Politisierung des Fußballs - Pinke Trikots und Friedenszeichen

Fußball führt Menschen aller Schichten zusammen, unabhängig von Herkunft oder politischer Präferenz. Das soll nach dem Willen der politisierenden DFB-Funktionäre wohl nicht so bleiben.

Streitthema der letzten Tage: das pinke Trikot der Nationalmannschaft / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Fußball ist bekanntlich die herrlichste Nebensache der Welt. Doch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) scheint das Spiel mit dem Ball selbst schleichend zur Nebensache zu werden. Sport als Mittel zum politischen Zweck ist offenbar das Programm des ehemaligen SPD-Politikers Bernd Neuendorf als DFB-Präsident.

Das zeigt sich unter anderem am kommenden Dienstag. Da tritt die Nationalmannschaft erstmals im neuen pink-lilafarbenen Auswärtstrikot beim Heimspiel (!) gegen Holland in Frankfurt an. Ob die Kreativen beim Noch-Ausrüster Adidas und die Macher in der Kommunikationsabteilung des DFB irgendwie noch vom Barbie-Film träumten, als sie das Pink, Lila und Dunkelblau verbindende gute Stück entwarfen?

Geschmacksverirrungen kommen im Marketing öfters vor. Dieses das Auge strapazierende Trikot soll freilich ein politisches Statement sein. Es soll, so der DFB, „die neue Generation deutscher Fußballfans und die Vielfalt des Landes repräsentieren“. Wer gelegentlich ins Stadion geht oder Fußball im Fernsehen verfolgt, weiß, dass Fans sich gern bunt kleiden, vornehmlich in den Farben ihrer Clubs. Eine analog zur „gelben Wand“ in Dortmund „pinke Fankurve“ wurde bisher noch nicht gesichtet.

Es sind sicher nicht die jungen Fußballfans, die von Kopf bis Fuß auf Pink und Lila eingestellt sind. Es sind vielmehr die politisierenden DFB-Funktionäre um Neuendorf, die meinen, aus dem Fußball unbedingt ein politisch korrektes Gesamtkunstwerk machen zu müssen. „Vielfältiges Deutschland“ ist ja nur ein anderer Begriff für wokes, multikulturelles Land. Pech nur, dass die von Rot-Grün propagierte multikulturelle Idylle nie Wirklichkeit wurde.

Mit dem „Barbie“-Trikot setzt Neuendorf fort, was bei der Weltmeisterschaft in Katar mit der „One Love“-Kapitänsbinde begonnen hatte. Der DFB wollte, von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) unterstützt, dem gastgebenden Land eine gesellschaftspolitische Lektion erteilen. Doch zuckten diese Helden schnell zurück, als die FIFA mit gelben und roten Karten drohte. Eventuell sportlich Nachteile erleiden – das war der betonte Einsatz für die Menschenrechte dem DFB doch nicht wert.

Also verzichtete Kapitän Neuer auf die Binde. Stattdessen hielten sich Spieler und Betreuer beim obligatorischen Foto vor dem Spiel gegen Japan den Mund zu. „Unsere Haltung steht“, posaunte der DFB dazu. Doch der Rest der Fußballwelt lachte über die missionarischen Deutschen, die sich da zum Affen machten. Und lachten sie obendrein noch aus, als sie auf dem Rasen kläglich versagten.

Das Runde muss ins Eckige, alles andere ist irrelevant

Natürlich spekuliert man beim DFB darauf, dass möglichst viele sich das neue „Vielfalt“-Trikot kaufen. Schließlich spült es viel Geld in die nach diversen Affären nicht mehr so prall gefüllte DFB-Kasse. Doch nicht jeder, der sich in die neuen Farben der Saison hüllt, wird dadurch ein anderer Mensch. Es ist ja kein Zufall, dass beispielsweise kein einziger aktiver Bundesligaspieler es bisher gewagt hat, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen – aus verständlicher Angst vor den zu erwartenden Reaktionen von den Rängen. Die Botschaft der „One Love“-Binde dürfte keineswegs von allen Fans geteilt werden.

Selbstverständlich kann der DFB sich nicht allein auf den Fußball beschränken. In den Vereinen wird vielerorts eine vorbildliche Jugendarbeit geleistet. Auch tragen diese enorm viel zur Integration von Migranten bei. Um gut Fußball zu spielen, braucht man keinen Leistungsnachweis in Deutsch. Wenn Vereine sich besonders um ausländische Mitbürger bemühen, dann ist das anerkennenswert. Die drei DFB-Stiftungen leisten ebenfalls Vorbildliches für Integration, Bildung, Inklusion und Solidarität durch die Unterstützung örtlicher Initiativen.

