Landtagswahlen in Bayern und Hessen - Ampel-Koalition spektakulär abgewählt

Für die Ampel-Koalitionäre in Berlin sind die Landtagswahlen in Bayern und Hessen ein absolutes Desaster. Wenn Rot-Grün-Gelb jetzt nicht insbesondere in der Migrationspolitik eine grundsätzliche Wende schafft, ist das Bündnis endgültig erledigt.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser während des hessischen Landtagswahlkampfes / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Wenn das heute also die „kleine Bundestagswahl“ war, wie es gelegentlich hieß, dann ist die Berliner Ampelregierung in geradezu spektakulärer Weise abgewählt worden: Zu erleben ist ein Misstrauensvotum für die selbsternannte „Fortschrittskoalition“, wie es eindeutiger nicht hätte ausfallen können. Die FDP ist in Bayern aus dem Landesparlament herausgeflogen, womöglich dräut ihr dieses Schicksal auch in Hessen. Und sie befindet sich seit diesem Sonntag endgültig im nackten Existenzkampf.

Die Kanzlerpartei SPD wiederum fällt in Bayern mit dem jüngsten Ergebnis in die Kategorie „Sonstige“, indem sie ihre Einstelligkeit von vor fünf Jahren (damals 9,7 Prozent) noch einmal souverän unterboten hat; auch in Hessen haben die Sozialdemokraten mit ihrer Spitzenkandidatin Nancy Faeser das Kunststück vollbracht, ihr ohnehin schon schlechtes Resultat von 2018 (damals waren es 19,8 Prozent bei einem Minus von knapp elf Punkten) locker zu verschlechtern. Sogar für die Grünen, die Ampel-Partei mit dem grundsätzlich stabilsten Elektorat, ging es sowohl in Bayern wie auch in Hessen bergab.

Ultimative Ansage

Alles in allem also ein brutaler Denkzettel für Rot-Grün-Gelb im Bund. Wobei Denkzettel noch freundlich formuliert ist: Es handelt sich um eine ultimative Ansage der Bürgerinnen und Bürger in zwei der wichtigsten deutschen Bundesländer: So nicht mit uns!

Für die Union ist es dagegen ein Tag der Freude – allerdings mit Einschränkungen. Denn Markus Söder ist die Blamage offenbar nicht erspart geblieben, noch weniger Stimmenanteile geholt zu haben als im für die CSU „schwarzen Jahr“ 2018: Die Benchmark lag also bei 37,2 Prozent, und dass diese wohl gerissen wurde, daraus wird der bayerische Ministerpräsident einen weitergehenden Machtanspruch über den Freistaat hinaus kaum ableiten können – insbesondere mit Blick auf eine mögliche Kanzlerkandidatur. Es ist ein empfindlicher Dämpfer für Söder, der sich eigentlich als politischen Leuchtturm innerhalb der Unionsparteien empfindet.

Von Berlin angerichtete Kollateralschäden

Der wirkliche Gewinner dieses Sonntags heißt hingegen Boris Rhein: Obwohl über die Grenzen Hessens hinaus kaum bekannt, hat er seiner CDU zu alter Größe zurück verholfen – ohne jede Großmäuligkeit, ohne bundespolitische Ambitionen, ganz auf sein Bundesland konzentriert. Die durchaus stabile Koalition mit den Grünen dürfte er fortsetzen können und auch wollen, allerdings deutlich gestärkt gegenüber dem bisherigen Regierungspartner.

Tarek Al-Wazir, bis auf weiteres (und wohl auch noch längerfristig) Wirtschaftsminister und Stellvertreter Boris Rheins, muss die von seinen grünen Parteifreundinnen und -freunden in Berlin angerichteten Kollateralschäden davontragen, welche mit ihrer bisherigen Ampel-Politik einen Großteil der Bevölkerung in ganz Deutschland gegen sich aufgebracht haben.

Warum schafft Rhein, was Merz nicht schafft?

Friedrich Merz wird als CDU-Vorsitzender versuchen, aus dem Triumph in Hessen eine Bestätigung seiner Amtsführung abzuleiten – was ihm jedoch kaum auf plausible Weise gelingen dürfte angesichts der aktuellen Umfragewerte für die Union auf Bundesebene. Vielmehr wird in der Partei jetzt die Frage gestellt werden, warum Boris Rhein etwas geschafft hat, das Merz bisher versagt blieb. Nämlich die Christdemokraten wieder als große Volkspartei der Mitte zu etablieren.

 

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Rhein, der einst glücklose OB-Kandidat in Frankfurt am Main, gehört (mit Hendrik Wüst aus NRW) seit diesem Sonntag zur ersten Garde innerhalb der CDU-Führungsreserve für die Zeit nach der Bundes-Ampel – ob er will oder nicht. Starke Landesverbände waren jedenfalls schon immer das Rückgrat einer erfolgreichen Kanzler-Union. Wobei es dem 51-Jährigen sogar geglückt ist, sich von den Grünen eben nicht auf eine abschüssige Bahn ziehen zu lassen. „Brandmauer“-Diskussionen hat es in Hessen nie gegeben (auch wenn die SPD es damit peinlicherweise versucht hat), weil sie sich dort wegen der starken CDU und wegen ihres weitgehend unideologischen Koalitionspartners schlicht nicht stellen.

Die AfD holt sowohl in Hessen wie auch in Bayern zwar solide Ergebnisse im mittleren Bereich zwischen zehn und 20 Prozent, ist aber weit davon entfernt, an ostdeutsche Verhältnisse anzuknüpfen. Die Freien Wähler wiederum legen in Bayern nochmal zu, aber offenbar nicht ganz so stark wie von ihnen selbst erhofft. Dass sie es in Hessen nicht in den Landtag geschafft haben, dürfte ein Rückschlag für die bundespolitischen Ambitionen der Aiwanger-Partei sein, die eben doch vor allem ein bayernspezifisches Phänomen ist, wo die Freien Wähler als eine Art bodenständigere CSU gelten und für viele christsoziale Wähler attraktiv sind, die sich an der Selbstherrlichkeit eines Markus Söder stören.

