Grenzkontrollen ohne Zurückweisungen - Die Bundespolizei ist ein Begrüßungskomitee

Nancy Faesers zaghafter Vorstoß, die Grenzen zu Tschechien und Polen besser zu überwachen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber der entscheidende zweite Schritt fehlt noch: Angela Merkels Fehlentscheidung von 2015 muss korrigiert werden.

Ihnen sind die Hände gebunden: Polizeibeamten an der deutsch-polnischen Grenze / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Endlich. Die landtagswahlkämpfende Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat sich dazu durchgerungen, die deutschen Grenzen Richtung Osten besser kontrollieren zu lassen. „Wir bereiten erstmal stationäre Grenzkontrollen mit vor. Es geht um zusätzliche Kontrollen“, sagte sie am Dienstagmorgen dem Deutschlandfunk. Fachleute und konservativere Innenpolitiker fordern das schon seit einem Jahr. Denn die Zahl der Migranten, die unerlaubt über Tschechien und Polen in die Bundesrepublik einreisen, stieg bereits im vergangenen Herbst auf ein Niveau an, das eigentlich nicht mehr zu ignorieren war. Der regierenden Ampelkoalition gelang es dennoch. Bis die AfD-Rekordwerte in den Wahlumfragen sie dazu zwangen, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. 

Jetzt scheint Faeser der Forderung – wie sie etwa der sächsische Innenminister Armin Schuster, Christdemokrat und früher selbst Grenzpolizist, erhoben hat – nachzukommen und sperrt sich nicht mehr gegen eine lagebedingte, vorübergehende Wiedereinführung von stationären Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien.

Stationäre Kontrolle bedeutet nicht Vollkontrolle. Es wird also nicht jedes Fahrzeug herausgewinkt, und nicht jede Person muss ihren Ausweis vorlegen. Die Beamten der Bundespolizei stehen aber direkt an den Grenzübergängen und kontrollieren dort stichprobenhaft, wer einreisen möchte und ob er das darf. An der bayerischen Grenze zu Österreich geschieht dies seit 2015.

Merkel setzte Asylkompromiss außer Kraft

Der Clou an solchen stationären Kontrollen ist, dass – anders als bei der Schleierfahndung, die im Grenzhinterland stattfindet – eine Einreise verhindert werden kann. Das nennt sich Zurückweisung. Sie ist nach deutschem Recht zwingende Aufgabe der Grenzpolizei, auch wenn der Einreisewillige ein Asylbegehren äußert, aber aus einem sicheren Drittstatt einreisen möchte. Diese Rechtslage ist das Ergebnis eines historischen „Asylkompromisses“ zwischen Unionsparteien und Sozialdemokraten von 1992, mit dem das grundgesetzlich garantierte Asylrecht bewahrt und gleichzeitig der Aufstieg der rechten Partei „Die Republikaner“ gestoppt werden konnte.

Doch Angela Merkel setzte diesen Kompromiss, der 1993 mit einer Verfassungsänderung im Grundgesetz verankert wurde, 2015 kurzerhand außer Kraft. Ohne parlamentarische Debatte, ohne Abstimmung, ohne Erklärung. Als sie die deutsche Bundespolizei auf dem Höhepunkt der damaligen Migrationskrise an die deutsch-österreichische Grenze schickte, degradierte sie die ehemaligen Grenzschützern zu Begrüßungsbeamten. Sie machte aus der bis 2005 noch Bundesgrenzschutz genannten Polizeibehörde ein Willkommenskomitee.

Wer das Zauberwort „Asyl“ ausspricht, darf einreisen

Um ohne Visum und oft sogar ohne Pass nach Deutschland einreisen zu dürfen, genügt es seitdem, an der Grenze das Zauberwörtchen „Asyl“ auszusprechen. Die kontrollierenden Beamten weisen entgegen der deutschen Rechtslage niemanden zurück, der einen Asylantrag stellen will. Höchstens, wenn bei ihm eine Wiedereinreisesperre vorliegt oder wenn klar ist, dass er bereits in einem anderen EU-Land Asyl begehrt hat.  

 

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Angeblich – so wurde es im Nachhinein behauptet, um Merkels einsame Entscheidung zu rechtfertigen – verstoße die deutsche Rechtslage gegen europäisches Recht, das sofortige Zurückweisungen ohne Prüfung des Asylantrags verbiete. Doch das ist unter Juristen umstritten und wäre politisch nicht haltbar. Denn ein Staat, der die Kontrolle darüber aufgibt, wer sein Gebiet betritt (und sich dort auf Kosten der Steuer- und Sozialbeitragszahler alimentieren lässt), ist kein Staat mehr.

Streit zwischen CDU und CSU 

2015 gab es deshalb einen Riesenstreit um die Frage der Zurückweisungen. Er führte beinahe zum Auseinanderbrechen von CDU und CSU. Denn Horst Seehofer forderte damals, angestachelt von Markus Söder, dass bei den neu eingeführten Grenzkontrollen in Bayern Asylbewerber, die aus dem sicheren Drittstaat Österreich einreisen wollen, konsequent zurückgewiesen werden. Er scheiterte am Gegenwind, der ihm aus dem Rundfunk- und Blätterwald entgegenblies, und an der Windwendigkeit seines Widersachers Söder.

Das Schlimme ist: Seitdem hat sich nichts getan. Wir erleben dieselben fruchtlosen Debatten über Sinn und Unsinn von Grenzkontrollen erneut, ohne dass der zentrale Punkt dabei geklärt wird. Dabei ist jedem vernünftig Denkenden klar: Wer unkontrollierte Migration in den Griff bekommen will, kommt um wirksame Grenzkontrollen nicht herum. Und wirksam sind sie erst, wenn auch Asylantragsteller zurückgewiesen werden. So lange das an den EU-Außengrenzen nicht funktioniert, muss es an den nationalen Grenzen geschehen.

Insofern ist Nancy Faesers zaghafter Vorstoß zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber der entscheidende zweite Schritt fehlt noch.

Sollten die Grünen dabei nicht mitmachen wollen, wird es Zeit für einen neuen historischen Asylkompromiss zwischen CDU/CSU und SPD.

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