Spionageverdacht gegen AfD-Mitglied - Bewährungsprobe für die Rechtspartei

Ein Mitarbeiter von Maximilian Krah, Europa-Spitzenkandidat der AfD, ist verhaftet worden. Der Vorwurf: Spionage zugunsten Chinas. Parteichef Chrupalla spricht zwar von einer „politisch motivierten Kampagne“. Dennoch wird Krah zu einer Belastung für die AfD.

Auf Widersprüche angesprochen: Maximilian Krah auf der Pressekonferenz nach seinem Gespräch mit Weidel und Chrupalla / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Eigentlich sah in den letzten Tagen alles danach aus, als könnte die AfD die politischen Tumulte rund um eine angebliche „Wannseekonferenz“ rechtzeitig vor der Europawahl hinter sich lassen: Björn Höcke absolvierte ein Streitgespräch mit dem CDU-Mann Mario Voigt auf Welt TV, in dem Kritiker eine fahrlässige Nobilitierung des AfD-Manns aus Thüringen sahen; Parteichef Tino Chrupalla war zur besten Sendezeit zu Gast bei Caren Miosga, der weithin Versagen wegen nicht ausreichender Vorbereitung attestiert wurde. Und der Journalist Tilo Jung veröffentliche ein mehr als sechs Stunden dauerndes Gespräch mit dem AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah. In nur vier Tagen wurde es mehr als 700.000 Mal aufgerufen. Es schien medial wieder zu laufen für die Rechtspartei.

Die mediale Erfolgswelle wurde nun aber abrupt durch Verhaftung eines Mitarbeiters von Krah gestoppt. Der Vorwurf: Spionage zugunsten Chinas. Dem deutschen Staatsangehörigen chinesischer Abstammung und heutigem AfD-Mitglied Jian G. drohen bis zu zehn Jahre Haft. Letztlich soll es Krah selbst gewesen sein, der ihn in die Partei geholt hat.

Nach einer Entscheidung der AfD vom heutigen Tage soll Krah vorerst Spitzenkandidat zur Europawahl bleiben. Ihm persönlich werde derzeit schließlich „keine Verfehlung vorgeworfen“, sagt AfD-Chef Chrupalla dazu gegenüber Cicero. Daher gebe es auch keinen Grund, dessen Kandidatur in Frage zu stellen.

Ganz konsequent praktiziert auch die AfD die Unschuldsvermutung nicht

Auf den Vorwurf von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Krah trage persönlich die „Verantwortung“ für den Vorgang, reagiert Chrupalla angefasst. Das sei ein „durchschaubares politisches Manöver“. Die „Verfassungsschutzministerin“ sollte stattdessen lieber die „Unschuldsvermutung als Rechtsstaatsprinzip verteidigen“. Schließlich könnte es auch in ihrem Verantwortungsbereich Spitzel geben. „Trüge sie dann dafür auch die persönliche Verantwortung?“, fragt der AfD-Mann rhetorisch.

Aber ganz so konsequent praktiziert am Ende auch die AfD die von ihr so vehement beschworene Unschuldsvermutung nicht. Als Maximilian Krah heute nach einem klärenden Gespräch mit Chrupalla und Weidel vor die Kameras trat, war er nicht nur allein, sondern verkündete außerdem die sofortige Auflösung des Arbeitsvertrages mit Jian G. Grund war der Erlass eines Haftbefehls durch den Bundesgerichtshof vom heutigen Tage gegen ihn.

 

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Auf den Widerspruch angesprochen reagiert Krah schmallippig. Angesichts des Haftbefehls sei eine Weiterbeschäftigung seines Mitarbeiters „weder politisch noch arbeitstechnisch“ möglich gewesen. Was Krah heute für selbstverständlich erklärt, klang gestern noch etwas anders. Erst wenn sich die Vorwürfe gegen seinen Mitarbeiter als „wahr“ herausstellen würden, komme eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Der Prozess gegen Jian G. hat aber bisher nicht einmal begonnen.

Wahrscheinlicher ist daher, dass die Kündigung seines Mitarbeiters einer der Preise ist, die Krah gegenüber Chrupalla und Weidel entrichten muss, um deren Gunst nicht zu verspielen. Auch die Teilnahme des Spitzenkandidaten am Wahlkampfauftakt in Donaueschingen an diesem Wochenende ist abgesagt. Krah ist vorerst zu einer Belastung geworden, und die Nerven in der Partei liegen zunehmend blank.

Vor zehn Jahren soll sich Jian G. dem Verfassungsschutz als Spitzel angeboten haben

Chrupalla hatte sich schon am Sonntag bei Caren Miosga deutlich von ihm abgesetzt. Die Moderatorin konfrontierte den AfD-Chef mit Aussagen von Krah, die dieser bloß mit Augenrollen und „Quatsch!“ kommentierte. In der Partei sind derartige Distanzierungen umstritten. Sie werden auch als zunehmend gelingende Versuche interpretiert, einen Keil in die Partei zu treiben. Schon Alice Weidel hatte kurz nach dem umstrittenen Treffen am Wannsee ihren persönlichen Referenten vor die Tür gesetzt und die Vorgänge zugleich zu einer bloßen „Kampagne“ erklärt.

Von einer „politisch motivierten Kampagne“ spricht jetzt auch Tino Chrupalla im Falle Krahs. Die AfD solle „mitten im Wahlkampf scheibchenweise beschädigt“ werden. Für ihn ist es jedenfalls kein Zufall, dass die Vorwürfe genau jetzt erhoben werden. Vor zehn Jahren soll sich Jian G. bereits dem Verfassungsschutz als Spitzel angeboten haben. Die Behörde lehnte ab, sah die Gefahr eines Doppelagenten.

Genau deshalb habe Chrupalla jetzt Fragen an den Verfassungsschutz: „Wenn der Mann schon auffällig war und sich selbst als Spion angeboten hat, warum konnte er überhaupt deutscher Staatsbürger werden? Und warum wurde das EU-Parlament nicht informiert?“ Der AfD-Vorsitzende spielt damit auf die Tatsache an, dass Krahs Mitarbeiter vor Zustandekommen des Arbeitsvertrages einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden war. Diesen Fragen will man jetzt weiter nachgehen.

Im Fall Jian G. ist die AfD nur knapp an einer noch viel größeren Blamage vorbeigeschlittert. Im anhängigen Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster sollte Jian G. ursprünglich auch als Zeuge der AfD auftreten. Das Kalkül der Partei dahinter: Der Deutsche mit chinesischen Wurzeln hätte einer der Kronzeugen dafür sein sollen, dass die AfD nicht ausländerfeindlich sei. Verhindert hat den Auftritt von Jian G. letztlich Krah selbst. Er hätte das seinem Mitarbeiter nicht zumuten wollen. Von einer möglichen Spitzeltätigkeit seines Mitarbeiters habe er aber nichts gewusst, beteuert er.

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