Mittleres Erdbeben

Obwohl in Hessen wie in Bayern die bisherigen Regierungen offenbar bestätigt wurden (und sich das ganze Geschehen auf den ersten Blick als unspektakulär abmoderieren ließe), werden die beiden Landtagswahlen in Berlin ein mittleres Erdbeben auslösen. Denn die Ampel kann unmöglich so weitermachen wie bisher.

Das Bündnis unter Olaf Scholz hat selbstzerstörerische Kräfte entwickelt; insbesondere SPD und FDP navigieren auf einen Abgrund zu. Wobei es insbesondere die Grünen sind, die diesen Kurs gesetzt haben: mit ihrem Rigorismus in Sachen Energieversorgung, mit ihrer weltfremden Migrationspolitik und mit ihren identitätspolitischen Vorstößen sind sie die eigentlichen Geisterfahrer in diesem Land, denen nicht einmal mehr alle Stammwähler folgen mögen.

Die Stimmeinbußen in Bayern und in Hessen mögen aus ihrer Sicht noch verschmerzbar sein, aber für Rot und Gelb sind die Grünen eindeutig ein Senkblei, von dem es sich zu befreien gilt. Nur wird das in dieser Konstellation kaum möglich sein. Denn auch die Grünen müssen ihre Kernklientel bespielen – und die hat eben eine teilweise komplett konträre Weltsicht zu pragmatischen Sozialdemokraten und insbesondere zu Wählern und Anhängern der FDP.

Zum x-ten Mal auf Landesebene abgestraft

Die Erzählung von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner, wonach die gute Arbeit seiner Partei in der Ampelkoalition sich spätestens vor der nächsten Bundestagswahl in Wählerzustimmung auszahlen werde, ist an ein Ende gelangt. Denn nicht nur ist die FDP an diesem Sonntag zum x-ten Mal auf Landesebene abgestraft worden und fällt womöglich aus zwei Parlamenten hinaus (was von den Landesverbänden unmöglich einfach so hingenommen werden kann). Inzwischen muss man sich, nach zwei Jahren in der Bundesregierung, natürlich fragen, warum und wie innerhalb der nächsten 24 Monate ein Turnaround geschafft werden könnte.

Die FDP leistet zweifelsfrei gute Arbeit, indem sie in der „Fortschritts-Koalition“ die schlimmsten Auswüchse aus dem rot-grünen Wolkenkuckucksheim verhindert oder zumindest abmildert. Aber das reicht eben nicht, um Wahlen zu gewinnen. Lindner wird also nichts anderes übrig bleiben, als in der Ampel noch stärker auf liberale Positionen zu beharren – und damit gezwungenermaßen die Funktionsfähigkeit der eigenen Regierung zu behindern. Gut möglich, dass auch Olaf Scholz mit seinen Moderationskünsten innerhalb dieses dysfunktionalen Bündnisses vollends an sein Ende kommt. Aber die Schmerzen sind scheinbar noch immer nicht groß genug, um einen grundsätzlichen Wechsel anzustreben.

Faeser-Experiment gescheitert

Die SPD hatte sich das gesamte Hessen-Experiment ganz anders vorgestellt: Sie hatte auf eine bis zu ihrem Wechsel ins Bundeskabinett unbekannte hessische Oppositionsführerin gesetzt in der Hoffnung, Nancy Faeser werde in ihrem Amt als Bundesinnenministerin genügend Prominenz und Kompetenz-Punkte sammeln, um bei der heutigen Landtagswahl den bisherigen Ministerpräsidenten ablösen zu können.

Dieser Plan ist grandios gescheitert, Faeser geht als ohnehin schon geschwächte Ministerin nun als Wahlverliererin „zurück“ nach Berlin, wo sie sich um schwelende Affären (Stichwort Arne Schönbohm) und um die völlig aus dem Ruder gelaufene Migration kümmern muss. Dass ihr insbesondere bei letztgenanntem Thema von der Bevölkerung nichts zugetraut wird, hat ihr miserables Abschneiden in Hessen eindrücklich unter Beweis gestellt. Die argumentativen Verrenkungen in der SPD, warum Faeser die Hessen-Kandidatur angeblich nicht geschadet habe und sie ja überhaupt einen prima Job mache, dürften immerhin einen gewissen Unterhaltungswert besitzen.

Sogar den Grünen geht ein Licht auf

Überhaupt: die Migration. Dieses Thema hat die Landtagswahlen in Hessen und in Bayern wesentlich mitbestimmt, was sich nicht zuletzt an den Gewinnen für die AfD zeigt. Inzwischen geht sogar den Grünen ein Licht auf, dass ohne eine grundsätzliche Wende das gesamte Land zu kippen droht. Denn die jüngsten Ergebnisse der „Alternative für Deutschland“ mögen im Westen der Republik zwar lediglich ein Menetekel sein. Aber wenn nächstes Jahr Sachsen und Thüringen mit den Landtagswahlen dran sind, droht bei unverminderter Zuwanderung ein echter Dammbruch. Dann lässt sich endgültig nichts mehr schönreden – was ja auch jetzt schon nicht mehr klappt. Die Ampel-Koalitionäre müssen umsteuern. Nicht nur aus Eigeninteresse. Sondern weil die Bürgerinnen und Bürger das erwarten. Und zwar völlig zurecht.

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