Eklat wegen Nazi-Vergleich in der katholischen Kirche - Der im Vatikan ungeliebte Synodale Weg

Der Streit um die Zukunft der katholischen Kirche hat eine neue Dramatik erreicht. Die Antagonisten sind ein vatikanischer Kurienkardinal und ein deutscher Bischof. Im Raum stehen: Der Vorwurf mangelnder Glaubenstreue, ein Nazivergleich und eine Beschwerde beim Papst. Nun ist ein römischer Brief hinzugekommen. Wie verhärtet sind die Fronten?  

Bischof Georg Bätzing bei der Abschlusspressekonferenz zur Herbst-Vollversammlung der Bischofskonferenz /dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Der lange schwelende Konflikt zwischen der katholischen Kirche in Deutschland und der römischen Zentrale ist jetzt überraschend auf offener Bühne eskaliert. Kurienkardinal Kurt Koch, der im Vatikan das „Ökumene-Ministerium“ leitet, hat in einem Interview mit der Tagespost im Zusammenhang mit dem deutschen Reformprozess „Synodaler Weg“ auch über die „Deutschen Christen“ der Nazi-Zeit gesprochen. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, zeigte sich daraufhin am Donnerstag bei der Vollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in Fulda empört und verlangte in ungewohnt scharfer Weise eine sofortige Entschuldigung, sonst werde er Koch beim Papst anzeigen.

So rüde reden die geweihten Häupter sonst nicht miteinander. Zuletzt ist dann noch ein Brief von Koch bei Bätzing eingegangen. Darin schreibt der Kardinal, dass er keineswegs „den Synodalen Weg mit einer Nazi-Ideologie verglichen“, aber möglicherweise missverständlich formuliert habe. Er entschuldige sich bei denjenigen, die sich verletzt fühlten. Seine kritischen Rückfragen aber nehme er nicht zurück.

Bischöfe streiten sich öffentlich nicht, das gehört sozusagen eigentlich zur DNA katholischer Würdenträger. Zugleich sei „ein enormer Druck auf der Flasche“, wie Bätzing vor Journalisten erläuterte. Entsprechend knalle es, wenn der Korken sich löse. Bätzing hingegen hatte in den zurückliegenden Tagen bei der Vollversammlung der Bischöfe in Fulda alles versucht, um für Zusammenhalt und friedliche Koexistenz unter den Oberhirten zu werben. Denn die 27 deutschen Bistumschefs zusammen mit den Weihbischöfen sind sich keineswegs in Allem einig. Im Kern geht der Streit darum, inwieweit sich die Kirche in ihren Vorstellungen und ihren Strukturen ändern soll oder nicht und ob die Deutschen sich da ihre eigenen Gedanken machen dürfen. 

Die Angst der Römer vor der Reformation

Manche „Römer“ ärgern sich dabei nicht nur inhaltlich darüber, dass die Deutschen Frauen zu Priestern weihen, die Sexualmoral ändern und die Macht der Bischöfe einschränken wollen. Vielleicht noch mehr wurmt es die vatikanische Kurie, mit welchem Selbstbewusstsein und welcher Eigenmächtigkeit die Deutschen hier agieren und auftreten. In Rom wird in den Gassen deswegen von einer neuen Reformation geraunt. Was vielleicht etwas übertrieben ist, andererseits gibt es in Deutschland durchaus auch einzelne Stimmen, die genau das fordern: Revolution! Und angesichts der multiplen Kirchenkrisen ist die Nervosität hoch.

Georg Bätzing ist das nicht, er will auch kein Martin Luther sein. Das betonte er gestern noch mal. „Ich stehe hier, ich kann nicht anders“, das komme für ihn aus verschiedenen Gründen nicht in Frage. Aber hinter dem ausgleichenden Ton grummelt es auch bei ihm. Klar ist, er will sich nicht mehr alles bieten lassen. Kommende Woche plant Bätzing nach Rom zu fahren, dort will er den so genannten Ad-Limina-Besuch aller deutschen Bischöfebeim Past im Vatikan im November vorbereiten. Er will,  dass diese Pflicht-Visite ein Dialog auf Augenhöhe wird, kein Einbestellen zum Rapport. Dazu hatte er schon ein paar Dialog-Pipelines von Nord nach Süd gelegt. Nun hat der Schweizer Kardinal an die verborgenen Kanäle die kleine Bombe gelegt. Und der Ärger sprudelt an die Oberfläche. Es könnte im November zum Eklat kommen, wenn der Vatikan den Deutschen die Einrichtung eines „Synodalen Rates“ verbieten würde. Zuviel Demokratie wäre das, meinen die Kritiker.

 

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Bei dem jetzigen Konflikt um die Äußerungen von Kardinal Koch geht es im Kern um hoch theologische Fragen. Worauf darf man sich beziehen, wenn man über Glauben und Glaubenswahrheiten spricht? Das Problem ist natürlich auch nicht ganz neu und mindestens so alt wie die Christenheit selbst. Doch lässt sich mit ihm immer noch ein Streit anzetteln. Eigentlich ist spätestens seit dem 2. Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren festgelegt worden, dass zur Bibel auch andere Hinweise herangezogen werden dürfen, etwa die sogenannten „Zeichen der Zeit“ oder auch der von Papst Franziskus gerne beschworene „Glaubenssinn“ der Menschen. Zeitgeist und Beliebigkeit argwöhnen da die Konservativen.

