Markus Söder im Interview - „Politik im Stuhlkreis gibt es mit mir nicht“

Nach der Affäre Aiwanger geht Markus Söder in die Offensive. Im Interview mit Cicero spricht der bayerische Ministerpräsident über den Vertrauensverlust vieler Menschen in die Politik, über sein Verhältnis zu den Grünen – und über die außer Kontrolle geratene Migration.

Markus Söder an seinem Nürnberger Dienstsitz / Sonja Och
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Markus Söder ist Parteivorsitzender der CSU und seit 2018 bayerischer Ministerpräsident. In Bayern regiert er seit der vergangenen Landtagswahl in einer Regierungskoalition mit den Freien Wählern. 

Herr Ministerpräsident, exakt zu Beginn des bayerischen Landtagswahlkampfs erschienen in der Süddeutschen Zeitung die Enthüllungen über das sogenannte Pamphlet, welches angeblich der Bruder Hubert Aiwangers im Jahr 1987 verfasst haben und das Ihr heutiger Stellvertreter im Alter von 16 Jahren im Schulranzen mit sich geführt haben soll. Wussten Sie schon vorher von der Existenz dieses Flugblatts?

Markus Söder: Dazu war mir nichts bekannt.

Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie von den Enthüllungen erfuhren?

Dass es sich um sehr massive Vorwürfe handelt, die in dem Text aber nicht letztgültig belegt waren.

Sie sprechen von einem Schaden für Bayern, dennoch Ihr klares Bekenntnis zu den Freien Wählern. Warum?

Wir haben Bayern in den vergangenen fünf Jahren gut regiert. Deshalb werden wir unser erfolgreiches bürgerliches Bündnis fortsetzen – und ganz bestimmt keine Grünen in die Staatsregierung holen. Wir wollen als CSU auch in Zukunft stabil und unabhängig von der Berliner Ampel regieren. Denn Stabilität ist in Krisenzeiten das Wichtigste. 

Statt die Freien Wähler kleinzukriegen, wachsen sie nun möglicherweise. Was ist Ihre Gegenstrategie?

Unsere Strategie ist seit jeher, gut zu regieren. Das bedeutet, ein Land stabil zu führen, auf die Zukunft auszurichten und sicher durch die Krisen zu bringen. Das ist uns gelungen. Bayern liegt in Deutschland in fast allen Rankings vorne. Es wird weithin anerkannt, dass wir das stärkste Bundesland sind. Wir haben die niedrigste Kriminalitätsrate und die niedrigste Arbeitslosenquote, die meisten Industriearbeitsplätze, Dax-Unternehmen und dazu die besten Forschungsergebnisse. In Bayern lebt es sich einfach besser – und das ist kein Zufall. Entscheidend dabei ist die Stärke der CSU. Denn die CSU ist das Kraftzentrum bürgerlicher Politik und die einzige starke Stimme für Bayern in Berlin und in Europa.

Die Affäre hat klargemacht: Selbst in so einer Krise stellen Sie sich im Zweifel gegen die Grünen und die Ampelparteien. Können Sie mit so einem klaren Anti-Grünen-Kurs Anspruch auf die Kanzlerkandidatur der Union erheben?

Die Grünen haben in der Ampel gezeigt, dass sie in ihre alten Denkmuster von Ideologie und Verboten zurückfallen. Und den bayerischen Grünen fehlt darüber hinaus jedes Bayern-Gen. Sie klatschen sogar Beifall, wenn die Berliner Ampel gegen bayerische Interessen handelt. Deshalb setzen wir in Bayern auf eine bürgerliche Koalition – das ist der einzige Anspruch, auf den es ankommt.

Ihr Festhalten an Hubert Aiwanger und den Freien Wählern wird aber auch als Richtungsentscheidung gewertet. Wie soll sich die Union bundesweit positionieren? Klar gegen ein Bündnis mit den Grünen?

Am Ende zählt, wer die stärkste Kraft ist. Die Nummer eins hat das Vorschlagsrecht für den Bundeskanzler. Mit dieser Begründung hatten sich die Grünen nach der letzten Bundestagswahl ja auch für den Eintritt in die Ampelkoalition entschieden. Deshalb ist es wichtig, dass die Union ein Maximum an Stimmen erzielt, um einen klaren Führungsanspruch für die Kanzlerschaft zu erlangen. 

