Schwarz-Rot und die Bildung - Die Berliner Schule braucht einen Neustart 

Seit Jahren schneiden Berlins Schüler im Leistungsvergleich der Bundesländer am schlechtesten ab. Schuld ist eine ideologisch geprägte Schulpolitik, die wirksame Lernmethoden verhindert. Der anstehende Regierungswechsel bietet die Chance, der pädagogischen Evidenz zum Durchbruch zu verhelfen.  

Schlechter als ihr Ruf: die Rütli-Schule in Neukölln / dpa
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Rainer Werner unterrichtete an einem Berliner Gymnasium Deutsch und Geschichte. Er verfasste das Buch „Fluch des Erfolgs. Wie das Gymnasium zur ,Gesamtschule light‘ mutiert“.

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Ein kleines Wunder ist geschehen. Nach 27 Jahren gibt die Berliner SPD das Amt des Schulsenators ab. Neue Senatorin für Bildung wird Katharina Günther-Wünsch (CDU). Sie ist derzeit noch stellvertretende Schulleiterin der Walter-Gropius-Gemeinschaftsschule im Bezirk Neukölln. Fünf sozialdemokratische Amtsinhaber, darunter drei Frauen, haben es nicht vermocht, die Berliner Schule so zu ertüchtigen, dass sie die Rote Laterne im Bildungsranking der Bundesländer abgeben konnte. Auf die neue Senatorin warten gewaltige Aufgaben. Sie muss die Schwachstellen der Berliner Schule identifizieren und das Steuer herumreißen. Vor allem muss Berlin endlich von den erfolgreichen Bundesländern Sachsen und Bayern lernen, die die Leistungstabelle im Schulvergleich anführen. Die Berliner Schüler hätten es verdient.  

Sozialdemokratische Bildungs-Lyrik 

Liest man das Bildungskapitel im Koalitionsvertrag, fällt auf, dass es vor sozialdemokratischen Wortgirlanden nur so strotzt: Ein „Kita-Chancenjahr“ wird versprochen, ein „Kinder-Siegel“ soll es ebenso geben wie einen „Kinder-Check“ und einen „Jugend-Demokratiefonds“. Über ein Wortungetüm dürfen sich Lehrer und Sozialarbeiter den Kopf zerbrechen: Sie sollen „aufsuchende sport- und sozialraumorientierte Angebote“ unterbreiten. Wo im Text einzelne Unterrichtsthemen erwähnt werden, sind es nicht die wichtigen MINT-Fächer, sondern „Umwelt- und Klimaschutz“. Die schulische Unterweisung in „Antidiskriminierung“ darf natürlich nicht fehlen.

Die CDU kann nur an einer Stelle punkten. Sie hat die Einrichtung eines Wahlpflichtfaches „Weltanschauungen/Religionen“ durchgesetzt. Die säkularen Milieus in der Hauptstadt witterten sofort eine reaktionäre Re-Christianisierung. Die Aufregung ist schon deshalb absurd, weil es an den Schulen in einem Jahrgang bis zu sechs Wahlpflichtfächer geben kann, sodass es fraglich ist, ob genügend Schüler das neue Fach „Weltanschauungen/Religionen“ überhaupt wählen werden. Vorteile ergäben sich vor allem für die Schüler mit muslimischer Religionszugehörigkeit. Ihre religiöse Grundbildung kann künftig in der Schule erfolgen und ist nicht länger auf dubiose Moscheevereine angewiesen. Das Fach „Ethik“ war für religiöse Bildung ohnehin nicht geeignet, weil es sich gerade in Berlin zu einem Fach „Sozialkunde Plus“ entwickelt hat.

