CDU-Generalsekretär Mario Czaja - Ohne Parteilogo

Der neue CDU-Generalsekretär Mario Czaja war auf dem Parteitag im September überraschend unauffällig. Er prägt einen neuen Politikstil – und der hat mit seiner Herkunft aus Ostdeutschland zu tun. Czaja sucht das Verbindende und will die Menschen überzeugen.

Mario Czaja will kein Wadenbeißer-Generalsekretär sein / Nils Stelte
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Wer den CDU-Generalsekretär finden will, braucht nicht nach „CDU“ suchen. „Hinterm Supermarkt, über den Hof in der Ecke“, sagt einer. Eine petrolfarbene Plakatwand hilft dann weiter, ohne Parteilogo. „Die Kiezmacher“ steht darauf. „Bürgerbüro Mario Czaja“. Das Graffito an der Wand hat den gleichen Ton. Da, wo Czaja sein Büro hat, würden sich manche seiner Parteifreunde aus dem Westen wohl nicht ohne Polizeischutz hintrauen. 

Noch kein Jahr ist der Bundestagsabgeordnete aus Marzahn-­Hellersdorf im tiefen Osten Berlins die Nummer zwei der CDU Deutschlands. Friedrich Merz, der neue Parteichef, hatte überraschend den bundespolitischen Neuling aufs Schild gehoben. Mario Czaja wurde 1975 in Ost-Berlin geboren, er wuchs dort auf, wo er jetzt seinen Wahlkreis hat – nur war damals dort noch DDR

Kindheit in der DDR

Zu seiner Einschulung hatte sein Vater, der Elektriker, alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen Platz im beliebten Restaurant im Müggelturm zu reservieren. Ein schwieriges Unterfangen war das früher. Da saß die ganze Familie nun endlich am Tisch, und der kleine Mario erzählte, wie toll es in der Schule gewesen sei, mit den Jungen Pionieren und dem Fahnenappell. 

„Ich will auch zu den Pionieren“, sagte das Kind. Seine Eltern erwiderten mit einem klaren Nein. Die Feierstimmung sei dann dahin gewesen, so der CDU-Politiker heute. Die Eltern hätten es erklärt, sie seien katholische Christen, sie gingen sonntags in die Kirche. Das passe dann mit den Pionieren nicht zusammen. Der Erstklässler war enttäuscht. Auf dem Klassenfoto haben alle das blaue Halstuch getragen, nur einer nicht, der Mario. Er ist anders, das hat er damals gelernt. Die anderen sind einem nicht unbedingt wohlgesonnen. Du musst mit allen reden können, aber zur Not auch mal alleine laufen. 

 

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22 Jahre war Mario Czaja Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus, fünf Jahre Senator – in der westdominierten Berliner CDU aber immer ein Außenseiter. Ist er für die CDU der richtige Generalsekretär? Er hat gegen die Linke Petra Pau das Direktmandat in Berlins Osten geholt. Er kennt sich aus mit einem CDU-skeptischen Umfeld. 

Nicht der typische Generalsekretär

Als die Mauer fiel, war er 14 Jahre alt. Er wurde Oberministrant in St. Martin in Kaulsdorf. Unter den Jugendlichen in der Gemeinde war klar, sie wollen sich engagieren. Mit 17 Jahren gründete er vor Ort die Junge Union. Dann gehörte er 1995 zum Wahlkampfteam von Elmar Pieroth. Das westdeutsche CDU-Urgestein war nach der Wende in den Osten gewechselt – und förderte den jungen Czaja. „Wir schaffen keine eigenen Veranstaltungen, wir sind zu klein, dies gab Pieroth als Losung aus“, erzählt Czaja von seinem Lehrmeister. Der Osten war dunkelrot. „Stattdessen gehen wir auf die Veranstaltungen der anderen und versuchen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und ihre Sorgen aufzugreifen.“ Diese Lektion hat Czaja verinnerlicht. So ähnlich arbeitet er noch immer. „Wir müssen vor allem unsere Politik erklären“, sagt er.

Auf dem zurückliegenden CDU-Parteitag in Hannover erntete seine Rede nicht ganz so viel Applaus. Czaja – der General in den Kulissen. Friedrich Merz spöttelte über Robert Habeck. Und CSU-Chef Markus Söder rockte den Saal mit Witzen über Toni Hofreiter. Beides hätte man eher vom Generalsekretär erwartet. Czaja lernt noch? „Nein, so ein Generalsekretär, wie Sie ihn im Kopf haben, werde ich nie werden“, sagt er. Kein Wadenbeißer. „Politik muss mitunter zuspitzen – ja; aber auch das Verbindende suchen, um die Anforderungen der komplexen Welt anzugehen“, meint der Neue. 

Gekommen, um zu bleiben

Wer den CDU-Generalsekretär sucht, der findet ihn noch immer gern in Marzahn, zum Beispiel an einem Mittwochmorgen in einer Kita. Dort hört er sich die Sorgen der Erzieherinnen an. „Die Randbezirke Berlins werden, auch als Fluchtpunkt für sozial Schwächere, die aus der Innenstadt verdrängt wurden, den Pariser Banlieues immer ähnlicher“, erklärt der „Kiezmacher“. Aber wer mag da schon klatschen?

Als Mario Czaja Berliner Sozialsenator war, erlangte er bundesweite Bekanntheit. Vor dem „Lageso“, dem zuständigen Landesamt, lagerten 2015 Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan. Nichts klappte so richtig. Es gab unschöne Bilder in der Tagesschau. Typisch Berlin. Czaja war keineswegs allein schuld, aber das war egal. „Nach solchen Bildern endeten schon politische Karrieren“, sagt er heute. Er habe die Entwicklung von damals, als Berlin urplötzlich und strukturell kaum vorbereitet im Fokus der Flüchtlingskrise stand, kritisch analysiert und aufgearbeitet. „Politiker müssen eines können: Probleme lösen, alles andere ist zweitrangig“, so formuliert es der Generalsekretär. Die CDU wird sich an ihn gewöhnen müssen.

 

Dieser Text stammt aus der Oktober-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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