
- Linksextremer, Rechtsextremer
Im Herbst wird der ehemalige RAF-Terrorist und Rechtsanwalt Horst Mahler aus der Haft entlassen. Sein beispielloser politischer Zickzackkurs der Extreme gibt Rätsel auf.
Als Horst Mahler 2001 die Haustür in Kleinmachnow bei Berlin öffnet, passt seine distinguierte Erscheinung so gar nicht zu dem Medienbild über ihn, weder zum einstigen Linksterroristen noch zum Rechtsextremisten, zu dem er sich da schon entwickelt hat. Ebenso wenig passt das biedere Ambiente: Boulevardzeitschriften und braver Schäferhund.
Irritiert mögen auch die Polizisten gewesen sein, die ihn am 8. Oktober 1970 in Berlin festnahmen. „Kompliment, meine Herren!“, sagte Mahler da, der Griff nach der geladenen und entsicherten Pistole in seiner Hosentasche unterblieb. Als Erster des harten Kerns der vier Gründungsmitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF) musste „James“, so der Deckname, für ein Jahrzehnt hinter Gitter.
Mit den Festnahmen von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof 1972 war die erste Generation des deutschen Linksterrorismus aufgerieben, besiegt war sie noch lange nicht.
Wer ist Horst Mahler?
In der Öffentlichkeit hieß die RAF Baader-Meinhof-Gruppe. War das berechtigt? Baader, Kleinkrimineller, charismatischer Macho und Womanizer zugleich, übte mit seiner Militanz prägenden Einfluss aus. Meinhof, langjährige Journalistin bei dem Periodikum konkret, sagte in ihren Artikeln dem als inhuman empfundenen Kapitalismus den Kampf an und galt Sympathisanten als Lichtgestalt. Die Pfarrerstocher Ensslin, die Freundin Baaders, stilisierte sich zur Gesinnungsethikerin – dabei verströmte sie ein gerüttelt Maß an Kälte.
Verantwortlich für das Entstehen der RAF war jedoch der Rechtsanwalt Mahler, auch wenn er beim Versuch scheiterte, den in Großbritannien weilenden charismatischen Studentenführer Rudi Dutschke für den bewaffneten Untergrundkampf zu akquirieren. Die Warenhausbrandstifter Baader und Ensslin, die sich nach Italien abgesetzt hatten, konnte er hingegen ebenso wie Meinhof anheuern, dazu weitere aus seinem militanten Umfeld.
Wer ist Horst Mahler? Sein irrlichterndes politisches Dasein – SPD-, KPD- und NPD-Mitglied – besteht aus vielen Leben, die so gar nicht zusammenzupassen scheinen. Seit 2009 sitzt er, mit kurzen Unterbrechungen, erneut hinter Gittern, nun wegen Leugnung des Holocaust. Im Oktober soll er freikommen.
Politisch engagiert und zielstrebig im Studium
Geboren am 23. Januar 1936 im schlesischen Haynau, flüchtete der noch nicht Zehnjährige mit drei Geschwistern und der Mutter bei Kriegsende vor den sowjetischen Truppen nach Naumburg an der Saale und dann nach Roßlau bei Dessau. Er engagierte sich in der FDJ, nicht aus Überzeugung, sondern eigenem Bekunden zufolge aus Anpassungsbeflissenheit, um später studieren zu können.
Nach dem Selbstmord des depressiv gewordenen Vaters, eines auch nach 1945 vom Nationalsozialismus Überzeugten, zog die Mutter 1949 in den Westen Berlins, wo Mahler 1955 das Abitur „mit Auszeichnung“ bestand. Die Studienstiftung des deutschen Volkes förderte den Jurastudenten mit Beginn des Studiums. Wie seinen ausgesprochen reflektierten Semesterberichten zu entnehmen ist, reizte ihn die Politik, ganz besonders der Marxismus-Leninismus. Das Ansinnen, diesen zu widerlegen, schlug bald in Apologie um, erkennbar an den offenherzigen Zeilen des 21-Jährigen: „In dem Bemühen, die These von der Diktatur des Proletariats zu rechtfertigen, übte Lenin und später im Einzelnen Stalin heftige Kritik an der deutschen Arbeiterbewegung von 1900–1933. Diese zum großen Teil m. E. berechtigte Kritik veranlaßte mich, daranzugehen, die Geschichte dieser Zeit zum Teil auch an dokumentarischem Material zu studieren.“