„Hart aber fair“ zum Thema Italien - Eine deutsche Fernseh-Leerstunde

Der WDR findet für seine Talkshow „Hart aber fair“ niemanden, der über Giorgia Meloni, das heutige Italien und die Migrationskrise irgendetwas Erhellendes zu sagen hat.

Ulrich Reitz, Monika Hohlmeier, Ingo Zamperoni, Katarina Barley, Moderator Louis Klamroth und Thomas Biebricher (v.l.) / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

So erreichen Sie Ferdinand Knauß:

Anzeige

Die Deutschen gelten unter Italienern traditionell als besserwisserisch. Das mag ein Vorurteil sein, aber mit dem Titel der Talkshow „Hart aber fair“ von gestern Abend – „Melonis Italien: Wie gefährlich ist der Rechtsruck für Deutschland und Europa?“ – gab sich der WDR sichtlich Mühe, es zu bestätigen. Welche Gefahr den Deutschen nun aus dem Land ihrer Urlaubsträume droht, konnte weder der gewohnt uninspirierte Moderator Louis Klamroth noch einer seiner Gäste auch nur im Ansatz verdeutlichen.

Auch die Reportage des „Tagesthemen“-Moderators Ingo Zamperoni über sein Geburtsland, die vor der Sendung ausgestrahlt und in Auszügen auch während der Sendung eingeblendet wurde, konnte dafür nicht den geringsten Grund anbieten. Wie Zamperoni selbst zugab, ist es sogar zweifelhaft, ob die Italiener überhaupt nun „rechter“ geworden sind, also ihre politischen Ansichten grundlegend verändert haben.

Sehr viele Italiener machen sich wohl einfach große Sorgen um ihr Land im Zeitalter der Massenmigration, wie immer mehr Deutsche auch. Und in Italien gibt es eben keine Brandmauer, sondern ein regierendes Dreiparteienbündnis, das neben Giorgia Melonis Fratelli d’Italia und der Lega von Matteo Salvini auch die langjährige Regierungspartei Forza Italia des kürzlich verstorbenen Mehrfachministerpräsidenten Silvio Berlusconi einschließt.

Gefährlich, so könnte man schlussfolgern, ist das gegenwärtige Italien, so wie zahlreiche andere Länder der EU um Deutschland herum, die Klamroth in einer Kartengrafik einblendete, also letztlich nur für das Brandmauer-Narrativ, mit dem sich die Regierenden in Deutschland eine europäische Sonderstellung verpasst haben.

Der WDR versagt bei der Suche nach klugen Köpfen

Die Runde selbst war vor allem eines: Dokument der darniederliegenden Diskussionskultur und der intellektuellen Langeweile des rechtschaffenen Urteils, in der sich der politische und der Medienbetrieb eingerichtet haben, während um diesen Betrieb herum gewaltige Veränderungen stattfinden. Wo sind die klugen Köpfe aus Politik, Journalismus, Universitäten, die in der aktuellen brisanten Lage aus unterschiedlichen Perspektiven, mit unterschiedlichen Positionen über das gegenwärtige Italien, über Deutschland, Europa und über die Migrationskrise debattieren könnten, die nun acht Jahre nach 2015 wieder in voller Schärfe zurück ist? Es wird sie sicherlich geben, aber der WDR kann oder will sie nicht finden.

Warum sitzt nicht der italienische Botschafter mit am Tisch? Oder irgendein Mensch, der Italien wirklich kennt und so etwas wie eine Spur von Verständnis für die Politik des drittgrößten Landes der EU und seiner demokratisch gewählten Regierung in die Diskussion einbringt? Stattdessen sitzen da zwei Frauen aus dem EU-Parlament, die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier (CSU) und die Sozialdemokratin Katarina Barley, die sich nicht wirklich streiten wollten oder konnten. Und der Focus-Journalist Ulrich Reitz wollte das auch nicht. Aus der Wissenschaft war der Politologe Thomas Biebricher anwesend, ohne eine lehrreiche Erkenntnis beigesteuert zu haben. Es gab keinen Streit, keine kluge These, die im Gedächtnis bleibt.

 

Mehr zum Thema:

 

Eine Kostprobe von Katarina Barley: Als sie auf die regierenden Sozialdemokraten in Dänemark angesprochen wird, die es geschafft haben, die Zahl der Asylbewerber drastisch zu reduzieren, sagt sie dazu nur, dass Dänemark ein kleines Land sei und eine andere Geschichte habe. Was für Argumente! Also heißt das wohl im Umkehrschluss, weil Deutschland groß ist, kann, muss oder soll es unbegrenzt für Armutszuwanderung in sein Sozialsystem offen sein. Wenn man das Brett vorm Kopf der Sozialdemokratie sucht, hier zeigt es sich.

Die NGO Sea-Watch wird vollkommen kritiklos vorgestellt

Ganz selten flammt so etwas wie eine Ahnung von politischem Streit auf. Etwa als Hohlmeier es wagt, die Partei die Linke als zumindest teilweise linksextrem zu bezeichnen und eine doppelte Brandmauer auch gegen diese fordert. Da ist Barley hellauf entsetzt und verteidigt den thüringischen Linke-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow.  

Dabei hätte es durchaus auch genug Stoff für deutlichen Widerspruch an anderer Stelle gegeben. Vor allem gegen die WDR-Redaktion selbst. Für eine Spur davon sorgte erneut Hohlmeier, als sie sagte, dass bei einer Intensivierung der sogenannten Seenotrettung durch NGOs die Zahl der versuchten Überfahrten aus Nordafrika zunehme und damit auch die Gesamtzahl der Todesopfer. Da unterbricht sie Klamroth gleich schulmeisternd mit einer Studie, die feststelle, dass es keinen Pull-Faktor gebe.

Apropos Seenotrettung. In einem Einspieler der WDR-Redaktion wird die NGO Sea-Watch vollkommen kritiklos vorgestellt. Kein Wort darüber, dass ein Sea-Watch-Schiff unter der deutschen Kapitänin Carola Rackete auch schon trotz amtlichen Verbots der damaligen italienischen Regierung italienische Häfen ansteuerte. Kein Wort darüber, dass Sea-Watch-Schiffe auch unter der Flagge der linksextremen Antifa fahren, also fraglos dem Linksextremismus anhängen. Auch kein Wort darüber, dass der Moderator Klamroth hier eigentlich einen Disclaimer einfügen müsste, weil seine Lebensgefährtin, die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer, mit der Sea-Watch-Kapitänin gemeinsam Zeitungsartikel verfasst.

Anzeige