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Niedersachsen - David McAllister – berauscht vom eigenen Auftritt

Ziele? Inhalte? David McAllister kämpft mit der One-Mac-Show um sein Amt als Ministerpräsident

Autoreninfo

Georg Löwisch war bis 2015 Textchef bei Cicero. Am liebsten schreibt er Reportagen und Porträts. Zu Cicero kam er von der taz, wo er das Wochenendmagazin sonntaz gründete. Dort kehrte er im Herbst 2015 als Chefredakteur zurück.

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Nach seiner Rede, bevor die Gans auf den Tisch kommt, verdrückt er sich kurz. Sie haben ihn ja gleich wieder, die Manager, die Senatorin, die Arbeitgeberfunktionäre. Er steht nun vor dem Hamburger Congress Center, David McAllister, CDU, Ministerpräsident von Niedersachsen, Redner beim Martinsgansessen von Nordmetall. Er zieht die kalte Abendluft in die Lungen, sein Gesicht hat Farbe, die Züge sehen scharf aus, der Mann ist berauscht. Noch eine Marlboro obendrauf, der Siemens-Filialleiter an seiner Seite kriegt auch eine ab. Ha! Der Szenenapplaus eben, die Lacher, sogar die SPD-Senatorin am Tisch hat geschmunzelt, und den Gewerkschafter hat er extra erwähnt. „Mac ist für alle da“, sagt er.

Fünf Minuten später ist er zurück, die Kellner reichen Rotkraut und Klöße, das Gänsefleisch ist goldbraun, die Soße dick, die Nordmetaller packen zu und schlemmen. McAllister tut sich auf, aber er hatte seinen Genuss schon.

Man kann sich wundern über diese Zufriedenheit. Als der Fall Wulff auf die CDU einprasselte wie ein kalter, lang anhaltender Regen, wirkte er erschöpft. Er sprach über eine Zeit ohne Politik, „bei der nächsten Dateibereinigung fällt dein Name raus aus dem Verteiler“, Es klang sarkastisch. Eigentlich hat sich seine Situation verschlechtert. Die Prognosen zur Niedersachsen-Wahl am 20. Januar sagen sein Scheitern voraus. Die FDP, sein Koalitionspartner, ist in Umfragen unter fünf Prozent eingepfercht. Gibt es ein Drei-Parteien-Parlament, dann regiert Rot-Grün. Dass ihn diese Aussicht nicht lähmt, mag daran liegen, dass er anders als während des Wulff-Skandals überhaupt wieder die Chance hat, dem Publikum zu gefallen. Sich zu gefallen.

Die Politik hat für diesen Mann mit Wahlkampf angefangen. Im Landkreis Cuxhaven hat er als Student einen CDU-Landtagsabgeordneten begleitet. Er verteilte Kulis, machte Fotos und lernte, wie man das Publikum gewinnt, Pointen setzt, einen Saal aufputscht. Er fand das gut. Es ist sein Lebensinhalt geworden.

9:10 Uhr. Die Frühvorstellung an diesem Tag ist eine Wissenschaftskonferenz zu den Grenzen des Wachstums. Hannover, Schloss Herrenhausen, man spricht Englisch. McAllister intoniert so bedeutsam wie ein Haushofmeister der Queen und so britisch auch, sein Vater kam ja von der Insel. Nach ihm ist Hannovers Oberbürgermeister dran, Stephan Weil, SPD, McAllisters Herausforderer bei der Wahl. Den Namen des Stargasts Dennis Meadows verhunzt Weil. „Miiiedows“. Über McAllisters Gesicht fliegt ein verzücktes Lächeln.

Meadows ist ein berühmter Ökonom aus Amerika, der 1972 der Welt den Kollaps vorhersagte, wenn die Menschen nichts ändern. Heute rechnet er vor, dass die Politiker die Kontrolle völlig verloren haben. Klimakatastrophe, Bevölkerungswachstum.

Hinter Hannover lässt der Fahrer den Audi über die Autobahn gleiten. Meadows’ Analyse? McAllister heuchelt nicht einmal Nachdenklichkeit. „Ist nicht meine Haltung“, sagt er. Bloß eine Nummer vorm Frühstück. Jetzt erst mal zu McDonalds, Rührei und Kaffee mit Milch und Zucker.

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McAllisters Büroleiter hat in der Staatskanzlei eine Niedersachsenkarte. Wo der Chef gastiert hat, steckt ein Fähnchen. Die Karte ist voll. 16-, 18-Stunden-Tage, die One-Mac-Show ist die letzten Jahre durchs Land gerast. Aber die Frage, was er erreichen will, für welche Zukunft er arbeitet, ist unbeantwortet geblieben. Landkreistag, Grundsteinlegung, Parteiabend: Eigentlich eine dröge, eine einsame Beschäftigung, aber er sagt, dass er vor den Terminen Aufregung verspürt. „Ich möchte einen ordentlichen Auftritt hinlegen.“ Ordentlich? Er will glänzen, das gibt ihm den Kick. Klar, die Herausforderungen können wachsen, und viele Kanzleroptionen für später hat die Union nicht. Aber er ist erst 41, da kann er sich die großen Bühnen aufheben.[gallery:20 Gründe, warum Merkel Kanzlerin bleiben muss]

Im Auto denkt er sich vorher in die Situationen hinein, Ton, Tempo, Themen müssen passen. Er nimmt die Manuskripte aus der Staatskanzlei, schmeckt ab, würzt nach. Gerade schmeißt er eins lustvoll vor seine Füße. Braucht er nicht, es geht nach Bad Bederkesa, sein Heimatort, sein Gymnasium, sie feiern Richtfest für ein neues Fachraumgebäude. Der Wagen biegt auf die L 120 ab. Es ist noch Zeit bis zum Termin, er braucht ein Ladegerät von zu Hause. An einem Wald liegt das Klinkerhaus der McAllisters, zwei Kinderräder stehen davor, ein Grill. Dunja McAllister öffnet, Juristin, Hausfrau, dunkle Haare, scharfer Blick. Sie hat den Tisch gedeckt für sich und die zwei Töchter. Ob die Kinder gleich zum Richtfest rüberkommen, fragt er. Sie schaut ihn perplex an. Der Blick sagt: Du hast keine Ahnung, was hier zu Hause läuft.

Auf dem Richtfest duzt er viele, es ist ja sein Gymnasium. Trotzdem wirkt er seltsam allein in der Menge. Er spürt das wohl, denn er feixt wie ein Junge, als ein Amtsleiter referiert, aber das wirkt auch schief. David und Ministerpräsident, er bekommt das nicht zusammen. „In welche Klasse gehst du?“, fragt er aus Versehen eine Lehrerin. Egal, es kommt der nächste Termin.

Er braucht das Tourneeleben wie Essen und Trinken. Leute, die ihn lange kennen, sagen, dass er weitermachen wird, wenn er verliert. Lag ja an der FDP, wird es heißen, die CDU ist doch stärkste Kraft, der David hat die Zukunft vor sich. So geht Plan B. Und Plan A? Er gewinnt doch, ohne FDP, Mac gegen alle, absolute Mehrheit, was für eine Show das erst wäre. Was für ein Rausch. 

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