Markus Söder und Hubert Aiwanger besuchten im April das Kernkraftwerk Isar 2 / dpa

Aber aus der fehlenden Abgrenzung entsteht ja das Dilemma für die Union, dass manche Wähler, die eine Regierungsbeteiligung der Grünen nicht wollen, zur AfD ausweichen.

Das Gegenteil ist doch der Fall: Wer AfD wählt, stärkt die Ampel. Die AfD ist demokratiefeindlich und schadet mit ihrer Politik dem ganzen Land. Damit wird nichts erreicht und nichts verbessert. Die AfD will die EU nach eigener Aussage sterben lassen und aus der Nato austreten. Das würde unseren Wohlstand und unsere Sicherheit massiv gefährden. Und wenn man sich die einzelnen Kandidaten anschaut: Kann man ihnen vertrauen, würde man privat bei ihnen eine Versicherung abschließen oder ein Auto kaufen? Wohl nicht. Besser ist es, die Stimmen der Union zu geben. Wir haben die richtigen Kernkompetenzen, insbesondere bei Wirtschaftspolitik und Innerer Sicherheit.

Aber was ist die Kernbotschaft der Union dann insgesamt, wenn sie nicht als Radikalopposition dastehen will?

Die Union sorgt für die Stabilität des Landes. Das gilt auch für Bayern: Wir als CSU garantieren, dass Bayern Bayern bleibt – auch wenn die Welt sich ändert. Auch wenn sich die Welt immer schneller weiterdreht, müssen wir uns abends darauf verlassen können, dass unser Land am nächsten Morgen noch unser Land geblieben ist. Das gilt für die CSU in Bayern und für die Union in ganz Deutschland.

Ist das wirklich eine Botschaft, die Unterscheidbarkeit deutlich macht?

Die Ampelparteien sind genau das Gegenteil von Stabilität. Natürlich braucht es Reformen, aber die Ampel stiftet vor allem Verunsicherung. Sie streitet ständig, agiert hektisch und beschäftigt sich oft mit Nebensächlichkeiten. Es fehlt ein klarer Kompass. Während Deutschland bei der Wirtschaftsleistung im internationalen Wettbewerb immer weiter zurückfällt, kümmert sich die Ampel lieber um die Legalisierung von Drogen-Klubs. Es entsteht das Gefühl, dass Kleininteressen die Dominanz in der Bundesregierung übernommen haben. Hinzu kommt, dass der Bundeskanzler bei vielen Themen nicht ausreichend mit der Bevölkerung kommuniziert. All das würde die Union anders machen.

Sollte, wer Deutschland regieren will, bereits Regierungserfahrung haben? Was sind die nötigen Qualifikationen, um Kanzlerkandidat der Union zu werden?

Auch Politiker mit langer Regierungserfahrung können erhebliche Führungsdefizite haben, das sieht man an der Ampel. Es gab noch nie eine Bundesregierung, die in der Bevölkerung so wenig Vertrauen hatte und sich so schwertat, auf die Herausforderungen der Zeit einzugehen. Die Ampel sagt ja, sie müsse Versäumnisse aus früherer Zeit aufholen. Dieses Narrativ teile ich ausdrücklich nicht. Wir hatten auch gute Jahre und haben Deutschland gut durch schwerste Krisen geführt. In 16 Jahren Union haben wir unseren Wohlstand gehalten und sogar vermehrt. Wir standen deutlich besser da als andere. Die Ampel hat das in zwei Jahren fast vollständig verspielt – bei allem Verständnis für die Herausforderungen des Krieges. 

Wenn die Union aber die Ampel ablösen will, braucht sie einen Kopf. Vor der letzten Bundestagswahl gab es bei der Kür eines Kanzlerkandidaten ein ziemliches Chaos. Daran waren Sie ja nicht ganz unbeteiligt, wie man sich erinnert. Und es hieß nach der verlorenen Wahl, so etwas dürfe sich nicht wiederholen. Wie soll es nun diesmal laufen?

Wir haben ein klares Verfahren vereinbart. Es ist jetzt aber viel zu früh, das zu entscheiden. Friedrich Merz und ich werden einen Vorschlag machen, den beide Parteien tragen können.

