Rückzug von Jürgen Trittin - Abschied eines Öko-Stalinisten

Als Jürgen Trittin vor zwei Jahren nochmals für den Bundestag kandidierte, war er 67 Jahre alt. Schon damals wollte er, wie er jetzt sagt, 2025 nicht abermals antreten. Jetzt legt er bereits zum Jahresende sein Bundestagsmandat nieder.

Mit Trittins Rückzug verlieren die „Fundis“ in der Öko-Partei ihre Galionsfigur / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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So etwas hat immer einen schalen Beigeschmack. Da ruft einer den Wählern zu: „Wählt mich!“ Jedenfalls bescherten diese den Grünen bei der Bundestagswahl 2021 das beste Wahlergebnis aller Zeiten. Und jetzt hat der über die niedersächsische Landesliste in den Bundestag eingezogene Ur-Grüne plötzlich keine Lust mehr.

Von Respekt vor den Wählern zeugt das nicht. Man wirft ein Mandat nicht einfach weg wie ein paar alte Socken. Aber Trittin dürfte genau gerechnet haben. Nach 40 Jahren in der Politik als niedersächsischer Landtagabgeordneter, Landes- und Bundesminister und Fraktionsvorsitzender dürfte er die höchste Stufe seiner Ruhestandsbezüge erreicht haben. Außerhalb der Politik hat er jedenfalls keine nennenswerten Rentenpunkte gesammelt.

In linksradikalen K-Gruppen gestählt

Mit Trittins Rückzug verlieren die „Fundis“ in der Öko-Partei ihre Galionsfigur. Der in linksradikalen K-Gruppen und als Mitglied des Kommunistischen Bundes gestählte Trittin wollte nicht nur die Klimapolitik grundlegend verändern. 

Zugleich ging es ihm immer um eine grundlegend andere Gesellschaft, die sich in erster Linie an Minderheiten orientiert. Die Erfolgreichen mit höheren Steuern zu bestrafen, war ihm stets ein Anliegen. Dem Traum von der multikulturellen Idylle hing er noch an, als sich ein großer Teil der Zuwanderer bereits in ihren die westlichen Werte verabscheuenden Parallelgesellschaften behaglich eingerichtet hatte.

 

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Trittins größter Erfolg war der in der rot-grünen Bundesregierung durchgesetzte Ausstieg aus der Kernkraft. Der CSU-Politiker Michel Glos nannte ihn einen „Öko-Stalinisten“, die deutsche Industrie machte gegen ihn Front. Dass ausgerechnet Angela Merkel (CDU) 2011 aus kurzsichtigen, wahltaktischen Gründen seinen Ausstiegsplan noch beschleunigte, hätte er nicht zu träumen gewagt. Dass ausgerechnet ein grüner Klimaminister akzeptierte, das endgültige Aus der Kernkraft 2023 ein paar Monate hinauszuzögern, ging ihm gegen den Strich; er fand sich aber damit ab.

Als Bundesumweltminister in der rot-grünen Regierung Schröder/Fischer (1998–2005) führte Trittin das Dosenpfand ein. Die Empörung darüber war insofern ungerecht, als er nur umsetzte, was noch in der schwarz-gelben Regierung Kohl/Kinkel beschlossen worden war. Allerdings hat er die Deutschen hinter die Fichte geführt, als er 2004 verkündete, die rot-grüne Energiewende werde den deutschen Durchschnittshaushalt „nicht mehr als eine Kugel Eis“ (damals 50 Cent) im Monat kosten. Tatsächlich kostet Trittins Eisbällchen die Deutschen im Durchschnitt 100 Euro im Monat.

Unterkühlt norddeutsche Art

Trittin wirkt bei vielen Auftritten nicht nur arrogant, er ist es auch. Er vermag es auch, auf unterkühlt norddeutsche Art den politischen Gegner zu attackieren. Auf dem Grünen-Parteitag giftete er, Oppositionsführer Friedrich Merz betreibe eine „trumpistische“ Politik. Das erläuterte der Grünen-Fundi im ZDF so: Merz treibe seine Partei „in eine politische Alleinregierung rein“.

Der Vergleich mit Trump war eine üble Beleidigung und passt zu Trittins Politikstil. Jedenfalls kam bisher noch niemand auf die Idee, Merz wolle die Ergebnisse demokratischer Wahlen nicht anerkennen. Gleichwohl machte seine Aussage keinen Sinn. Die CDU/CSU weiß sehr wohl, dass im deutschen Wahlrecht absolute Mehrheiten so gut wie nicht zu erreichen sind – und Trittin weiß das auch. Er geht eben davon aus, irgendetwas werde schon hängenbleiben.

Sein Abgang schwächt die Öko-Radikalen in der Partei

Wenn Trittin jetzt geht, sorgt er bei den Grünen für eine Vakanz: Die Position des inoffiziellen Anführers der Fundamentalisten-Fraktion wird von Januar an unbesetzt sein. Ob Trittin das so will? Gut möglich, dass ihm bewusst ist, dass auch bei den Grünen alte weiße Männer einfach nicht mehr „in“ sind.

Mit Trittin verlässt ein linksgrünes Urgestein die politische Bühne. Sein Abgang ist ein weiterer Beleg für den Generationenwechsel bei der Öko-Partei. Aus der Sicht der „Grünen Jugend“ ist Trittin ein Mann von gestern, ein Fossil. Gleichwohl schwächt Trittins Abgang die Öko-Radikalen innerhalb der Partei. Wer aber laut Spiegel jetzt „ein bisschen reisen, Clash und Talking Heads hören“ will, dem dürfte das gleichgültig sein.

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