Debatte um das Weihnachtsvideo des Bautzener Landrats  - Migrationspolitik im Schatten der Krippe

Es ist kulturlos und ignorant, wie der Bautzener Landrat „angesichts des Weihnachtsfestes“ vor Flüchtlingen warnt. Scheinheilig aber sind auch manche Kritiker, wenn sie im Lichte des Heilands fromme Worte machen, aber die gravierenden Probleme vor Ort ignorieren, die durch die steigende Zahl von Hilfesuchenden entstehen. 

Die Anbetung der Hirten nach Matthäus Merian d.Ä. /dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Die Weihnachtsgeschichte geht mit dem Unterbringungsproblem recht pragmatisch um. Bei Lukas heißt es dazu eigentlich nur im Nebensatz, der Neugeborene sei in eine Krippe gelegt worden, „denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“. Also offenbar hatte der Wirt zwar kein Bett frei, aber doch in der Not geholfen und bei den Tieren etwas Platz gemacht. Manche sagen sogar, dies sei letztlich im Wohnraum gewesen, denn die Tiere seien in kalten Tagen im Haus gewesen. Also gar kein Stall.

Doch auch kurz vor dem Fest bleibt es meist schräg und mitunter sogar scheinheilig, mit dem Fest der Geburt Jesu konkrete Migrationspolitik betreiben zu wollen. Das gilt für den Bautzener CDU-Landrat Udo Witschas vor allem, und für manche plötzlich frömmelnden Widersacher auch. Die Ansprache des Politikers, die nun für Empörung sorgt, lässt sich dabei nicht als Missgeschick abtun. 

Witschas sagt, er wolle „absichtlich vor dem Weihnachtsfeste“, dass der „Schul- und Freizeitsport“ nicht „für diese Asylpolitik bluten“ müsse. Schließlich sei möglicherweise der „soziale Frieden“ gefährdet, „wenn Menschen, die zu uns kommen, die unsere Kultur nicht kennen, jetzt hier in freistehenden Wohnungen“ untergebracht würden. 

Was soll das bedeuten, „absichtlich vor dem Weihnachtsfeste“? Und dann der „soziale Frieden“? Hier kennt der CDU-Politiker offenbar bedauerlicherweise „unsere Kultur“ nicht, denn die Geburt des Heilands bringt den Frieden in die Welt – für alle Menschen, heute und jetzt und immer. Deswegen ist so ein Gefasel vor Weihnachten einfach kulturlos und ignorant. Aber Witschas sollte noch einen Platz im Warmen bekommen – das sei den Kritikern zugerufen! 

Sporthallen sollen nicht genutzt werden

Das Landratsamt hat inzwischen erklärt, alles sei etwas anders gemeint gewesen. Den „Vorwurf einer generellen Ablehnung der Unterbringung“ weise man entschieden zurück. Witschas selbst sprach von Verkürzungen seiner Aussagen. Auch Sachsens Ministerpräsident Michel Kretschmer (CDU) hatte den Landrat verteidigt. Der Kontext sei die Debatte um Unterbringungsmöglichkeiten. Sporthallen sollten in Sachsen nicht genutzt werden. Und Kretschmer betonte, selbstverständlich würde allen Schutzsuchenden in Sachsen geholfen.

Tatsächlich beginnt manche Scheinheiligkeit der Kritiker da, wo die Rede von Witschas aufhört. Natürlich gibt es in Deutschland durch die wachsende Zahl von Flüchtlingen aus der Ukraine und den Asylsuchenden vor allem aus Syrien und Afghanistan ein dramatisches Problem. Die Kommunen kommen an ihre Grenzen, überall im Land sind eben Landräte ratlos bis verzweifelt. Wir stehen möglicherweise vor einer gravierenden Notlage, aber kaum einer redet darüber. 

 

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„Wir sehen deutlich, dass die Aufnahmekapazitäten in vielen Städten ausgeschöpft sind“, sagte Markus Lewe (CDU), Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Münster, dem Tagesspiegel. Die unbesinnliche Nachricht vor Weihnachten ist also: Wir debattieren in der Öffentlichkeit wieder viel zu wenig über die konkreten Sorgen und Nöte, stattdessen reden wir lieber über falsche und ärgerliche Äußerungen eines Bautzener Landrats. Die noch so lautere Empörung wird so zur bloßen Ersatzhandlung für eigenes politisches Versagen.

Falscher Vereinnahmung des Weihnachtsfests droht da immer von vielen Seiten. Weihnachten ist natürlich nicht einfach nur ein Flüchtlingsfest oder Asylbewerber-Fest. Josef und Maria kamen aus Nazareth. „Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt“, heißt es bei Lukas. Betlehem war nicht ihr Zuhause, aber so fremd wie Flüchtlingen bei uns wird es ihnen nicht vorgekommen sein. Der Friedensfürst bringt also die Erlösung für alle Menschen. Es ist das Fest der Liebe, natürlich. „Fürchtet euch nicht!“ Aber bei Migrationspolitik, bei Grenzregime und Fluchtursachen, bei Schlepperverbrechen und Familiennachzug, da wird es schwieriger. Da mache es sich doch bitte keiner zu einfach.

Verantwortung beginnt beim Lösen von Problemen

Nun distanziert sich die Bundes-CDU von ihrem sächsischen Landrat und ein bisschen auch von ihrem stellvertretenden Vorsitzenden Kretschmer. „Wir als Union haben eine ganz klare, eindeutige und zutiefst humane Haltung, die getragen ist von der Würde eines jeden Menschen, die auch in der Sprache unantastbar sein muss“, sagt CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Doch hatte das jemand bezweifelt? „Wir sind Demokraten und Christen und stehen zu unserer Verantwortung“, sagt der General, der auch im Namen von CDU-Chef Friedrich Merz spreche. Doch Verantwortung beginnt eben beim Lösen von Problemen und endet nicht mit frommen Bekenntnissen. 

Hinter der Debatte um die Äußerungen von Witschas steht eine immer noch nicht klare, durchdachte und konsequente Migrations- und Flüchtlingspolitik. Vor allem vermischt die Ampel-Regierung geschickt die Themen von Zuwanderung von Arbeitskräften mit der Zuwanderung aus humanitären Gründen. Beide Probleme bedürfen einer strategischen politischen Ordnung, es gibt Schnittmengen, aber die Themen sind nicht deckungsgleich. Die Rede des Bautzener Landrates hilft dabei überhaupt nicht, die Debatte über die Rede ebensowenig. 

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat mit einem Satz die ganze Flüchtlingspolitik auf einen Nenner gebracht. „Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt.“ Seit 2015 hat sich die Debatte polarisiert, die „Herz“-Fraktion streitet mit der Fraktion der „begrenzten Möglichkeiten“. Die einen werfen den anderen wahlweise vor, kein Herz für die Notleidenden zu haben oder keinen Realismus für die begrenzten Kapazitäten. Wenn man also etwas aus der Weihnachtsgeschichte lernen kann, dann ist es, dass es Pragmatismus braucht. Wer in Not ist, dem wird geholfen. Wenn es nicht anders geht, auch nur mit einer Krippe. Und auch wenn man als Baby nur bei den Tieren lag, kann man später noch die ganze Menschheit retten.

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