Deutsche Christen und Bekennende Kirche 

„Es irritiert mich, dass neben den Offenbarungsquellen von Schrift und Tradition noch neue Quellen angenommen werden“, erklärt Kardinal Koch in dem Interview und er fügt an: „Und es erschreckt mich, dass dies – wieder – in Deutschland geschieht.“ Das ist eine etwas unsachliche Spitze. Koch fügte dann noch wörtlich hinzu: „Denn diese Erscheinung hat es bereits während der nationalsozialistischen Diktatur gegeben, als die sogenannten 'Deutschen Christen' Gottes neue Offenbarung in Blut und Boden und im Aufstieg Hitlers gesehen haben.“ Damit war der Skandal perfekt.

Allerdings lohnt es sich durchaus auch das vollständige Interview mit Kardinal Koch zu lesen. Den „Deutschen Christen“ stellt er positiv die „Bekennende Kirche“ entgegen, beides evangelische Gruppierungen im Dritten Reich. Der christliche Widerstand gegen Diktaturen gewinne die Kraft daraus, dass er andere Gestalten und Mächte als Gottes Offenbarung nicht anerkenne. Heute würden wir in einer „Diktatur des Relativismus leben“, beklagt Koch dann und greift eine Formulierung von Benedikt XVI. auf. 

Kardinal klagt: Nur Meinungen, keine Wahrheiten

Christen müssten immer nach der Wahrheit suchen und sich als „wahrheitsbedürftig“ erkennen, erklärt der römische Kardinal. Und ist das bekannte recht kulturpessimistische Lied. Die heutige Kultur negiere diese Wahrheitsbedürftigkeit des Menschen. Im Grunde gebe es heute aber keine Wahrheit mehr, sondern „bloß noch verschiedene Ansichten und Meinungen“, die die Menschen gegenseitig tolerieren müssen, um überhaupt zusammenleben zu können. „Wahrheit aber, die nicht für alle Menschen gilt und deshalb nicht universal ist, verdient diesen Namen nicht.“ Diese Zeitdiagnose mag manchem gefallen, vielleicht ist sie diskussionswürdig, dass sie im Bezug auf die deutschen Reformanliegen in der Katholischen Kirche passend wäre, wird nördlich der Alpen gewiss vehement bestritten werden.

Kardinal Koch gilt als einer der klügsten Theologen im Umfeld von Papst Franziskus, ihm eilte früher keineswegs der Ruf eines Hardliners voraus. Und so finden sich in dem nun kritisierten Interview auch vermittelnde Sätze. „Der christliche Glaube muss stets ursprungsgetreu und zeitgemäß zugleich ausgelegt werden“, erklärt er. Was so viel heißt wie: Veränderung ist durchaus möglich. Die Kirche sei deshalb „gewiss verpflichtet, die Zeichen der Zeit aufmerksam zur Kenntnis und ernst zu nehmen“. Sie seien aber nicht „neue Offenbarungsquellen“. Diese notwendige Unterscheidung vermisse er im Orientierungstext des „Synodalen Weges“, so Koch. Wäre also doch Verständigung möglich  und gewünscht? Zunächst mal ist die Eskalation noch im Gange. 

Angst vor Veränderung?

Bätzing beließ es bei der Abschlusspressekonferenz der Bischofsversammlung nicht bei einer Zurückweisung. Er ging mit Koch auch persönlich hart ins Gericht. Auch da hatte sich etwas aufgestaut. Koch hatte die Mitglieder der Synodalversammlung als „Funktionäre“ disqualifiziert, das hatte Bätzing schon im Vorfeld massiv geärgert. Er sprach Koch ab, sich sachlich und inhaltlich mit dem Reformprozess in Deutschland auseinanderzusetzen. Vielmehr, mutmaßt Bätzing, stecke eine generelle Aversion vor Veränderungen jeglicher Art hinter der emotionalen „inakzeptablen Entgleisung“ des Kardinals. 

In den Äußerungen des Kardinals zeige sich die „pure Angst, dass sich etwas bewegt“. Und schon geradezu kämpferisch brach es aus dem sonst so moderaten Vorsitzenden hervor: „Aber es wird sich was ändern“. Und er schoss seine Äußerung mit der Forderung, Koch möge widerrufen. „Im Sinne der Sache und im Sinne der Gläubigen der katholischen Kirche in Deutschland, die sich im Synodalen Weg engagieren, erwarte ich von Kardinal Koch eine öffentliche Entschuldigung für diese völlig inakzeptable Weise einer Formulierung.“ Wenn diese öffentliche Entschuldigung nicht umgehend geschehe, werde er  eine offizielle Beschwerde beim Heiligen Vater einreichen, so Bätzing. Wie der deutsche Bischofsvorsitzende nun den Brief, den der römische Kardinal ihm umgehend geschickt hat, bewerten wird, ist noch nicht bekannt. Wahrheitssuche könnte jedenfalls nur gemeinsam gelingen.

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