Markus Söder einstimmig zum CSU-Spitzenkandidaten nominiert - Die norddeutschen Wahlhelfer der CSU

Die Krönung von Markus Söder zum Spitzenkandidaten der CSU für die Landtagswahl verlief ähnlich erwartbar wie die Königssalbung in London. Nur für den Bayern steht die eigentliche Wahl erst noch bevor, mit entsprechenden Risiken.

CSU-Parteichef Markus Söder ist Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl. /dpa
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Der promovierte Politikwissenschaftler Ulrich Berls ist Fernsehjournalist und Autor. Von 2005 bis 2015 leitete er das ZDF-Studio München. Bei Knaur erschien sein Buch „Bayern weg, alles weg. Warum die CSU zum Regieren verdammt ist“.

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Ohne Gegenstimme geht Markus Söder als Spitzenkandidat für die Bayerische Landtagswahl im kommenden Oktober übers Ziel. Stehende Ovationen gibt es auf dem Wahlparteitag in Nürnberg für ihn zum Ende einer Woche, die ihm rundum gefallen haben dürfte. Am Dienstag hatte der Medienprofi mit Bravour eine Talkshow bei Markus Lanz absolviert. Dem „Grillmeister der Nation“ war es nicht gelungen, Söder in die Ecke zu treiben. Am Donnerstag folgten neue Umfrageergebnis, die den Trend bestätigen, dass die Bayern-Koalition aus CSU und Freien Wählern deutlich vorne liegt. Und am Samstag dann eine Krönungs-Veranstaltung, sicherlich nicht so prunkvoll wie die in London parallel laufende, aber in Sachen Selbstvergewisserung ein voller Erfolg.

Noch keine Wahl gewonnen

Derzeit deutet viel darauf hin, dass Markus Söders dritte Bewährungsprobe als Nummer eins in der CSU erstmals gelingen könnte. 2018 als Ministerpräsident erreichte er bei der Landtagswahl nur 37,2 Prozent und 2021 als Parteivorsitzender bei der Bundestagswahl sogar nur beschämende 31,7 Prozent. Doch seit einem halben Jahr liegen die Christsozialen stabil bei 40 Prozent und darüber. Die bayerischen Oppositionsparteien sind schwach. Die SPD muss bei der Landtagswahl ernsthaft den Fall unter die 10-Prozent-Schwelle fürchten und die FDP liegt eher unter als über der 5-Prozent-Hürde. Die Grünen sind in Bayern immerhin so stark wie im Bund, aber zum Regieren reicht das hinten und vorne nicht. 

Die strukturelle Schwäche der Berliner Ampel-Parteien im Freistaat zieht einen fatalen Effekt nach sich: Es scheint so, als werde Bayern nördlich der Main-Linie deshalb immer mehr missachtet. So ist das bevölkerungsmäßig zweitgrößte Bundesland im Bundeskabinett, sieht man einmal vom Job von Claudia Roth ab, nicht vertreten. Es entsteht der Eindruck, dass vor allem die Kanzlerpartei SPD Bayern schlichtweg abgeschrieben hat. Dazu passt auch das häufige Schlechtreden Bayerns und Berliner Ideen wie beispielsweise die Wahlrechtsreform, die als gezielter Angriff empfunden werden.

Nord-Süd-Konfrontation

Ein Stimmungsbild im Frühjahr 2023 nicht nur in der CSU, sondern auch in weiten Teilen Bayerns zeigt eine massive Verärgerung über „die da oben in Berlin“. Zur beabsichtigten Verkleinerung des Bundestages etwa, hört man häufig die Reaktion: „Unsere 10 Milliarden aus dem Länderfinanzausgleich nehmen sie gerne, aber unsere Abgeordneten wollen sie aus dem Parlament werfen.“
 
Die ständige Behauptung, Bayern hintertreibe den Ausbau der Windenergie, wird mittlerweile immer häufiger als schieres Bayern-Bashing wahrgenommen, denn schließlich ist Bayern bei allen anderen regenerativen Energiearten Spitze. Hinzu kommt, dass das seit zwölf Jahren grün regierte Baden-Württemberg eine noch schlechtere Windenergiebilanz als Bayern hat. Die Vorgabe, dass zwei Prozent der Landesfläche für Windräder bereitgestellt werden sollen, stößt auf zunehmendes Unverständnis. Warum, hört man, soll Bayern, das flächenmäßig doppelt so groß wie Nordrhein-Westfalen ist, aber ein Drittel weniger Einwohner hat, eigentlich so viel mehr Windenergie produzieren? Und überhaupt, sind denn zwei Prozent nicht viel zu viel für den windarmen Süden, aber viel zu wenig für den windreichen Norden? Wäre nicht eine generelle Zielvorgabe zur Ökoenergie sinnvoller, die dann von den Ländern nach den besten regionalen Möglichkeiten umgesetzt wird?