 

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Etwas ganz anderes ist es, wenn der DFB eine Politisierung von oben versucht. Der Fußball führt Menschen aus allen Schichten zusammen, unabhängig von Herkunft oder politischen Einstellungen. Das zeigt sich beispielsweise in den Bundestags-Fanclubs, in denen Bundestagsabgeordnete, ihre Mitarbeiter sowie beim Bundestag akkreditierte Journalisten ihre Liebe zu Eintracht Frankfurt, dem VfB Stuttgart oder Schalke 04 ausleben. Da jubeln dann CDU-Parlamentarier gemeinsam mit solchen der Linken. Da kennt man keine Parteien mehr, sondern nur noch den eigenen Verein.

Das macht eben das Verbindende beim Fußball aus. Da springen beim Tor des eigenen Vereins alle auf, Abteilungsleiter wie Arbeiter, Linke wie Konservative, Besserverdienende wie Bürgergeldempfänger. Ein nicht unwichtiger „Kollateralnutzen“ eines Fußballspiels besteht auch darin, dass man für 90 Minuten alles ausschalten kann – familiäre wie berufliche Sorgen, Politik wie Religion. Das Runde muss ins Eckige, alles andere ist irrelevant.

Die Leute gehen nicht ins Stadion, um sich von Neuendorf & Co. politisch erziehen zu lassen

Das war lange Zeit so, aber das soll nach dem Willen der politisierenden DFB-Funktionäre wohl nicht so bleiben. Wenn der Anstoßkreis durch zwei diagonale Linien zum Friedenszeichen umfunktioniert wird, soll das den allgemeinen Wunsch nach Frieden ausdrücken. Dafür hat man aber – mit Absicht oder aus Unwissenheit – genau das Symbol gewählt, das in der alten Bundesrepublik von der Anti-Atombewegung und der sogenannten Friedensbewegung eingeführt wurde. Als es darum ging, ob Europa gegenüber den sowjetischen Atomraketen schutzlos bleiben oder dieser Bedrohung mit einer Stationierung der Pershing II begegnen sollte, versammelten sich die Nachrüstungsgegner massenhaft hinter genau diesem „Peace“-Symbol. Was für ein Zeichen soll ausgerechnet nach dem brutalen russischen Überfall auf die Ukraine in den Fußballstadien damit gesetzt werden?

Wenn DFB-Präsident Neuendorf und seine Mitstreiter den Fußball weiter im linken woken Sinn politisieren wollen, dann sollten sie Nägel mit Köpfen machen. Warum die Nationalmannschaft nicht gleich in ein Regenbogenfarben-Trikot stecken? Warum nicht Sonderpunkte für Teams, deren Anhänger sich am plakativsten für Vielfalt, Menschenrechte und Toleranz engagieren? Und wie wäre es, von allen Profis entsprechende schriftliche Bekenntnisse zu verlangen? Ohne Antirassismusklausel im Vertrag gäbe es dann keine Spielberechtigung mehr.

Der DFB könnte sein Eintreten für vieles, was in einer zivilisierten Gesellschaft selbstverständlich sein sollte, aber auf andere Weise deutlich machen. Er könnte durch entsprechende Strafen bis hin zum Punkteabzug viel tun, um manche Hassgesänge aus den Fankurven nicht einfach zu tolerieren. Doch der DFB bringt es nicht einmal fertig, auf massive Störungen durch radikale Fangruppen mit Spielabbruch zu reagieren. Und solange jedes Bundesligaspiel einen Großeinsatz der Polizei erfordert, werden die Werte, die der DFB mit wohlklingenden Worten propagiert, im eigenen Bereich offenkundig mit Füßen getreten.

Natürlich findet Fußball nicht im luftleeren Raum statt. Entwicklungen in der Gesellschaft bekommen auch die Vereine zu spüren, im Positiven wie im Negativen. Dass sie darauf reagieren müssen, liegt auf der Hand – und die meisten tun es auch. Doch fühlt sich der DFB offenbar verpflichtet, jeden Stadionbesucher und Fernsehzuschauer irgendwie im Sinne der Political Correctness zu missionieren. Dabei gehen die Leute ins Stadion, „weil sie nicht wissen, wie es ausgeht“, wie der legendäre Sepp Herberger schon vor Jahrzehnten feststellte. Dass die Leute heute ins Stadion gehen, um sich von Neuendorf & Co. politisch erziehen zu lassen, glauben die DFB-Funktionäre wohl nicht einmal selbst. 

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