Olaf Scholz in der Bundespressekonferenz - „Ich bin so neugierig wie Sie“

In der heutigen Sommerpressekonferenz blieb Bundeskanzler Olaf Scholz seiner Gewohnheit treu, auf kritische Fragen keine klaren Antworten zu geben. Was seine Verwicklung in den Cum-Ex-Skandal betrifft, gibt er sich so arg- wie ahnungslos. Und wenn es um die drohende Gasknappheit im kommenden Herbst und Winter geht, beteuert er Zuversicht - ohne zu erklären, worauf sich diese gründet.

Ist gerne Bundeskanzler: Olaf Scholz / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Journalisten stellen Fragen, der deutsche Bundeskanzler gibt Antworten. Allerdings müssen sich letztere nicht unbedingt auf erstere beziehen – zumindest nicht wirklich konkret. Und so spielte Olaf Scholz an diesem Donnerstag bei seinem ersten Auftritt als Kanzler vor der Bundespressekonferenz sein ganzes Können in der Disziplin aus, keine Miene zu verziehen und möglichst vage zu bleiben. Bei der „Sommerpressekonferenz“ ging es ihm erkennbar darum, den Eindruck zu vermitteln: Ja, die Krise ist da – aber die Regierung hat alles im Griff. Kein Grund zur Besorgnis also. Statt des „Wir schaffen das“ seiner Vorgängerin setzt er die Formulierung „You never walk alone“ in die Welt. Mit anderen Worten: Wenn wir alle zusammenhalten und uns „unterhaken“, kommt die deutsche Bevölkerung halbwegs sicher durch diese schwierigen Zeiten. Solidarität statt „Blut, Schweiß und Tränen“ gewissermaßen. Und immer ein bisschen Zuversicht.

Es dauerte einige Zeit, bis die erste Frage zu einem Thema kam, das für Scholz besonders unangenehm ist: Seine mögliche Verwicklung in den Cum-Ex-Skandal rund um die Hamburger Warburg-Bank. Nächste Woche wird der Bundeskanzler und frühere Bürgermeister der Hansestadt dort wieder vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen müssen, und angesichts der jüngsten Bargeldfunde in einem Schließfach seines politischen Weggefährten Johannes Kahrs ist dort mit unangenehmen Fragen zu rechnen. Doch auf die aktuellen Fragen der Journalisten hatte der Kanzler immer dieselbe Antwort parat: Es habe beim ursprünglich geplanten Erlass einer Rückzahlung ergaunerter Steuervorteile „keine Beeinflussung durch die Politik gegeben“. In Variationen wiederholte Scholz dies mehrere Male, ebenso wie er mehrfach betonte, nach nunmehr zweieinhalb Jahren umfassender Untersuchungen sei kein belastendes Material gegen ihn in dieser Sache zutage gefördert worden. Tenor: Jetzt ist aber auch mal gut.

Scholz will in der Cum-Ex-Affäre alles berichtet haben, was es zu berichten gebe

Ob er denn eine Ahnung habe, aus welchen Quellen die mehr als 200.000 Euro Bargeld im Schließfach von Johannes Kahrs kommen, der sich offenbar als Vermittler zwischen der Hamburger Finanzverwaltung und dem Warburg-Chef Christian Olearius eingebracht hatte, wurde Scholz gefragt. Seine lapidare Antwort: „Ich bin so neugierig wie Sie“, woher die Beträge wohl stammen könnten. Ohnehin sei es „schon ewig lange her“, dass er mit dem früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Kahrs gesprochen habe, wie er an anderer Stelle betonte. Der Kanzler habe in der Cum-Ex-Affäre alles berichtet, was es zu berichten gebe – und neue Fakten seinen nicht vorhanden. Ende der Durchsage.

 

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Davon abgesehen lag der Schwerpunkt der Scholz’schen Ausführungen erwartungsgemäß auf dem Ukrainekrieg und den daraus erwachsenden Folgen für Deutschland. Es liefen seitens der Bundesregierungen „intensive Vorbereitungen“ auf den bevorstehenden Winter und die drohende Gasknappheit; die Speicher seinen besser gefüllt als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. Implizite Kritik an seiner Amtsvorgängerin übte er mit dem Hinweis darauf, er habe bei seinem Antritt als Bundeskanzler (und noch vor der Invasion) prüfen lassen, wie die Bundesrepublik mit einem möglichen Stopp von Gaslieferungen aus Russland klarkommen würde. Das habe zuvor niemand getan. Was ein bisschen so klang, als hätte der frühere Vizekanzler mit der letzten Merkel-Regierung nichts zu tun gehabt. Auch beklagte er, die Vorgängerregierung habe es versäumt, den Bau von Flüssiggasterminals zu forcieren.

Scholz rechnet nicht mit Aufständen

Scholz kündigte an, sich für den Bau einer neuen Pipeline von Südwesteuropa nach Deutschland zu engagieren, um künftig Erdgas aus Nordafrika beziehen zu können; auch würden Anfang nächsten Jahres die ersten neuen Flüssiggasterminals an deutschen Küsten in Betrieb gehen. Ferner lobte er mehrfach die Bemühungen, durch den Ausbau erneuerbarer Energiequellen möglichst autark zu werden. Den zeitweiligen Weiterbetrieb von drei deutschen Atomkraftwerken über Jahresfrist hinaus ließ er offen. Auf die Frage, ob wegen der Gasknappheit in einigen Monaten mit sozialen Unruhen zu rechnen sei, antwortete Scholz zunächst mit dem Hinweis auf die von seiner Regierung auf den Weg gebrachten Entlastungen für die Bürger. Erst auf Nachfrage würde er später konkreter: Nein, er rechne nicht mit Aufständen.

Der Kanzler hob in diesem Zusammenhang mehrmals die deutsche Unterstützung für die Ukraine durch „hocheffiziente“ Waffenlieferungen und durch Geld hervor und stellte in Aussicht, diese würden fortgeführt. Einen Diktatfrieden zu russischen Konditionen dürfe es nicht geben. Ob der Ex-Kanzler und Putin-Vertraute Gerhard Schröder bei einer Konfliktlösung noch einmal hilfreich sein könne, wollte ein Teilnehmer der Bundespressekonferenz wissen. Scholz daraufhin: „Ich wüsste nicht.“

Insgesamt war es eine eher lauwarme Veranstaltung, die ganz dem Temperament des Bundeskanzlers entsprach, der möglichst keine Regung zeigen will (zumindest nicht öffentlich). Scholz verteidigte die Steuerentlastungspläne von FDP-Finanzminister Christian Lindner und gab sich zuversichtlich, dass die Ampel-Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode Bestand haben werde – und auch über diesen Zeitraum hinaus. Letzte Frage an den Bundeskanzler: „Vermissen Sie Angela Merkel?“ Die Antwort von Olaf Scholz fiel sehr diplomatisch aus: „Ich telefoniere gern mit ihr, bin aber auch gern Bundeskanzler.“ Diesen Eindruck vermittelte er durchaus.

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