Der neue Senat will eine „universitäre Studie“ in Auftrag geben, die alle in der Schule auftretenden Konflikte untersuchen soll. Genannt werden „Mobbing, Antisemitismus, Sexismus, Konflikte durch religiösen Konformitätsdruck, Queer- und Transfeindlichkeit“. Eine solche Studie ist völlig überflüssig, weil sie an dem entscheidenden Problem nichts ändert: Schulleitungen kehren solche Konflikte gerne unter den Teppich, weil sie um den guten Ruf ihrer Schule fürchten. Ein schlechter Ruf lässt nämlich die Zahl der Schüleranmeldungen zurückgehen, was Lehrerstellen kosten kann. Dieses Wegschauen hat in der Vergangenheit Konfliktlösungen zugunsten der Opfer behindert und den Tätern das Feld überlassen. Oft blieb den Betroffenen nichts anderes übrig, als die Schule zum Selbstschutz zu verlassen. Was die Berliner Schule braucht, ist keine neue Studie, sondern eine amtliche Verpflichtung der Schulleitungen, offen mit Diskriminierungen umzugehen und vor allem die Opfer besser zu schützen.  

Laissez-faire beim Spracherwerb beenden 

Ein Problem scheint der neue Senat endlich lösen zu wollen. In der Vergangenheit kamen nicht alle Eltern, deren Kinder keine Kita besuchten, der gesetzlichen Verpflichtung nach, ihre Kinder zum Sprachtest vorzustellen. Die säumigen Eltern blieben unbehelligt. Die Behörde schreckte davor zurück, gegen sie ein Bußgeld zu verhängen, obwohl sie durch ihre Ignoranz den schulischen Erfolg ihrer Kinder gefährdet hatten. Die Folgen mussten die Grundschulen ausbaden. Wenn ein Kind eingeschult wird und nur gebrochen oder gar nicht Deutsch spricht, ist es von Anfang an benachteiligt. Denn Deutsch ist Unterrichtssprache in allen Fächern außer Englisch. Selbst in Mathematik werden Aufgaben in sprachlicher Form gestellt.

Die Folgen sind einschneidend. Die abgehängten Kinder können kaum noch zu ihren erfolgreichen Klassenkameraden aufschließen. Der neue Senat will künftig sicherstellen, dass die „Sprachstandsfeststellungen rechtzeitig stattfinden“. Werden dabei Sprachdefizite festgestellt, müssen die Kinder „ein Jahr vor Schulbeginn verpflichtend eine Kita oder ein alternatives Bildungsangebot besuchen“. Man darf gespannt sein, wie der Senat diese Kita-Pflicht künftig durchsetzen will.  

Berlins Grundschüler mit gravierenden Defiziten 

Über die Mängel des Grundschulunterrichts verliert der Koalitionsvertrag kein einziges Wort. Dabei herrscht hier der größte Reformbedarf. Die Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) über die Leistungen unserer Grundschüler in Mathematik und Deutsch (2021) erbrachte alarmierende Befunde. In Berlin erreichten in der Rechtschreibung 46,1 Prozent der Schüler nicht den Mindeststandard. Dieser Minimalstandard markiert die Scheidelinie zum Analphabetismus. Eine Ursache ist der mangelhafte Sprachstand vieler Schüler. Zusätzlich wird der Lernprozess noch dadurch erschwert, dass in den ersten Klassen auf jede Form von Leistungsdifferenzierung verzichtet wird. Dabei wäre es sinnvoll, den schnellen Lernern, die oft schon vor der Einschulung lesen, schreiben und rechnen können, einen eigenen Lernraum zu gewähren, in dem sie sich anspruchsvollen Aufgaben widmen können.

Eine egalitäre Ideologie will das nicht einsehen, weil sie es den intelligenten Kindern aus dem bildungsbürgerlichen Milieu missgönnt, den langsamen Lernern vorauszueilen. Würde man dieses Prinzip im Sport anwenden, müsste man bei Wettkämpfen den besten 100-Meter-Läufern eine Bleiweste umhängen, damit sie den langsamen Läufern nicht davonrennen. Das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit führt, wenn es auf die Schule übertragen wird, den Leistungsgedanken ad absurdum. Einen geschützten Lernraum könnten auch die lernschwachen Schüler gut vertragen. Sie brauchen die volle Zuwendung und Hilfestellung der Lehrkräfte, die nicht durch gleichzeitige Betreuung der geistigen Überflieger gemindert werden sollten. Leistungsdifferenzierung ist das Gebot der Stunde.  

