Cicero im Juni / Illustration: Viola Schmieskors

Cicero im Juni - Ewiges Leben

Auf dem Weg zum Über-Menschen: Künstliche Intelligenz hat mit ChatGPT erstmals einer breiten Masse gezeigt, was sie kann. Doch das ist nur ein winziger Vorgeschmack. Lesen Sie in der Juni-Ausgabe von Cicero, wie der Transhumanismus die Grenzen zwischen Mensch und Maschine endgültig aufheben will. Wir erleben derzeit eine technologische Revolution, die unsere gesamte Spezies verändern wird.

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Die Plakate der „Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung“ wirkten wie Satire: „Wie alt willst Du werden?“ stand darauf zu lesen. Und weiter: „80, 100, 500, …?“ Eine politische Organisation, die sich gewissermaßen für das ewige Leben einsetzt – das kann eigentlich nur ein Witz sein. Bei der jüngsten Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus kamen die Verjüngungsforscher trotz ihres durchaus verlockenden Programms denn auch nur auf insgesamt 3768 Stimmen (was einem Anteil von 0,2 Prozent entspricht). Offenbar wollten die meisten Hauptstadtbewohner dem Unsterblichkeitsversprechen auch nicht so recht trauen (oder sie waren der Meinung, dass ein 500 Jahre währendes Dasein ausgerechnet in Berlin eher wie eine Drohung klingt).

Dabei steuert die Menschheit tatsächlich auf die Unendlichkeit ihrer einzelnen Bestandteile zu. Die Rede ist vom „Transhumanismus“: ein Begriff, der gewissermaßen Künstliche Intelligenz und menschliche Natur zusammenführt und unsere Existenz „über einen neuen Urknall hinauskatapultieren könnte“, wie mein Kollege Ralf Hanselle in unserer Titelgeschichte schreibt. Es ist eine alte Utopie, aber diesmal auf Grundlage ganz neuer Möglichkeiten.

Der Fernseharzt des Vertrauens

Waren Avantgardisten wie der russische Philosoph Alexander Bogdanow noch davon überzeugt, mit der Transfusion des Blutes junger Knaben die eigene Verjüngung voranzutreiben, setzen Transhumanisten wie Ray Kurzweil auf die Perfektionierung der Schnittstellen zwischen Mensch und Technik: Ein sogenanntes Mind-Upload werde uns unsterblich machen, ist der amerikanische Tech-Guru überzeugt. Und sollten wir dummerweise vorher sterben, bleibt immer noch die Möglichkeit, sich vorübergehend einfrieren zu lassen, bis die Methusalem-Formel marktreif ist.

Weniger utopistisch ist ein anderer Gesundheitsforscher unterwegs, nämlich Deutschlands prominentester Arzt und Show-Mediziner Eckart von Hirschhausen. Unsere Autorin Cornelia Stolze zeigt an seinem Beispiel exemplarisch, wie tief manche Stars von ARD und ZDF in Interessenkonflikte verstrickt sind: Journalismus, Lobbyismus und Werbeauftritte verschwimmen zu einem Geschäftsmodell, das nicht selten jeglichen Anforderungen von Integrität und Unabhängigkeit widerspricht. „Wunder wirken Wunder – Wie Medizin und Magie uns heilen“ heißt der Titel eines Hirschhausen-Bestsellers aus dem Jahr 2016. Laut Klappentext „ein versöhnliches Buch, das Orientierung gibt: Was ist heilsamer Zauber, und wo fängt gefährlicher Humbug an?“ Gute Frage! Zu Risiken und Nebenwirkungen wenden Sie sich einfach an den Fernseharzt oder Transhumanisten Ihres Vertrauens.

Weitere Themen in der neuen Ausgabe:

  • Die AfD radikalisiert sich weiter – und gilt dennoch im Osten inzwischen als eine Art Volkspartei
  • Der große Medienskandal um Bild und Julian Reichelt nimmt eine neue Wendung
  • Mit Bürgerräten gegen die Apokalypse: Die deutsche Demokratie zeigt sich in ihrer unerwachsenen Phase
  • In Deutschland steht Klimapolitik ganz oben auf der politischen Agenda – aber wie sieht es eigentlich in anderen Ländern aus? Ein Überblick
  • Vom Hoffnungsträger zum Hardliner: Warum Russlands Ex-Präsident Dimitri Medwedew bald wieder in der ersten Reihe stehen könnte
  • Deutschlands Industrie sucht das Weite – wegen teurer Energie und irrwitziger Bürokratie
  • Literaturen mit neuen Büchern von Julia Weitbrecht, Antony Beevor, T.C. Boyle und anderen

 

Cover 0623Die Juni-Ausgabe von Cicero können Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen.