Mir san mir?

Neben der bundesweiten Verärgerungen über die Politik der Berliner Ampelregierung, wie etwa beim Thema Gebäudeheizung, gesellt sich in Bayern zunehmend ein spezifisches Gefühl der Geringschätzung des eigenen Landstrichs hinzu. Damit reaktiviert ausgerechnet die aktuelle Bundesregierung ein uraltes CSU-Muster, dass die Christsozialen selbst mittlerweile weitgehend aufgegeben hatten. Denn spätestens nach dem unrühmlichen Ende der Ära Stoiber dämmerte der CSU, dass die jahrzehntelang wirksame Methode „Bayern gegen Preußen“ nicht mehr so recht verfängt. 

Je mehr sich Bayern vom einstigen Agrarland zum Hightech-Standort entwickelt hatte, desto stärker wurden auch die gesellschaftlichen Modernisierungsschübe spürbar: Individualisierung, Pluralisierung der Lebensstile, Wertewandel, kurzum eine Lockerung des traditionellen Wurzelwerks der Volkspartei CSU. Die starke Binnenwanderung von Nord-, Ost- und Westdeutschen nach Bayern, von Menschen, die überhaupt keine „Mir-san-mir“-Mentalität mitbrachten, wurde zunehmend ein Problem in Sachen Wählermobilisierung. Es hatte lange gedauert, bis die CSU das begriffen hatte. Natürlich pflegte sie weiterhin weißblaue Folklore, aber nicht länger im Stile einer arroganten Absatzbewegung gegenüber allem was von nördlich des Mains kommt.

Wahlkampfgeschenk Ampel

Die als gezielte Angriffe gegen Bayern empfundene Berliner Politik führt dazu, dass das uralte Muster ganz plötzlich wieder funktioniert. Auch zugereiste Neubayern ärgern sich, wenn außer ihren Steuergeldern nichts aus dem Süden so recht willkommen scheint in Berlin. Und so dürfte sich 2023, wenn nichts Außergewöhnliches mehr geschieht, etwas wiederholen, was die CSU immer dann erlebte, wenn sie im Bund nicht mitregierte. Während der sozialliberalen Ära in den 1970er Jahren und während Rot-Grün, Anfang des Jahrhunderts, erzielte sie die besten Ergebnisse ihrer Parteigeschichte. Auch wenn mittlerweile die Zeiten von absoluten Mehrheiten in Parlamenten mit doppelt so viel Parteien wie dereinst vorbei sind, ist diese Berliner Ampel ein einziges Wahlkampfgeschenk für die CSU.

Bei Markus Lanz beteuerte Söder, für eine zweite Kanzlerkandidatur-Bewerbung stehe er nicht zur Verfügung. Auf dem Parteitag sagte er: „einmal Berlin ist genug“. Die anderen Parteien werden im Wahlkampf den Zickzack-Söder beschwören. Sie werden daran erinnern, dass er vor Fukushima der größte Kernkraft-Befürworter in Bayern war, nach dem japanischen Unfall der erste Atomgegner, aber heute wieder der oberste Freund von Nuklearenergie. Sie werden daran erinnern, wie er aus lauter Naturliebe Bäume umarmte, was ja sinnbildlich bedeutete, er wolle eine Koalition mit den Grünen, aber heute geriere er sich wiederum als die letzte Brandmauer gegen eine Ökodiktatur. Sie werden an seine Rolle als schärfster Merkel-Kritiker in der Migrationspolitik außerhalb der AfD erinnern und daran, wie er in Corona-Zeiten zum obersten Merkelianer weit und breit mutierte. 

All das wird den bayerischen Wahlkampf würzen, entscheiden wird es ihn nicht. Wenn die Menschen den Eindruck haben, der Bund reagiert an ihnen vorbei, werden sie trotzig antworten. Die Ampel ist ein Konjunkturprogramm für Markus Söder und die Seinen. 

 

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