100 Milliarden für die Energiewende gefordert - Fridays for Future will mal eben Deutschland retten

Mit einem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro soll der schnelle Ausstieg aus allen fossilen Energien erreicht werden. Wie das genau funktionieren soll, lässt die Aktivistengruppe Fridays for Future aber offen. Und vom Krieg und den Sanktionen mag man auch nicht reden. Mit DIW-Chef Marcel Fratzscher ist ein prominenter Unterstützer mit dabei.

Luisa Neubauer beschwört wieder mal den Weltuntergang / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Es ist recht ruhig geworden um Fridays for Future (FfF). Die Gesetze der Aufmerksamkeitsökonomie sind unerbittlich, und angesichts der schnellen Abfolge von Großkrisen wie der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine ist die Klimakrise im Aufmerksamkeitsranking der meisten Menschen ein paar Plätze nach hinten gerutscht. Konnten im September 2019 beim ersten großen „Klimastreik“ bundesweit in 575 Orten noch weit über eine Million meist jüngere Menschen zur Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen mobilisiert werden, so muss man seit 2020 wesentlich kleinere Brötchen backen.

Auch vom Popstar der Bewegung, der Schwedin Greta Thunberg, ist nur noch wenig zu hören. Dabei ist das Thema keineswegs aus der Welt. Auch in Deutschland zeigen sich verstärkt Vorboten eines globalen Klimawandels, wie die Häufung von Dürrephasen, Waldbränden und Starkregen bis hin zu Katastrophen wie im Ahrtal im vergangenen Jahr.

Ein „transformatives Sondervermögen“ als „erster Impuls“

Doch jetzt will FfF wieder in die wenigstens mediale Offensive kommen, und hat sich dafür prominente Unterstützung geholt. Denn am 23. September soll es den nächsten „globalen Klimastreik“ geben, der mittlerweile aber eine ziemlich deutsche Veranstaltung ist, wie ein Blick auf die geplanten Aktionsorte zeigt.
 

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Gemeinsam mit Marcel Fratzscher, dem Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), und dem an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) lehrenden und forschenden Ingenieurwissenschaftler und Energiesystem-Experten Volker Quaschning, präsentierte FfF-Sprecherin Luisa Neubauer am Montag in Berlin einen recht knalligen Forderungskatalog. Im Mittelpunkt steht ein „transformatives Sondervermögen für Klima & Sicherheit“ mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro, um den „radikalen Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern zu beschleunigen“, wie im Begleitmaterial zu lesen ist.

Finanziert werden sollen damit unter anderem eine „beispiellose Geschwindigkeitserhöhung“ der Energiewende, ein „0-Euro-Ticket“ für den öffentlichen Nahverkehr und eine nicht näher bezeichnete „Sanierungsoffensive“. Ein Teil des Sondervermögens soll ferner als „Klimafinanzierung an Länder des globalen Südens“ gehen. Wobei diese 100 Milliarden Euro nur ein „Startschuss“ (Neubauer) beziehungsweise „erster Impuls“ (Quaschning) wären, der anschließend verstetigt werden müsse.  

Fossile Energien als Beelzebub 

Zur Begründung heißt es, dass fossile Energien die Ursache nicht nur der Klimakrise, sondern auch der aktuellen Energiekrise und der wachsenden Armut seien. Auch die Finanzierung des Sondervermögens wäre demnach kein Problem. Zur Verfügung stünden schließlich die berühmten „Übergewinne“, die „Inflationsgewinne“ des Staates und die derzeitigen Subventionen für fossile Energien. Dann noch eine „Lockerung der Schuldenbremse“ – und schon liegt das Geld quasi auf dem Tisch.

Als Vorbild nannte Neubauer das im August vom US-Kongress verabschiedete Klimapaket. Dagegen seien die Entlastungspakete der Bundesregierung „nicht zukunftsgerichtet“, da sie zwar einige soziale Härten abmilderten, aber den Kern des Problems – also die fossilen Energien – komplett ausblendeten. Von der Politik, aber auch von den Bürgern fordert Neubauer: „Das Ende des Monats darf nicht gegen das Ende des Jahrzehnts ausgespielt werden.“ Was folgte, waren die szenetypischen Beschwörungen der ökologischen Apokalypse und die Warnung vor der immer kürzeren Zeitschiene, um diese noch zu verhindern.

Von FfF-Vertretern kennt man das seit Jahren zur Genüge, aber dass auch ein renommierter Ökonom wie Fratzscher in diese Kerbe haut, verwundert dann doch ein wenig. Er bezeichnete die Energieabhängigkeit von Russland und die Vernachlässigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien als die „größten Fehler des letzten Jahrzehnts“, kritisierte, dass die Entlastungspakete „keine langfristige Perspektive aufzeigen“ und forderte private und öffentliche Investitionen in den Klimaschutz in nahezu unbegrenzter Höhe, da andernfalls drohe, dass Deutschland abgehängt wird. Getoppt wurde das noch durch den Ingenieur- und Energiewissenschaftler Quaschning, der anmerkte, dass in Deutschland anscheinend nur durch Katastrophen wie in Fukushima oder dem Ahrtal oder die Energiepreisexplosion die Menschen wachgerüttelt würden.

Kein Wort über Krieg und Sanktionen

Erstaunlich an dieser Präsentation war aber auch, dass kein Referent den Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland als Brandbeschleuniger der bereits vorher virulenten Krise auch nur mit einer Silbe erwähnten. Entsprechende Nachfragen blieben weitgehend unbeantwortet, ein Zusammenhang mit dem Krieg faktisch geleugnet, außerdem fühle man sich nicht berufen, sich zu möglichen Initiativen zur Lösung des Konflikts mit Russland zu äußern, so Fratzscher.

Erstaunlich ferner, dass auch die derzeit gegenläufige Entwicklung bei der Energieversorgung, etwa durch Reaktivierung von Kohlekraftwerken und massiven Ausbau der Kapazitäten für Flüssiggas-Verarbeitung, den Klimarettern wenig Kopfzerbrechen bereitet. Im Gegenteil: Wenn man das geforderte Sondervermögen schnell umsetzen würde, könne man bereits im nächsten Winter weitgehend unabhängig von fossilen Energien sein, so die überraschende Prognose der FfF-Ko-Sprecherin Annika Rittmann.

Anschließend gab es noch eine kleine Performance für die Fotografen und TV-Teams. FfF-Aktivisten legten sich auf die für Fahrradfahrer und Fußgänger vorgesehene Spreepromenade und bemühten sich, dort mit ihren Körpern eine Losung zu formen, irgendwas mit „100 Milliarden“. Immerhin hätten sie sich nicht auf dem Weg festgeklebt oder eine leuchtende Flüssigkeit in die Spree gekippt, wie ein beobachtender Polizist anerkennend bemerkte.  

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