Die politische Landkarte wird geprägt von der wachsenden AfD. Woher kommt der Erfolg der Rechtspopulisten?

Die Unzufriedenheit mit der Ampel ist enorm. Manch einer will deshalb einen Denkzettel ausstellen oder stellt sogar das demokratische System infrage. Dass die Partei es inhaltlich besser könnte, glauben aber bei Weitem nicht viele. Deshalb sind die Umfragezahlen auch zu relativieren. Das beste Mittel gegen die AfD ist es, bessere Politik zu machen.

Spricht die AfD die richtigen Probleme an?

Die AfD bietet vor allem die falschen Lösungen an. Was würde sich denn durch sie verbessern? Die AfD würde unsere Sicherheitsarchitektur völlig zerstören. Ein Ende der EU bedeutet nichts anderes als den massiven Verlust von Wohlstand, auch für Bayern. Denn neun unserer zwölf wichtigsten Handelspartner kommen aus Europa. Und ein Austritt aus der Nato würde bedeuten, dass Deutschland zu einem Protektorat von Putin wird. Das kann keiner wollen. Franz Josef Strauß hätte die AfD als fünfte Kolonne Moskaus bezeichnet.

 

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Ganz grundsätzlich kann man den Eindruck haben, dass unser Parteiensystem in Deutschland gewissen Fliehkräften ausgesetzt ist. Die Parteien verlieren massiv an Vertrauen. Viele trauen ihnen das Lösen von Problemen nicht mehr zu. Braucht es eine Neuaufstellung, um eine gewisse Sklerose zu überwinden? Schauen wir etwa nach Frankreich, wo Emmanuel Macron als charismatische Persönlichkeit der Mitte eine Bewegung in Gang gesetzt hat. Wäre das was für Deutschland?

Eine Abkehr von Parteistrukturen wäre nicht der richtige Weg. Denn am Ende profitieren davon meist nur extreme Ränder. Es ist ein Fehler, wenn klare demokratische Strukturen verschwinden und durch Honoratioren-Klubs ersetzt würden. Am Ende braucht es ein klar strukturiertes politisches Programm.

Was ist die Ursache für die deutsche Krise?

Die Ampel in Berlin ist teilweise nicht regierungsfähig und der Bundeskanzler zeigt zu wenig Führung. Hinzu kommt, dass sich die Bundesregierung in Nebensächlichkeiten verstrickt statt die großen Probleme zu lösen. Gefühlt entsteht immer dann politische Aufregung, wenn Kinder zu Fasching im Indianerkostüm in die Kita gehen oder ein Rentner einen Som­brero auf der Bundesgartenschau trägt. Das ist unverhältnismäßig. Die Ampel redet gern übers Gendern und die Frage, was noch gegessen werden darf und was nicht. Dabei sollte doch der Grundsatz gelten: Leben und leben lassen. Der Staat müsste sich wieder auf seine Servicefunktionen besinnen und Sicherheit und Wohlstand für alle gewährleisten.

Aber die Identitätsideologien werden ja kontrovers diskutiert. Woher kommt das Unbehagen?

Es wird immer wieder mit einem angeblichen gesellschaftlichen Konsens Politik gemacht. Ein Großteil der Bevölkerung sagt dann: Moment, da mache ich nicht mit, ohne selbst zu verpflichtendem Gendern gefragt worden zu sein. Das Problem ist, dass in der öffentlichen Debatte häufig von einer volonté générale ausgegangen wird, also einem Allgemeinwillen, der durchgesetzt werden muss. Und wer das nicht kapieren mag, den werde man schon auf den richtigen Weg bringen. Doch diese volonté générale gibt es so nicht. Die Durchsetzung würde zu Einschränkungen der Freiheit und zu Widerspruch führen. Dieses ideologische Vorgehen endet dann in einer Spaltung der Gesellschaft.

Die Grünen als Verbotspartei, das ist Ihr gängiger Topos. Stimmt er denn? Wo verbieten die Grünen das Fleisch?

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir möchte die Tierhaltung in Deutschland reduzieren und versucht alles, Tierhaltern das Leben schwer zu machen. Bei Veranstaltungen seines Ministeriums soll es gar kein Fleisch mehr geben. Jeder soll sich doch ernähren dürfen, wie er mag. Ich respektiere alle: Jeder soll essen, was man für richtig hält. Natürlich mag ich persönlich auch gerne Salat – aber esse eben auch gerne Fleisch.