Die Integrierten Sekundarschulen ertüchtigen 

Im Oktober 2020 legte eine Expertenkommission zur Schulqualität unter Leitung des Bildungsforschers Olaf Köller ihren Abschlussbericht vor, der es in sich hatte. Er bescheinigte der Berliner Schule, dass die angewandten Lernmethoden keine Wirksamkeit entfaltet hätten. Vernichtender kann man über ein Schulsystem nicht urteilen. Seither hat man von dem Bericht nichts mehr gehört. Offensichtlich wurde er folgenlos zu den Akten gelegt. Auch der Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot nimmt darauf keinen Bezug. Dabei könnten die Vorschläge der Wissenschaftler helfen, die hohe Zahl an Schulabbrechern zu senken. Die meisten Schüler, die in Berlin die Schule ohne Abschluss verlassen, haben zuvor eine Sekundarschule besucht. Die dort verwendeten Lernmethoden müssten deshalb dringend auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Ausgerechnet für diese Schule verzichtete die Schulbehörde bislang darauf, die Differenzierungsmethode vorzuschreiben, die am meisten Erfolg verspricht. Stattdessen wurde den Lehrerkollegien in den drei Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch freigestellt, wie sie den Unterricht differenzieren wollen. Lehrkräfte mit egalitärer Einstellung und einem Faible für Diversität werden allemal der Binnendifferenzierung den Vorzug geben, bei der die ganze Klasse unterrichtet wird. Diese Differenzierungsform zählt zu den anspruchsvollsten Unterrichtstechniken, weil es keinesfalls leicht ist, das eingesetzte Lernmaterial für drei Anspruchsniveaus aufzubereiten. Lernschwache Schüler bleiben dabei häufig auf der Strecke. Aber auch die flinken Lerner bekommen nicht das geistige Futter, das ihre schnelle Auffassungsgabe benötigt.

 

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Wirksamer wäre es, die äußere Differenzierung in Fachleistungskursen vorzuschreiben. Es ist sicher kein Zufall, dass die klassische Gesamtschule unter den integrativen Schulformen am besten abschneidet. Die dort praktizierte äußere Fachleistungsdifferenzierung in den drei Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch hat sich als äußerst leistungsfähig erwiesen.

Unter Lernforschern nimmt neuerdings die Kritik an der Binnendifferenzierung zu. So hat der Soziologe Hartmut Esser von der Universität Mannheim in einem Beitrag für die Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie festgestellt, dass eine „Stärkung der Differenzierung nach kognitiven Fähigkeiten und Leistungen angeraten“ sei, „wenn man die Effizienz des schulischen Kompetenzerwerbs verstärken“ wolle. Das gelte auch für leistungsschwache Kinder. Die Bildungsexperten der Berliner CDU waren bei den Koalitionsverhandlungen offensichtlich nicht auf dem neuesten Sachstand. Sonst hätten sie mit größerer Überzeugungskraft für eine leistungsbetonte Unterrichtsgestaltung an den integrativen Schulformen gestritten. Das Wort Leistung kommt im Bildungskapitel kein einziges Mal vor. In Berlin ist es zu einem Unwort geworden.  

Extraferien durch Unterrichtsstörungen 

Differenziert man das Lernen innerhalb der ganzen Klasse, nimmt man die Reibungsverluste in Kauf, die durch die Rivalitäten zwischen den schnellen und den langsamen Lernern ständig entstehen. In heterogenen Lerngruppen ist die Lernatmosphäre in der Regel ruppiger und störanfälliger als in homogenen Lerneinheiten, wo die Gleichheit der Lernvoraussetzungen zur Friedfertigkeit beiträgt. Ein Mitglied der Berliner Schulinspektion erzählte mir, dass der Unterricht an Berliner Sekundarschulen häufig von massiven Störungen und einem geringen Lernertrag geprägt sei. Ein Übel sei der Verlust an echter Lernzeit, der durch die Säumigkeit der Schüler und das permanent nötige Einfordern der Regeln durch die Lehrkraft bedingt sei.

