Hendrik Streeck im Porträt - Der Seiteneinsteiger

Hendrik Streeck war die Stimme der Vernunft in der Corona-Pandemie – und für viele Eiferer ein Feindbild. Jetzt will der Virologe aus Bonn für die CDU in den Bundestag.

Hendrik Streeck / Foto: Marcus Simaitis
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Für Politik interessierte sich Hendrik Streeck „schon immer“, sagt er. Aber nun, nachdem er mit 46 Jahren bereits auf eine glänzende Karriere als Arzt und Forscher blicken kann, will er selbst Politik machen. Streeck wäre, falls ihn sein CDU-Kreisverband Bonn am 31. August zum Direktkandidaten für den Bundestag nominiert, das Paradebeispiel für einen „Seiteneinsteiger“. Eine Spezies, die in der deutschen Politik selten ist, wo Männer und Frauen den Ton angeben, die noch nie oder schon sehr lange nicht mehr jenseits des Parteienbetriebs gearbeitet haben.

Streecks Weg in die Politik ist von zwei Phasen seines Berufslebens bestimmt: Es liegt auf der Hand, dass seine Beobachtungen und Erlebnisse während der Corona-Pandemie dabei eine Hauptrolle spielen. Streeck war eines der prominentesten Gesichter dieser Pandemie. Als wir uns in seinem Büro in der Uniklinik Bonn treffen, erzählt er aber zunächst nicht von der Pandemie, sondern von seinen neun Jahren in den USA, wo er zuletzt als Professor am Walter Reed Army Institute of Research in Silver Spring an Impfstoffen gegen HIV forschte.

Und dann kam die Pandemie

Er hätte sicher in den USA eine glänzende Karriere machen können. Aber Streeck wollte zurück: „Je länger ich im Ausland war, desto mehr identifizierte ich mich mit Deutschland.“ 2015 nahm er einen Ruf als Professor für medizinische Biologie in Essen an, 2019 wechselte er als Leiter des Instituts für Virologie an die Uniklinik Bonn. In die CDU trat Streeck im Januar 2017 ein – nach einem „lustigen Abend“.

Und dann kam die Pandemie. Als Streeck in der Anfangsphase im Frühjahr 2020 die Ausbreitung des Virus und die Sterblichkeit im rheinischen Hotspot Heinsberg untersuchte und in die Expertenräte von Nordrhein-Westfalen und der Bundesregierung aufgenommen wurde, war er zu einer Person des öffentlichen Interesses geworden. 
 

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Wegen seiner nüchternen Schlussfolgerungen, in denen er die unbedingte Notwendigkeit der vollständigen Lahmlegung des öffentlichen Lebens („Lockdown“) relativierte und dazu aufrief, sich auf ein Leben mit Corona einzustellen, wurde er bald zum Feindbild eines Großteils der politisch-medialen Klasse, die sich hinter der Parole „Zero Covid“ sammelte und deren Idol ausgerechnet der Vorgänger Streecks an der Bonner Uniklinik war: Christian Drosten, Charité-Professor und wichtigster Corona-Ratgeber der alten und neuen Bundesregierung.

„Die Corona-zeit wurde für mich symptomatisch für so vieles, was in unserer Gesellschaft falsch läuft“, sagt Streeck im Rückblick. Man habe andere Meinungen damals „unversöhnlich niedergemacht“ und „ideologisch, unsachlich und unwissenschaftlich argumentiert“. Er habe aber auch eine große Diskrepanz erlebt zwischen den sozialen Medien einerseits, wo er oft angefeindet wurde, und persönlichen Begegnungen. „Manchmal kamen Leute auf der Straße auf mich zu oder hielten mit dem Auto neben mir und riefen mir zu, ich solle weitermachen.“ Diese Rufe sind ganz offenkundig nicht unwirksam geblieben.

Der Weg in den Bundestag

Wie sehr ihn die Erlebnisse in der Pandemie geprägt haben und weiter beschäftigen, merkt man Streeck an. Aber er wirkt in keiner Weise verbittert, wenn er seine Ansichten während der Pandemie im Nachhinein als bestätigt ansieht, aber das bisherige Ausbleiben einer Aufarbeitung der Pandemie beklagt. Dass Streeck als Bundespolitiker mit auf diese Aufarbeitung hinarbeiten wird, kann man erwarten.

Jedenfalls wird ihm bald niemand vorwerfen können, dass er nicht selbst seinen Teil dazu beiträgt. Streeck schreibt gerade ein Buch mit dem Titel „Nachbeben. Die Pandemie, ihre Folgen und was wir daraus lernen können“, das im kommenden Herbst erscheinen wird. „Und wenn mich deswegen die Leute kritisieren, bin ich auch zufrieden, denn dann reden wir wenigstens darüber.“

Natürlich wird Streeck als Bundestagsabgeordneter in erster Linie als der Virologe und Pandemie-Experte wahrgenommen werden. Aber er weiß auch, dass er in Bonn nur eine Chance als Direktkandidat hat, wenn er als Kämpfer für die besonderen, aus der bundesrepublikanischen Geschichte rührenden Interessen der Bundesstadt auftritt. Rufen nach dem Ende der Bundesministerien in Bonn will er entschlossen entgegentreten, auch wenn sie lauter werden. 

Der Weg in den Bundestag wird auch dann noch hart, wenn er seinen CDU-internen Konkurrenten, den Kreisvorsitzenden Christoph Jansen, aus dem Rennen schlägt. Denn Bonn ist kein sicherer CDU-Wahlkreis und wird von der grünen Oberbürgermeisterin Katja Dörner regiert. Aber dass Streeck sich von widrigen Umständen und starken Gegnern nicht einschüchtern lässt, hat er bereits eindrücklich bewiesen. 

 

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