Überholen ohne einzuholen: Mit der Bahn in Deutschlands glorreiche Zukunft / dpa

Schienenverkehr - Deutschland im Miniaturformat

Die Bahn soll Rückgrat der geplanten deutschen Verkehrswende sein. Für die Zukunft wird eine schöne neue Bahnwelt versprochen, während in der Gegenwart mit Verspätungen und Zugausfällen an der Substanz gezehrt wird. Und so sieht es auch auf allen anderen Politikfeldern aus, von der Energiewende bis zur Migrationskontrolle.

Markus Karp

Autoreninfo

Markus Karp ist an der Technischen Hochschule Wildau Professor für Public Management und Staatssekretär a.D.

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Bahnreisen in Deutschland sind oftmals eher etwas für Hartgesottene. Die Probleme sind in der Regel stets dieselben: Der Zug verspätet sich oder entfällt. Mannigfaltiger präsentieren sich die Ausreden. Klassiker sind Signalstörung, Zug kaputt, Weichenstörung, Nieselregen. Eine seltenere Blüte ist die Türstörung. Stark im Kommen ist der kurzfristige Personalausfall. Manchmal sind auch andere schuld, das ist dann die Verspätung aus vorheriger Fahrt. Auch eine Blankoausrede existiert: Verzögerungen im Betriebsablauf laden zum Rätseln ein. Womöglich haben die Durchsagen gar nichts mit der Lage auf der Strecke zu tun, sondern werden mit Augenmerk auf etwas Abwechslung ausgespielt.

In den alten Tagen der Bundesbahn war das Verkehrsmittel bieder und zuverlässig, aber ein gewaltiges Zuschussgeschäft. Immerhin hielt der Zug da noch an jeder Milchkanne, um eine besonders nervige politische Phrase zu bemühen. Heute ist das anders: Der Staat simuliert jetzt privatwirtschaftliches Unternehmertum, indem er den Bahnbetrieb als Aktiengesellschaft ausgibt. Allerdings hält der Zug nun nicht mehr an jeder Milchkanne, die Bahnoberen wären auch zufrieden damit, die 20 größten Städte ohne Zwischenhalt verbinden zu können. Manches ändert sich aber auch nicht: Das Bahnwesen wird trotzdem kein Gewinnbringer, solange es zur Daseinsvorsorge gehören soll, sondern benötigt zum Funktionieren viel öffentliches Geld. Da es nun aber auch mit der Zuverlässigkeit ein Ende hat, kann gesagt werden, dass es der Politik gelungen ist, die Schattenseiten einer Behörde mit der eines Konzerns zu vereinen.

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Walter Bühler | Mo., 30. Oktober 2023 - 17:01

Der Staat als Unternehmer tut nichts anderes, als den Leuten, die der Ideologie der herrschenden Partei-Funktionäre am nächsten stehen, die üppig bezahlten Leitungsposten zuzuschieben. Das setzt sich auch in der zweite Leitungsebene fort, und die dritte z. B. nur noch mit Frauen, Farbigen oder Transvestiten besetzt, je nach tagesaktueller Vorgabe, usw. usf. So entsteht das Management dieses modernen Unternehmens.

Die unteren Ebenen, die irgendwie den Betrieb aufrecht erhalten müssen, müssen mit Lohnerhöhungen still gestellt werden, sonst stünden ja alle Räder wirklich still.

Dem Volk wird das Paradies und das Schlaraffenland ausgemalt, das uns die Ideologie schenken wird. Wir können zwischen allen Orten am St. Nimmerleinstag kostenlos zu allen Zeiten mit der Bahn herumkutschieren.

Der Alltag zwischen Basel und Freiburg oder in Stuttgart wird dagegen dem Zu- und dem Zerfall überlassen.

