner Feststellung. Schon vor einigen Tagen hatte Mast während eines Auftritts bei Phoenix über das „Verhetzen des Bürgergelds“ geklagt und als Beleg dafür, dass sich Arbeiten lohne, die Erfahrungen ihrer Mutter angeführt.

Gerade Menschen, die arbeiten, obwohl sie dadurch nur geringfügig mehr Geld in der Tasche haben als solche, die nur Bürgergeld empfangen, gehören aber zu den Leidtragenden eines Systems, das Arbeitende immer stärker belastet, um Nichtarbeitende auf einem Niveau zu versorgen, das das Bundesverfassungsgericht als Existenzminimum festgelegt hat. Die Zweifel an der Funktionalität und Gerechtigkeit dieses Systems stehen schließlich jedem vor Augen und Ohren, der die an jeder zweiten Ladentür hängenden und mittlerweile die Radiowerbung dominierenden Jobangebote nicht aktiv ausblendet. Es ist eben angesichts von 1,8 Millionen offenen Stellen, rund vier Millionen vom Staat versorgten Nicht-Arbeitenden und fast 40 Milliarden Euro für Bürgergeld und Wohnhilfe offenkundig, dass sich für viele Menschen Arbeit weniger lohnt als der Bürgergeld-Empfang.

 

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Mit den konservativen Angriffen meint Mast wohl unter anderem den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der wie einige andere Unions- und AfD-Politiker, aber auch solche der Ampel-Partei FDP, die fürs kommende Jahr vorgesehene Erhöhung des „Bürgergeldes“ infrage stellte. Das Fehlen von Argumenten in der wütenden Kontra-Polemik, die jetzt von Mast und anderen sozialdemokratischen und grünen Sozialpolitikern kommt, ist eher ein Indiz dafür, dass diese selbst von der unbedingten Notwendigkeit der Bürgergelderhöhung nicht überzeugt sind. Ihr Problem sind nicht „konservative Angriffe“, sondern es ist die Wirklichkeit, die ihre Politik entzaubert. 

Die Stimmung hat sich gedreht

Bezeichnend, dass SPD-Politiker wie Mast oder jüngst auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas nun den Kritikern der Bürgergelderhöhung „Populismus“ vorwerfen. Das zeigt, dass diese wohl selbst erkannt haben, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung deutlich gedreht hat und immer mehr Menschen einsehen: Ein weiterer Ausbau des Sozialstaats durch zusätzliche Schulden (oder sogar Steuererhöhungen, über die SPD-Chef Lars Klingbeil jetzt laut nachdenkt) ist eben für alle, die leistungswillig und -fähig sind, keine soziale Wohltat, sondern eine Belastung, die an die Grenzen der Zumutbarkeit gelangt.

Hinzu kommt: Das Thema Sozialstaat ist längst eng verknüpft mit dem Thema Zuwanderung. Die bedingungslose Versorgung von Asylzuwanderern und Ukrainern auf Bürgergeldniveau verletzt tagtäglich das Gerechtigkeitsempfinden von Millionen Menschen (gerade auch solchen mit Zuwanderungsgeschichte, die sich hier eine bürgerliche Existenz erarbeitet haben). Dass ausgerechnet Sozialdemokraten dieses (Un-)Gerechtigkeitsempfinden nun wieder mit moralischen Verdikten belegen („nicht unter Generalverdacht stellen“/ „fremdenfeindliches Klima“) zeigt nur, wie sehr sie sich von ihren ursprünglichen Wählerschichten entfernt haben. 

Mast und Bas und andere Sozialpolitiker der Ampel reden sich mit solchen Abstempelungen aber auch selbst aus ihrer Verantwortung. Denn die Vorwürfe vieler Kritiker richten sich nicht so sehr gegen Menschen, die der Versuchung des Jobverzichts nachgeben. Nicht der Bürgergeldempfänger, der den Job als Kellner oder Pfleger ablehnt, weil er ohne ihn und mit Bürgergeld ein besseres Leben hat, ist zu kritisieren. Sondern eine Politik, die diese dysfunktonale, ökonomisch-moralische Schieflage der Anreize erzeugt hat. 

Die Ampel kommt mit Umbuchungen nicht davon

Die Menschen, die das Bürgergeld und all die anderen Projekte der Ampel finanzieren und deren Kinder als künftige Steuerzahler für die neuen Staatsschulden irgendwann zur Kasse gebeten werden, stellen vermutlich noch immer die Mehrheit der Wähler. Diese Erkenntnis sollte auch in der SPD nicht ganz vergessen werden, einer Partei, die in ihren vergangenen ruhmvollen Zeiten die Interessenvertretung derjenigen war, die durch Arbeit aufsteigen wollten. Einer Partei, die allein seit der jüngsten Bundestagswahl von bescheidenen 25,7 Prozent auf Umfragewerte von rund 16 Prozent abgestürzt ist.

Die veränderte Stimmungslage scheint nun aber auch am sozialdemokratischen Kanzler nicht ganz spurlos vorübergegangen zu sein. Auf einmal scheint dem Kanzler, gerade aus Dubai zurückgekehrt, wo er auf der Weltklimakonferenz eine etwa zehnminütige Rede zum Start des Klimaclubs hielt, jedenfalls wieder einzufallen, dass es mit dem Haushalt für 2024 einigermaßen dringend ist. Sein Vizekanzler, Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, hat deswegen auf seine Reise nach Dubai verzichtet.

Und es wird immer offenkundiger, dass Olaf Scholz und seine Ampelkoalition eben doch nicht nur mit dem Ausrufen einer neuen „Notsituation“ und ein paar kameralistischen Umbuchungen davonkommen, sondern vor allem da sparen müssen, wo das meiste Geld ausgegeben wird: beim Sozialstaat. 

Nicht einmal in seiner eigenen SPD-Fraktion konnte er mit seiner selbst für Scholz-Verhältnisse besonders inhaltsleeren Regierungserklärung überzeugen. Bezeichnend war darin besonders, dass er nur diejenigen als „Bürgerinnen und Bürger“ direkt ansprach, die „Kindergeld oder BAFöG bekommen, eine Rente oder Wohngeld“, und ihnen versicherte, dass sich in „Ihrem Alltag hier und heute“ nichts verändere. Für diejenigen, die nicht vom staatlich Umverteilten leben, sondern all diese Leistungen für andere erarbeiten und vom übrig gebliebenen leben, dürfte gerade die Aussicht verunsichernder sein, dass sich nichts ändert am Ausgabeverhalten der Regierenden.

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