Der Vertrauensverlust der Menschen in die Politik hat, so sagen es Umfragen, stark mit dem Migrationsthema zu tun. Wie lässt sich eine Lösung finden?

Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung zum Erhalt des wirtschaftlichen Wohlstands. Gleichzeitig spüren wir aber auch, dass manche Zahlen, die im Raum stehen, das Land fundamental überfordern würden. Es gibt Stimmen, die sind der Meinung, Deutschland müsste jedes Jahr eineinhalb Millionen Zuwanderer aufnehmen. Das würde das Land ganz praktisch beim Bau von Wohnungen, Kitas und Schulen sowie auch emotional nicht bewerkstelligen können. Unsere Kommunen leisten Großartiges, brauchen aber mehr Unterstützung durch den Bund. Wir sind für eine gesteuerte Zuwanderung, die bereits an den europäischen Grenzen beginnt. Der Bund sollte die Abkommen der EU unterstützen – und sie nicht verzögern.

Wie wollen Sie mit den hohen Flüchtlingszahlen umgehen und gleichzeitig Migration neu ordnen?

Wir sagen Ja zur Hilfe für Menschen in Not, aber Nein zur Überforderung unserer Kommunen. Bayern hat beispielsweise mehr Menschen aus der Ukraine aufgenommen als ganz Frankreich, und wir setzen auf das gezielte Anwerben ausländischer Arbeitskräfte. Immer neue Sondernachzugsprogramme des Bundes für Asylbewerber lehnen wir dagegen ab. Stattdessen bräuchte es Sonderrückführungsprogramme für kriminelle Straftäter, neue Rückführungsabkommen und eine deutliche Ausweitung der Liste an sicheren Herkunftsstaaten. Darum müsste sich insbesondere die Außenministerin kümmern. Das wäre für Deutschland lohnender als Annalena Baerbocks Konzept einer feministischen Außenpolitik. Und schließlich bräuchten wir endlich eine effektive Sicherung der Grenzen mit einer bundesweiten Grenzpolizei nach dem Vorbild Bayerns. Unsere Bayerische Grenzpolizei, die wir vor fünf Jahren trotz heftiger Kritik der Opposition gegründet haben, ist ein Erfolgsmodell. Sie hat bislang 90.000 Fahndungstreffer gelandet und macht unser Land sicherer. Die illegale Zuwanderung müsste entschiedener bekämpft und die EU-Außengrenzen müssten besser geschützt werden. Aber leider blockieren die Grünen jeden Fortschritt bei diesen Themen.

Bayern ist ja führend bei neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz. Wenn die menschliche Politik so schlecht ist, kann dann ChatGPT bald die Regierung übernehmen?

ChatGPT kann bestimmt bessere Reden halten als mancher Politiker (schmunzelt). Aber im Ernst: Vor 50 Jahren hieß es, Computer würden den Menschen ersetzen. Das war und ist nicht der Fall. Künstliche Intelligenz und Robotik können unser Leben aber in vielen Punkten erleichtern und verbessern. Auch Autos wurden anfangs sehr skeptisch beäugt und haben sich im Vergleich zu Pferdekutschen dann doch durchgesetzt. Das sind immer ähnliche Debatten mit Angst vor der Zukunft und Angst vor dem Unbekannten. In Technologie liegt aber die Zukunft: Künstliche Intelligenz kann ein nützliches Werkzeug in den Händen und in der Verantwortung des Menschen sein. Diese Chance sollten wir nutzen.

Sie setzen wieder auf Atomkraft. Zugleich waren Sie ein Befürworter des Ausstiegs nach der Katastrophe von Fukushima. Wie erklären Sie Ihre Kehrtwende?

