Steine und Molotow-Cocktails - Die Klimaterroristen von Lützerath

Der Begriff „Klimaterroristen“ wurde von selbsternannten Hütern der deutschen Sprache jüngst zum „Unwort des Jahres“ ausgerufen. In Lützerath haben militante Aktivisten nun Steine, Feuerwerkskörper und sogar Molotow-Cocktails auf Staatsdiener geworfen, um sie an der Räumung der leergezogenen Ortschaft zu hindern.

Zwischen Aktivismus und Extremismus: Klimaprotestler in Lützerath / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Wer wirklich noch Zweifel daran hatte, dass nicht in erster Linie migrantische Milieus in der jüngsten Silvesternacht das eigentliche Problem waren – der kann in Lützerath nun live und in Farbe bestaunen, dass auch viele, viele Kerndeutsche auf unsere staatliche Ordnung pfeifen. Und beides ist nur möglich, weil der Staat das auch noch mit sich machen lässt. Oder frei nach Bertolt Brecht: „Starker Mann und schwacher Mann standen da und sahn sich an. Und der Schwache sagte karg: Wär' ich nicht schwach, wärst du nicht stark.“

Jedenfalls wissen wir seit heute mit Gewissheit, dass sich die fünf selbsternannten Hüter der deutschen Sprache, die alljährlich das „Unwort des Jahres“ ausrufen, zumindest für 2022 kräftig blamiert haben. Sie wählten das Wort „Klimaterroristen“. Und zwar mit folgender Begründung: Mit dem Wort würden Klimaaktivisten als Terroristen diffamiert. „Um ihre Ziele durchzusetzen, nehmen Terrorist:innen (…) Zerstörung, Tod und Mord in Kauf. Durch die Gleichsetzung des klimaaktivistischen Protests mit Terrorismus werden gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt“, heißt es in einer erst gestern veröffentlichten Erklärung. 

Und nur einen Tag später ist es aktenkundig: In Lützerath wurden Steine, Feuerwerkskörper und sogar Molotow-Cocktails auf Staatsdiener geworfen, um sie an der Räumung der leergezogenen Ortschaft zu hindern. Wer das tut, nimmt logischerweise „Zerstörung, Tod und Mord in Kauf“ und ist damit selbst nach den Kriterien der Sprachschützer ein „Terrorist“.

Die Sache ist doch ganz einfach

Das trifft zwar wahrscheinlich bloß auf eine Minderheit jener zu, die Lützerath besetzt haben. Manche von ihnen folgten unverzüglich den Anweisungen der Polizei und verließen das Gelände. Aber alle, die blieben, erklären sich, ob sie wollen oder nicht, solidarisch mit jenen, die sich gegenüber dem Staat „terroristisch“ verhalten.

Die Sache ist doch ganz einfach: Dass Lützerath noch abgebaggert werden soll, ist eigentlich ein grüner politischer Erfolg. Er geht zurück auf Verhandlungen der Politik mit dem Energiekonzern RWE, um den Kohleausstieg auf das Jahr 2030 vorziehen zu können. Während RWE darauf verzichtete, Millionen an Tonnen Kohle zu fördern und dadurch fünf Ortschaften erhalten bleiben können, musste die Politik sich im Gegenzug damit abfinden, dass Lützerath verschwinden wird. Man nennt das einen Kompromiss: pacta servanda sunt. Bestätigt hat die Rechtmäßigkeit und Unanfechtbarkeit des Ganzen das Oberverwaltungsgericht NRW vor nicht einmal einem Jahr. 
 

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Allein das würde genügen, um Räumung und Abbaggerung von Lützerath zu rechtfertigen. Aber seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ja noch ein weiterer Grund hinzugekommen: Deutschland ist zur Gewährleistung seiner Energiesicherheit nun doch wieder für eine gewisse Zeit darauf angewiesen, mehr Kohle zu verstromen als eigentlich gewollt. Natürlich kann man auf dieses Argument pfeifen. Aber dann müsste man im Zweifel auch bereit sein, das ukrainische Volk Putin zu opfern. 

Die „Klimapazifisten“ ficht das alles nicht an. Sie sind nicht bereit, rechtsstaatliche Entscheidungen zu akzeptieren, solange sie ihren Willen nicht bekommen. Damit hier keine Missverständnisse entstehen: Gegen politische oder auch gerichtliche Entscheidungen zu protestieren, ist in einer Demokratie ebenso zulässig, wie die Besetzung eines leergezogenen Dorfes im Sinne der Meinungsfreiheit keine wirkliche Aufregung wert. Eines jedoch ist völlig inakzeptabel: Wenn sich einzelne Mitbürger über Rechtsstaat und Demokratie hinwegsetzen – und seien die Motive auch noch so edel. Denn auf Recht, Gesetz und Mehrheitsmeinung zu pfeifen, sind Strukturmerkmale totalitärer politischer Systeme oder tyrannischer Charaktere. 

Wer das tut, muss damit rechnen, dass er mit dem Gewaltmonopol des Rechtsstaates Bekanntschaft macht. Dass nun in entsprechenden Kreisen darüber gejammert wird, dass die Polizei in Lützerath robust zugepackt hat, entbehrt nicht einer gewissen Naivität. Wer das Gewaltmonopol des Staates selbst mit Gewalt in Frage stellt, darf nichts anderes erwarten. In Lützerath geschieht daher hoffentlich genau das, was in Berlin zu Silvester versäumt wurde.

Die dröhnende Stille

Inzwischen haben sich auch 200 Künstler in einem offenen Brief den Protesten in Lützerath angeschlossen. Darunter die Unvermeidlichen: Katja Riemann, Igor Levit und Judith Holofernes. Und natürlich dürfen auch die „Scientists for Future“ nicht fehlen. „Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen wir es als unsere Pflicht an, auf die Konsequenzen einer Räumung von Lützerath hinzuweisen“, hebt ein von 500 „Wissenschaftlern“ unterstützter Brief an die Landesregierung von NRW an. Allerdings finden sich unter den Unterzeichnern nur wenig namhafte Forscher wie Claudia Kemfert vom DIW. Viele haben hingegen nicht einmal promoviert und sind wohl eher Akademiker als sachkundige „Wissenschaftler“. 

Aber eines fällt auf: die dröhnende Stille. Auch Stunden nach den brutalen Attacken auf die Polizei halten sich die Klimaaktivisten sehr zurück, das gewaltsame und rechtswidrige Vorgehen „ihrer“ Leute eindeutig zu verurteilen. Luisa Neubauer war höchstpersönlich nach Lützerath gereist, um die Demonstranten zu motivieren – ganz nach dem Motto: Wenn die Regierung keinen Mut habe zu handeln, tue man das eben selbst. 

Gewalt gegen Staatsdiener

Wenn das in Lützerath jetzt eine Demo von rechts gewesen wäre und nicht Luisa Neubauer, sondern Alice Weidel gesprochen hätte, wäre schnell von „geistiger Brandstiftung“ die Rede gewesen. Aber wie nennt man es eigentlich, wenn nach anstachelnden Reden linker Aktivisten Molotow-Cocktails auf die Polizei geworfen werden? Es wäre daher das Mindeste, wenn Luisa Neubauer die Gewalt gegen Staatsdiener eindeutig öffentlich verurteilte. Aber bisher schweigt sie. Deutschland hat eben noch ganz andere Probleme als nur solche mit migrantischen Milieus zu Silvester.

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