 

 

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Albert Schultheis | Fr., 26. Mai 2023 - 09:41

Aber auch sie hat ihre Grenzen. Die ChatGPTs, die Programme zum Maschine-Mensch-Upload, etc. Einiges davon wird sogar funktionieren. Aber es kommt nicht so sehr auf die technischen Möglichkeiten an, selbst wenn diese für sich genommen erschreckend sein mögen. Viel wichtiger sind die Inhalte, die über die Schnittstellen gereicht werden. Da wird die Zukunft sich nicht allzu sehr von der Gegenwart unterscheiden, denn die Interessen an Macht über andere, ja sogar die Mehrheit, wird immer bleiben. Man kann bereits heute mit Fug und Recht behaupten, der gesamte zwangsfinanzierte bzw staatsfinanzierte ÖRR-Polit-mediale Komplex sei eine einzige gigantische -noch altmodisch in Handarbeit werkelnde - ChatGPT-Maschine zur Narratv-Produktion am laufenden Band und deren großindustrieller Verfütterung, Konsumption und Verdauung. Dabei wirds immer sowas wie eine 80:20-Regel geben: 80% der Masse stehen felsenfest hinter den Narrativen - 20% sind die Querdenker, im wahrsten und besten Sinn des Wortes.

Tomas Poth | Fr., 26. Mai 2023 - 10:47

Ist künstliche Intelligenz überhaupt Intelligenz, oder nur maximal gespeichertes Wissen/Kenntnisse, die schnell verfügbar gemacht werden?
Die "KI" ist menschengemacht und gebiert sich nicht selbst!

Ewiges Leben?
Kann man sich das wünschen wollen?
Dann wird irgendwann jeder m2 Erdfläche von Menschen bewohnt!

Alles nur spekulatives raunen, um die Menschen auf neue Produkte und neuen Konsum einzustimmen.
Klar, irgendetwas kommt immer dabei herum, sei es die Reparatur des geschaffenen Homunculus oder die sich selbstgießende Zimmerpalme.

Jens Böhme | Fr., 26. Mai 2023 - 13:52

Bill Gates ist Transhumanist. Elon Musk ist Transhumanist. Beide konkurrieren in verschiedenen Strömungen des Transhumanismus. Allen obliegt der Grundsatz, dass Mensch optimierter und unsterblicher wird. Allein die Neigung, kerngesund mit über 100 Lebensjahren sterben zu können oder zu wollen, ist ein natürlicher Widerspruch. Der Transhumanismus verleugnet Natur, natürliche Prozesse. Fehlt nur noch das Halleluja der Kirchen, die immer mehr desorientiert agieren.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 26. Mai 2023 - 14:58

Mir macht das letztlich keine Angst. Erstens werde ich es in diesem Leben nicht in mehr erleben, das KI womöglich Menschen ersetzt. Und zum anderen wird KI eines nie können. Eine Seele erhalten vom Schöpfer gegeben. Die Naturgesetzte werden auch einer KI Grenzen setzen.

Sabine Lehmann | Fr., 26. Mai 2023 - 23:18

Zur Persona Hirschhausen frage ich mich immer, was ist ausgeprägter, seine Gefallsucht oder die bezahlte Linientreue?
Als gut beschäftigter "analoger Regierungssprecher" geistert er als von der Regierung bezahlter Journalist Nr.93 aus der Liste der Schande weiterhin unbehelligt durch die Gazetten und Flure von ARD u. ZDF, und lässt sich die Propaganda von unseren Steuergeldern gleich doppelt bezahlen. Wer kann, der kann.
So reiht er sich ein in die unendliche Geschichte rund um den deutschen Corona-Wahn, in der Fiktion u. Realität selbst im Nachhinein kaum noch voneinander zu unterscheiden sind, und Leute, die gestern noch forderten, Impfkritischen Medizinern besser die Approbation zu entziehen, machen ohne Schamesröte weiter als wär nichts geschehen und sind schnell vergessen. So auch Hirschhausen. Als Bruder im Geiste von Ex-Gesundheitsminister Spahn baut er bestimmt auf die Maxime, man habe sich "hinterher" sicher viel zu "verzeihen". Nun, das sei Euch versichert: Von mir NICHT!!