Für neue Probleme braucht es neue Lösungen. Es wäre falsch, stur an veralteten Plänen festzuhalten, wenn sich die Zeiten ändern. Nach Fukushima gab es einen großen Konsens für einen geordneten Ausstieg aus der Kernkraft mit einem Umstieg auf russisches Gas. Durch den russischen Angriffskrieg haben sich die Voraussetzungen nun fundamental verändert. Das heißt nicht, dass wir neue Kernkraftwerke bauen wollen. Aber die vorhandenen sollten bis zum Ende der Energiekrise nun vorübergehend weiterlaufen. Überall in der Welt wird weiter auf Kernkraft gesetzt – nur Deutschland steigt ausgerechnet während einer Krise aus. Das ist nicht klug, sondern rein ideologisch getrieben. Außerdem gibt es ja auch technologische Fortschritte: In den USA gibt es mittlerweile Forschung zu neuartigen Reaktoren, die Atommüll verarbeiten können. Wir sollten besser auf Forschung setzen statt immer nur auf Restriktionen. Deswegen halten wir in Bayern an den Unis auch an der Forschung zur Kerntechnologie fest und sind das erste Bundesland, das an einem Fusionsreaktor forschen wird.

CDU-Chef Friedrich Merz und Markus Söder beim Politischen Frühschoppen Gillamoos / dpa

Sie fordern die erneute Nutzung der bereits stillgelegten Reaktoren. Will die denn überhaupt jemand betreiben?

Es könnten laut Studien bis zu acht Reaktoren reaktiviert werden, das brauchen wir aber gar nicht. Mit den vorhandenen drei, die gerade erst stillgelegt wurden, könnte schon viel erreicht werden. Es wird bei jedem Thema Stimmen geben, die sagen, es gehe nicht. Aber das sind sehr deutsche Diskussionen. Überall in der Welt jedenfalls wird Kern­energie weiter als interessant betrachtet – und es haben sich überraschenderweise noch immer Energieunternehmen gefunden, die das dann auch machen wollen.

Eine unionsgeführte Bundesregierung würde Kernenergie in Deutschland wieder zulassen?

Solange die Krise noch andauert, sollten wir die Kernkraft weiter betreiben. Es geht nicht um einen dauerhaften Wiedereinstieg, sondern um die Versorgungssicherheit in der Krisenzeit. Parallel bauen wir alle Formen an erneuerbaren Energien massiv aus.

Prinzipiell ist Klimaschutz weitgehend Konsens. Doch es wächst bei manchen der Frust mit den aktuellen Strategien der Klimaschutzpolitik. Dazu gehört etwa das Argument, dass Deutschlands Beitrag im Vergleich zu China und den USA nur marginal sei, aber enorm viel kostet. Welche Klimaschutzpolitik wollen Sie betreiben, um nicht in diesem Klein-Klein zu verharren, das kaum noch jemand nachvollziehen kann?

Klimaschutz geht nicht mit der Brechstange, sondern nur gemeinsam mit den Menschen. Klimaschutz sollte auch nicht einseitig ideologisch und nur auf Windenergie basieren, sondern alle Formen mit einbeziehen. Dazu gehört neben dem Ausbau aller erneuerbaren Energien auch das Aufforsten der Wälder, der Schutz der Gewässer und die Renaturierung der Moore als natürliche CO2-Speicher. Auch die Speicherung von CO2 im Boden, technisch ergänzt mit einer CCS-Technik, kann eine Option sein. Es ist gut, dass Robert Habeck sich nun auch offen dafür zeigt. 

Die Person Markus Söder löst immer starke Emotionen aus. Entweder Begeisterung oder Ablehnung, fast immer schwarz oder weiß. Woher kommt das?

Solche Einschätzungen sind nicht meine Aufgabe. Ich arbeite nach bestem Wissen und Gewissen und versuche, den Menschen im Land zuzuhören und für sie da zu sein. Als Ministerpräsident muss ich gerade in Krisen alles zusammenhalten. Dabei ducke ich mich auch vor schwierigen Entscheidungen nicht weg. Das ist übrigens ein Gegenmodell zu manch anderen Politikern.

Wenn man mit CDU-Leuten spricht, wird über Söder bisweilen mit einer Mischung aus Respekt und Angst gesprochen. Befremdet Sie das?

Ich habe für mich einen klaren Kompass und eine klare Haltung. Wenn wir etwas umsetzen wollen, dann werbe ich dafür und trete dafür ein. Ich bleibe an den Themen dran. Ständiges Zaudern oder Politik im Stuhlkreis gibt es mit mir nicht. Dafür ist die Verantwortung zu groß. 

Das Gespräch führten Alexander Marguier und Volker Resing.

 

Dieser Text stammt aus der Oktober-Ausgabe von Cicero.

 

 

 

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