Ein Unternehmen in einer Bananenrepublik eben, wie der ÖRR.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 30. Oktober 2023 - 17:06

dass die Bahn dieses Rückgrat der Deutsche Verkehrswende werden kann.
Lieber Genosse Thierse, ich will das Leben der DDR-Bürger ganz bestimmt nicht kleinreden, das unter den gegebenen Bedingungen der Zeitgeschichte nicht völlig andere Möglichkeiten bot.
Es ist jetzt aber eine andere Zeit und ich möchte daran erinnern, welche ungeheuren Kosten alleine der Aufbau der "Schiene Ost" - so verkürze ich mal - bedeutete?
Jetzt kann man wahrscheinlich im Westen nahtlos anknüpfen und im Osten weiterbauen.
ABER JA, das ist eine intelligente Alternative zu überbordendem Strassenverkehr.
Nicht nur wegen Agatha Christie´s "Orientexpress" liebe ich Zugfahrten und bevorzuge sie vor dem Autofahren, sondern wegen der "Geselligkeit und meistens Beinfreiheit".
Wer da alles zusammenkommt, beiläufig und doch erhellend.
Liebe Grüne, entschuldigt bitte meinen nicht ganz ernstgemeinten Tonfall, aber von Marketing habt Ihr evtl. keine Ahnung?
Wer will denn nur "stinkende" Blechkolonnen, wenn´s multipel geht?
Nu

Hans Jürgen Wienroth | Mo., 30. Oktober 2023 - 20:12

Antwort auf von Dorothee Sehrt-Irrek

Ich bewundere Ihre Zuversicht. Auch ich fahre gerne Bahn, habe aber nach den letzten Erlebnissen wieder damit aufgehört. Wer mit 6 Personen und Reisegepäck in einem Abteil gesessen hat, bei jedem Stopp des Zuges darauf wartete, dass einer der Koffer aus der viel zu kleinen Ablage herabfallen würde, wer tags zuvor anreisen soll, weil vor der Mittagszeit kein Zug das Ziel erreicht, weil dieser dann ggf. auch nicht fährt, wer großes Gepäck über 2 Stufen in einen ICE oder einen Doppelstockwagen wuchten darf, der hat die Lust darauf verloren.
Ich kann auch nicht erkennen, dass es ökologisch sinnvoll ist, stündlich große ÖPNV-Busse über die Dörfer fahren zu lassen, in denen tagsüber maximal 3 Personen (oft auch Leerfahrten) sitzen. Das liegt jedoch vermutlich an meiner technischen Ausbildung, die mir die Plausibilitätsprüfung bei jeder Aktion zur Pflicht macht.
Ich hoffe, Ihre Eisenbahnromantik bleibt Ihnen erhalten.

Dorothee Sehrt-Irrek | Di., 31. Oktober 2023 - 13:33

Antwort auf von Hans Jürgen Wienroth

nicht übergeben, wie schon als Baby beim Herumkurven meines Vaters.
Die zweifelsohne auch fortschrittliche individuelle Fortbewegung, wie auch beim Radfahren oder Spaziergang ermöglicht eben auch den individuellen Ausdruck, der nicht meiner sein muss.
Meine Liebe zu Berlin, das ist auch die zu U- und S-Bahn, zum Gleiten ohne ständige Aufmerksamkeit für Verkehr und Verkehrsschilder.
Ich weiss aus anderen Bereichen, dass kleinere Formate nicht unbedingt viel billiger sind in der Herstellung, aber auch, dass massenhafte Annahme durch die Bevölkerung keine des Fingerschnipsens ist.
Also warum nicht ersteinmal kleinere Busse einsetzen?
Okay, Stress und Urlaub scheinen mittlerweile Synonyme.
Das ruft evtl. nach einer anderen Planung: Etappenanfahrt etc.
Es tut sich viel und bitte noch einmal bedenken, die Wiedervereinigung ist im positiven Sinne wahrscheinlich noch nicht einmal abgeschlossen.
Ich liebe mittlerweile auch die Bewegung der Blätter, Hauptsache ich kann meinen Gedanken nachhängen

Romuald Veselic | Mo., 30. Oktober 2023 - 17:25

dass das Schulsystem unproduktive Massen produziert, was sich darin widerspiegelt, dass immer mehr Halb- u 3/4-Analphabeten aus den Schulen kommen. Ein Sozialberater kann keinen Lokführer, der bald in die Rente geht, ersetzen.
Die sog. Grüne Transformation (Wunschdenken) in der Infrastruktur wird nie gelingen, geschweige halbwegs funktionieren. Denn es gibt kein Nachwuchs für Bahn u ÖPNV. Es wird irgendwann in D-Land so aussehen, wie in PR China unter Mao. Jedem sein klappriges Fahrrad.
Die ganze Super-Wende ja, aber Richtung Neue Deutsche Steinzeit. Und was unsere Regierung angeht, diese über alimentierten, unfähigen Typen, wie Habeck/Bearbock/Nancy/Roth, etc, usw., sind in ihren Kompetenzen so fehl am Platz, dass nach meiner Überzeugung, würden sie bei der Führerscheinprüfung alle durchrasseln. Ihnen fehlt kognitives Denken, sowie dispositive Vorstellung davon, dass die Menschen nur bedingt belastbar sind. Denn jeder Knüppel hat zwei Enden.
Diese Dummköpfe wollen etwas gestalten?