Ein einfaches Rechenexempel verdeutlicht den Schaden, den Unterrichtstörungen anrichten. Wenn in jedem Fach in jeder Stunde fünf Minuten durch verspäteten Unterrichtsbeginn oder Unterrichtsunterbrechungen verloren gehen, summiert sich die verlorene Unterrichtszeit in einem Schuljahr auf 93 Stunden. Das entspricht drei Wochen Extraferien.  

Die Gymnasien stärken 

Für das Berliner Gymnasium soll es eine wichtige Neuerung geben. Das Probejahr soll abgeschafft und im Gegenzug beim Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule eine „neue Eignungsfeststellung“ eingeführt werden, „die gewährleistet, dass die Schülerinnen und Schüler den Herausforderungen am Gymnasium gewachsen sind“. Wie diese Eignungsfeststellung aussehen soll, wird nicht ausgeführt. Mit einem muss man rechnen: Die Elternvertretung wird das Recht ihrer Klientel, beim Übergang der Schüler von der Grundschule auf die weiterführende Schule mitzubestimmen, nicht kampflos preisgeben. Denkbar wäre ein Punktesystem, das aus drei Komponenten besteht: der Förderprognose der Grundschule, einem Eignungstest für das Gymnasium und dem Elternwunsch. Im Zweifelsfall könnte ein vierwöchiger Probeunterricht am Gymnasium sicherstellen, dass das Kind dort nicht überfordert ist.

Berlin leistet sich eine bundesweit einmalige Absurdität: Bei Übernachfrage eines Gymnasiums werden 30 Prozent der Schulplätze durch Losentscheid vergeben. Deutlicher kann man die Verachtung des Eignungsprinzips nicht ausdrücken. Warum hat die CDU diesen Unfug nicht beendet?  Eine angekündigte Änderung war längst überfällig: Die Prüfung zum Mittleren Schulabschluss (MSA) wird für Gymnasiasten endlich abgeschafft. Es war eine schikanöse „Prüfung“ ohne Wert, bei der 99 Prozent der Schüler bestanden. Sie war nur dem Gleichheitsverlangen der linken SPD geschuldet. Die Einführung des Faches „Wirtschaft-Arbeit-Technik“ (WAT) an allen Schulformen werden nicht nur die Wirtschaftsverbände begrüßen. In den heutigen schwierigen Zeiten kann eine ökonomische Grundbildung Heranwachsenden helfen, die wirtschaftlichen Ursachen der gesellschaftlichen Verwerfungen zu verstehen.   

Schwachstelle Gemeinschaftsschule 

Der Koalitionsvertrag verspricht: „Die Koalition stärkt die Gemeinschaftsschule als eigenständige Schulart.“ Über die Qualitätsmängel dieser Schule verliert der Vertrag kein Wort. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass Schüler an Gemeinschaftsschulen schlechter abschneiden als Schüler an Sekundarschulen. Da beide Schulformen integrativ arbeiten, also Schüler unterschiedlichster Intelligenz und Begabung gemeinsam unterrichten, muss das Leistungsgefälle an der spezifischen Lernmethode liegen, die an der Gemeinschaftsschule praktiziert wird: am individualisierten Lernen. Diese modische Lernform gilt als der heilige Gral integrativer Pädagogik. Der Berliner Senat hat sie im Schulgesetz von Berlin für unantastbar erklärt, indem die dort verlangten Differenzierungsmethoden an dieser Schulform nicht gelten.

Da sich Berlin weigert, die Ergebnisse der VERA-8-Vergleichsarbeiten schulformspezifisch auszuweisen, muss man nach Baden-Württemberg schauen, um belastbare Lerndaten zu erhalten. Der Report „VERA 8 – Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg“ (2022) brachte zutage, dass die Schüler an Gemeinschaftsschulen in Rechtschreibung und Mathematik deutlich schlechter abschnitten als die Schüler anderer Schulformen. Der Vorsitzende des Verbandes der Gymnasiallehrer von Baden-Württemberg, Ralf Scholl, sprach von einem „Komplettversagen der Schulart Gemeinschaftsschule“.

