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(picture alliance) Von einer Punktlandung ist die Linke zurzeit weit entfernt

Parteien - Die Linke und ihr Narrensaum

Mit ihrem neuen Grundsatzprogramm verpasst die Linke eine Chance. Die innerparteiliche Debatte trägt sektenhafte Züge. Erst wenn sie mit den Ideologen und Fundis in den eigenen Reihen keine Kompromisse mehr sucht, wird sie politisch wieder interessant.

Jetzt hat die Linke also ein Grundsatzprogramm oder besser gesagt, sie hat einen Entwurf, der im Vorstand der Partei eine Mehrheit gefunden hat. Bis ins Detail wurde da an Formulierungen gefeilt. Solange wurde gestritten, bis die Visionen fade wurden, solange bis alle Parteiflügel sich in dem Programmentwurf wiederfinden, aber außerhalb der eigenen Reihen, keiner mehr versteht, was die Linke eigentlich will.

Die beiden Linken-Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst sind zufrieden. Dabei sollten sie eigentlich besorgt sein. Denn mit ihrem Grundsatzprogramm manövriert sich die Linke weiter ins gesellschaftliche Abseits. Das ist der Preis für den innerparteilichen Burgfrieden. Es macht schließlich nicht den Eindruck, als würden die Wähler, auch solche, die sich politisch links verorten, sich sehnlichst einen demokratischen Sozialismus à la Linkspartei herbeisehnen. Entsprechend verhalten waren in den letzten Tagen und Wochen die Reaktionen auf die linke Programmdebatte, wenn es denn überhaupt welche gab.

Fast kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, je mehr die Genossen sich über ihr Programm ereifern, desto wenige interessiert dieses der Rest der Republik. Je mehr die Linke bemüht ist, innerparteilichen Frieden zu stiften, desto mehr isoliert sie sich in der Gesellschaft. Je mehr sie auf ihre Ideologen und Fundis Rücksicht nimmt, desto weiter entfernt sie sich von ihren Machtoptionen, von einer Zusammenarbeit mit SPD und Grünen.

Von Aufbruch keine Spur, Chance vertan. Statt mit der Gesellschaft beschäftigt sich die Linke lieber mit ihrem Narrensaum. Mit jenen Genossen, die Realpolitik für einen Kniefall vor dem Kapital halten, die in jeder Krise die Reichen schröpfen und die Deutsche Bank verstaatlichen wollen und Sozialpolitik auf „Hartz-IV-muss-weg“ reduzieren. Jenen, die glauben, die Welt retten zu können, in dem Deutschland aus der Nato austritt; die es für eine gute Idee halten das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen oder den Stalinismus in der DDR zu relativieren. Zumindest teilweise weist die Programmdebatte der Linken sektenhafte Züge auf, man darf gespannt sein, wie sie bis zum Parteitag im Herbst weiter geht.

Dabei hätte die Linke alle Möglichkeiten in der Politik mitzumischen. Viele Wähler sind auf der Suche, die soziale Frage gewinnt trotz Aufschwung und sinkender Arbeitslosigkeit an Dynamik. In Konkurrenz zur SPD, die ja ebenfalls auf der Suche ist, gibt es genug Möglichkeiten sich zu profilieren. Die sozialen Milieus sind mittlerweile so heterogen, die Interessen so fragmentiert, dass auch eine mittelgroße und eine kleine gut davon leben könnten.

Doch die Leute wollen konkrete Antworten und sie sind dabei durchaus anfällig für populistische Zuspitzungen. Aber sie wollen nicht gelangweilt werden mit endlosen Spiegelstrich-Debatten und abstrakten programmatischen Texten über die Vergesellschaftung „strukturbestimmender Bereiche“ der Wirtschaft. Selbst sinnvolle Forderungen, wie die nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder die Reprivatisierung kommunaler Aufgaben werden durch die demonstrative Klassenkampfrhetorik entwertet. Und dort, wo die Linke in Ostdeutschland mitregiert, sich mit den Problemen der Realpolitik und dem Koalitionspartner SPD herumschlägt, macht die Partei den eigen Genossen das eigene Leben nicht einfach, sondern schwer.

Politikfähig wird die Linke mit ihrem neuen Grundsatzprogramm nicht. Dabei könnte sich die Linke angesichts der Enttäuschung vieler Wähler über die Schwarz-Gelbe Bundesregierung derzeit leicht als Bündnispartner von SPD und Grüne ins Spiel bringen, sich machtpolitisch interessant machen. Doch weit gefehlt. Rot-Rot-Grün ist in der öffentlichen Debatte überhaupt kein Thema. Selbst in Nordrhein-Westfalen, wo die Linke seit einem Jahr eine rot-grüne Minderheitsregierung toleriert, reden alle nur von dem Frauen-Duo Kraft und Löhrmann. Statt in der Landespolitik eine aktive Rolle zu spielen, glaubt die Partei sich mit „roten Haltelinien“ profilieren zu können. Kein Wunder, dass die Linke den Wiedereinzug in den Landtag vermutlich verpassen würde, wenn es in NRW vorgezogene Neuwahlen gäbe.

Die Hoffnungen viele Sozialdemokraten allerdings, die ungeliebte linke Konkurrenz könne bald wieder in der Versenkung verschwinden, d.h. bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, trügt. In allen Umfragen liegt die Linke trotz innerparteilicher Querelen, trotz Ideenlosigkeit und trotz vermurkster Programmdebatte stabil über fünf Prozent. In Ostdeutschland agiert sie weiterhin mit SPD und CDU auf Augenhöhe. Offensichtlich gibt es genügend Wähler in Deutschland, denen das alles egal ist oder die von den etablierten Parteien nachhaltig enttäuscht sind. Ein ernstzunehmender bundespolitischer Akteur allerdings, der gesellschaftlichen Einfluss hat und machtpolitisch mitmischt, ist die Linke nicht und wenig spricht dafür, dass sich die bis 2013 noch ändert.

Dafür wäre ein grundlegender Kurswechsel erforderlich und vor allem ein Bruch mit den Ideologen und Fundis in der Partei. Doch dazu fehlt den Reformern derzeit sowohl der Mut als auch die Kraft. Nicht durch eine endlose Aneinanderreihung von faulen Kompromissen wird eine Partei schließlich für eine wachsende Zahl von Wählern interessant und im Alltag politikfähig, sondern durch ein klares Profil. Erst wenn die Linke sich von ihrem Narrensaum trennt, statt ihn in endlosen Programmdebatten zu hofieren, eröffnet sich für die Linke deshalb eine politische Zukunft.

 

 

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