"Neue Deutsche Steinzeit" nicht ganz ausräumen.
Immerhin bin ich dankbar, dass überspitzt, Greta den Atlantik nicht "im Tretboot" überquerte, aber in meinen Augen "eher ideologischen oder Predigergestalten" des öffentlichen Lebens, traue ich persönlich auch "nichts" zu.
Hinzu kamen bei Frau Merkel evtl. zwei Asymmetrien, eine "mobilisierende" für Grüne und Linke und eine "demobilisierende" in Bezug auf teils SPD, FDP und vor allem CDU?
Die CDU erholt sich langsam in Richtung Moderne und für SPD und FDP erhoffe ich mir das auch.
Grüne und Linke sind schon wohl stärker "lebensweltlich/Milieu" verhaftet, aber die kann man mitziehen für konstruktive Politik, die in der letzten Zeit evtl. zu stark von "Bildbeschmutzern und Strassenklebern" "besetzt/blockiert" war.
Die Steinzeit war übrigens auch die damals mögliche Moderne, hinter die wir nicht zurückfallen sollten.
Der Technisch-Naturwissenschaftliche Nachwuchs steht in den Startlöchern, davon gehe ich aus.
Geben wir ihnen ihre Chance!

Henning Wagner | Mo., 30. Oktober 2023 - 18:35

Es ist schon grotesk, dass H. Karp als CDU-Mitglied und Staatssekretär jetzt so vom Leder zieht. Seine Partei und seine Kanzlerin Merkel tragen die Hauptverantwortung für den desolaten Zustand der Bahn und der gesamten Infrastruktur, indem diese chronisch unterfinanziert wurden. Im Zusammenhang mit der Bahn sei die Aussage von Peter Füglistaler erwähnt, Leiter der Schweizer Verkehrsbehörde. Er sagte im Interview mit der Frankfurter Zeitung (22.7.): "Man spürt, dass die Ampelkoalition wirklich etwas verbessern will....Ich denke, in zwei oder drei Jahren wer¬den sich erste Fortschritte zeigen."

Peter Kohler | Mo., 30. Oktober 2023 - 18:54

1990 glaubte ich, die Bundesrepublik habe die DDR übernommen. Inzwischen sehe ich das etwas anders umgekehrt. Nicht nur die Realitätsferne der Aussagen unserer Politiker hat fast DDR-Niveau erreicht.
Manch andere Dinge, die früher als "typisch DDR" galten, sind heute bei uns Alltag.

DocJonDoe | Mo., 30. Oktober 2023 - 19:16

…war vormals pünktlich, zwischenzeitlich eigentlich immer verspätet und heute kommen die Züge oftmals gar nicht mehr an ihrem Zielbahnhof an. Ein Desaster.

Ingofrank | Mo., 30. Oktober 2023 - 20:38

Hmm , nach Badscheibenvorvall, Not- Op inkl. Versteifung und dennoch wenn überhaupt das Gehen nur unter Schmerzen. Ja, so kann ich mir die BB als Motor der Verkehrswende vorstellen.
Obwohl ich nur gerade mal ne Minute bis zu unserem Bahnhof zu Fuß benötige, fahre ich nicht mit der Bahn …. aus verschiedenen Gründen:
Da ich im Sommer sehr oft von Morgens bis Abends mich in meinem Garten aufhalte, höre ich immer die Ansagen bei den Zugverspätungen oder gar Ausfällen und deren Begründungen. Kaum ein Zug fährt pünktlich…
.Soll ich meinen Einkauf vom Supermarkt bis zum Bahnhof schleppen oder gar vorher in den Stadtbus dessen Fahrplan natürlich nicht mit den Zugabfahrten übereinstimmt wuchten und dann auf den Zug warten?
Arztbesuch? Da bin ich wegen z.B. Blutentnahme die Minuten dauert, einen 1/2 Tag unterwegs.
Und in meinem Alter muss ich mir schon Gedanken um meine Restlebenszeit machen und bin nicht gewillt mir einen großen Anteil mir von der Bahn „ Klauen“ zu lassen UND fahre eben Auto.