Manchmal dringen auch Leistungsdaten aus Berliner Gemeinschaftsschulen an die Öffentlichkeit, die der Skepsis gegenüber dieser Schulform Nahrung geben. Die Rütli-Schule in Neukölln wurde nach ihrem pädagogischen Neustart 2006 zum Mekka der Schulreformer. Die meisten ließen sich vom Glanz der polierten Oberfläche des Rütli-Campus blenden. In einem Zeitungsinterview gestand Schulleiterin Cordula Heckmann ein, dass an ihrer Schule zehn Prozent der Schüler keinen Abschluss schaffen. Im Berliner Durchschnitt sind es nur 8,6 Prozent, im Bundesdurchschnitt 6,3 Prozent.

Die neue Schulsenatorin muss diese Schulform dringend evaluieren. Dabei darf es keine Tabus geben. Auch die heilige Kuh des individualisierten Lernens gehört auf den Prüfstand. Nach Meinung erfahrener Lehrkräfte ist diese Methode vor allem für Kinder aus bildungsfernen Schichten nicht geeignet. Auch Kinder aus Migrantenfamilien tun sich mit dieser Lernform schwer, weil sie Kompetenzen voraussetzt, die sie zu Hause nicht erworben haben.  

Dem Leistungsprinzip eine Chance 

Berlin hat eine lange hedonistische Tradition. Sie geht zurück auf die 1960er/1970er-Jahre, als im ummauerten West-Berlin ein Biotop aus alternativen Lebensformen entstand. Staatsferne Nischen dienten als Laboratorien, um neue Formen des Lebens und des Liebens auszuprobieren. Das alternative Milieu verstand sich explizit als Gegenentwurf zum kapitalistischen Leistungsprinzip, dem man dadurch noch ein Schnippchen schlug, dass man unverblümt Staatsknete für die Alimentierung der alternativen Lebensentwürfe in Anspruch nahm. Freie Kindertagesstätten, Kinderläden genannt, sprossen aus dem Boden wie Pilze. Generationen junger Menschen wurden in diesem lustbetonten Milieu sozialisiert.

Diese Kultur wirkt bis heute nach. Berliner Gymnasiasten präsentieren sich als charmante Epikureer, die überaus gerne diskutieren, anstrengenden Lernformen aber mit hinhaltendem Widerstand begegnen. Wenn man um diese spezifischen Berliner Sozialisationsbedingungen weiß, nimmt es nicht wunder, dass das schulische Leistungsprinzip gerade in Berlin einen schweren Stand hat. Anders ist nicht zu erklären, dass die Stadtgesellschaft nach einer neuen Hiobsbotschaft über schlechte Leistungen Berliner Schüler achselzuckend zur Tagesordnung übergeht. Leistung sei nicht alles, bekommt man zu hören, wenn man im Freundes- und Bekanntenkreis auf die Misere der Berliner Schule aufmerksam macht. Wichtiger als Leistung seien ein Unterricht, der Spaß macht, und ein harmonisches Miteinander der Kulturen, die sich in der Schule begegnen.

Selbst harte Fakten können die Verächter des Leistungsprinzips nicht überzeugen: Jedes Schuljahr verlassen 3000 Schüler die Berliner Schule ohne Abschluss. Sie landen im Billiglohnsektor der Logistikbranche oder im Bürgergeld. Ein Aufstieg durch eine berufliche Ausbildung bleibt ihnen verwehrt. Durch ein dysfunktionales Schulsystem werden sie um ihre Lebenschancen gebracht. Dass ausgerechnet Berlin, die einstige sozialdemokratische Hochburg, das Versprechen „Aufstieg durch Bildung“ so sträflich konterkariert, sollte den neuen Senat zum Umdenken veranlassen. Berlin muss beim Ländervergleich der Schülerleistungen endlich die Rote Laterne abgeben.  

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