Heidemarie Heim | Mo., 30. Oktober 2023 - 21:03

Da Sie in Ihrem Beitrag Science Fiction oder Visionen noch einen gewissen Wert beimessen geehrter Herr Prof. Karp, können Sie mir bitte auch den Planeten nennen auf dem diese Schöne unendliche Bahn-Welt entsteht? Oder den Standort/Koordinaten des Ponyhofs, auf dem ich bis zur Eröffnung derselben darauf warten kann bis 2070? Man kennt ja die kleinen Verzögerungen finanzieller wie zeitlicher Art bei solchen Projekten;) von Hamburg, Stuttgart, Berlin. Deshalb meckere ich auch nicht, das der hiesige Bahnhof unserer ca. 20 000 Seelengemeinde, den man meist erst mit Bus oder PKW anfahren muss weder über eine Toilette noch sonstige Bequemlichkeiten für den Reisenden verfügt. Dafür aber über besonders im Winter besonders angenehm zugige Katakomben und obere Wartegleise, die sich auch als Standort für eine Windkraftanlage anbieten würden;) Rundum deutsche Gemütlichkeit bis der Zug kurz vorm Erfrieren einfährt.
"Scotty, beam me up!" MfG

Fritz Elvers | Di., 31. Oktober 2023 - 00:45

wenn irgendwas ausfällt, können sie nicht überholt werden. Es sei denn, Alan fällt noch was ein, vielleicht Gleise auf den Zügen.
Der Transrapid zw. HH und B wäre längst fertig, aber es werden noch immer neue Gleise gebaut, für Züge, die an jeder Milchkanne halten sollen. Ein unerschöpfliches Thema, und immer wieder ist die Lösung das Auto und nicht der ÖPNV, oder wie diese Partei auch heißen auch mag.

Berta Benz hatte recht.

S. Kaiser | Di., 31. Oktober 2023 - 10:00

Richtig, gezehrt wird von der Substanz. Und Lösungen werden nicht in absehbarer Zeit eintreffen. Aber werden sie es überhaupt noch? Es gibt Ecken in Deutschland, da ist der Verfall noch nicht erkennbar. Die fühlen sich an, wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Und dann gibt es Ecken, die deutlich zeigen, wohin die Reise geht. Gesperrte Brücken, notdürftig geflickte Strassen und sich selbst überlassenen verfallende Gebäude. Müll überall. Dystopische Ecken. Man hat das Gefühl, Kolonialmächte, die einst die prachtvollen Gebäude, Brücken und Gleise bauten sind abgezogen, und die Zurückgeblieben schaffen die Instandhaltung nicht - man zehrt von der Substanz. Wer jemals in Ostasien Bahn gefahren ist, dem wird nach Rückkehr das hiesige Elend der Bahnfahrens vorkommen wie in einem Dritte-Welt-Land. Die Infrastruktur eines Landes ist seine Visitenkarte. Wie will man Vorbild für die Welt sein, wenn man nicht mal das eigene Land geregelt bekommt. Typisch deutsche Hybris ….

Da muss ich Ihnen voll und ganz zustimmen werte/r Frau oder Herr Kaiser! Auch was die Hybris betrifft. Geradezu traumatisch war eine letztens gesehene TV-Doku über den japanischen Shinkansen und on top das schnellste was die magnetische Fahrspur hergibt, der Maglev. 600 Sachen und in einer Stunde von Tokio nach Osaka! Allein die Bahnhöfe und Zuganlagen, Automaten, Sauberkeit, Servicemitarbeiter, voll durchdigitalisiert, echt science fiction-mäßig. Bei Erdbeben bremst der Zug von 400 Sachen auf Null runter, Störungen kommen einmal in 100 Jahren vor und werden innerhalb von Minuten beseitigt, und bei 1-2 Minuten Verspätung denkt der stolze Bahnmitarbeiter überspitzt gesagt schon fast an Harakiri;) wegen der Schande. Die Hälfte des dort gezeigten Einsatzes, Organisation, Kundendienst, Gerät und Schiene würden mir schon völlig ausreichen. Doch auch dies werde ich voraussichtlich nicht mehr bewusst erleben;) Alles Gute! MfG