CDU-Landeschef Sebastian Lechner zum Migrationsgipfel - „Nebelkerzen-Taktik des Kanzlers“

Die Pull-Faktoren für eine ungesteuerte Migration nach Deutschland sind auch nach den MPK-Beschlüssen immer noch zu hoch, beklagt der niedersächsische CDU-Vorsitzende Sebastian Lechner. Zudem seien die „tiefen Gräben innerhalb der Ampel-Koalition“ sichtbar geworden, die eine konsequente Umsetzung der Maßnahmen fraglich erschienen lassen.

Überlastete Kommunen: In Krefeld wird eine Turnhalle zur Flüchtlingsunterkunft /dpa
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Autoreninfo

Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Sebastian Lechner (42) ist CDU-Landesvorsitzender in Niedersachsen und Fraktionsvorsitzender im Landtag in Hannover.

Herr Lechner, sind die Ergebnisse des nächtlichen Bund-Länder-Gipfels der Durchbruch in der Bewältigung der Migrationskrise?
 
Die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels sind ein Kompromiss und ein erster Schritt in die richtige Richtung. Jetzt kommt es darauf an, die Beschlüsse schnell und vollständig umzusetzen, damit sie auch Wirkung erzielen. Ob das zum Beispiel die Landesregierung bei uns in Niedersachsen macht, glaube ich noch nicht. Ich kann dazu weder bei unserer SPD-Innenministerin noch bei ihrem grünen Koalitionspartner die ausreichende Motivation erkennen. Vor allem das unangekündigte Abschieben wird die Landesregierung, so befürchte ich, nicht umsetzen.  
 
Was ist mit dem Kompromiss aus Ihrer Sicht gelungen?
 
Wichtig ist es, die Anreize, nach Deutschland zu kommen, zu reduzieren. Das ist mit der Einführung von Sachleistungen via Bezahlkarte statt Bargeld und der Entscheidung, Analogleistungen erst nach 36 statt nach 18 Monaten zu zahlen, zunächst verbessert worden. Auch die Einigung auf schnelle Asylverfahren ist gut. Ebenso ist es richtig, konsequent und schnell rückzuführen. Es ist auch richtig, anerkannten Asylbewerbern Arbeitsangebote zu machen und sie somit aus dem Sozialbezug zu holen.

CDU-Politiker Sebastian Lechner / dpa

Was fehlt in den Vereinbarungen, um die Lage in den Griff zu bekommen?
 
Die Pull-Faktoren für eine ungesteuerte Migration nach Deutschland sind auch nach den MPK-Beschlüssen immer noch zu hoch. Dass es nur für eine Prüfung gelangt hat, ob Asylverfahren in sicheren Drittstaaten stattfinden können, ist enttäuschend. Ich denke, da hätte der Bund sich mehr bewegen müssen. Rot-Grün in Niedersachsen geht mit einer Protokollnotiz sogar auf Distanz zu dieser Prüfung und versucht, den Kompromiss weiter auszuhöhlen. Das spricht Bände für die Umsetzung der MPK-Beschlüsse durch die rot-grüne Landesregierung. Ein anderer Punkt ist der Familiennachzug. Dieser wird zwar nicht ausgeweitet, aber auch die Einschränkungen, wie die Länder sie gefordert hatten, werden im Beschluss nicht mehr erwähnt. Das ist kein gutes Signal für die Begrenzung des Zuzugs.
 
Bund und Länder haben eine Migrationskommission vereinbart. Unterstützen Sie dieses Vorgehen?
 
Es ist immer gut, wenn wir uns abstimmen und uns in der Gesellschaft über Fragen der Steuerung der Migration und der Integration breit verständigen. Der Dialog innerhalb dieser Kommission darf aber nicht dazu führen, dass wir Ergebnisse gleich wieder zerreden oder gar deren Umsetzung verzögern.

Bundeskanzler Scholz wirft angeblich den Unions-Ländern eine Intrige gegen Friedrich Merz vor. Fehlt es an Abstimmung innerhalb der CDU?
 
Die Abstimmung innerhalb der Union ist eng und gut. Olaf Scholz versucht hier, mit einer Legendenbildung von eigenen Mängeln abzulenken. Seine Nebelkerzen-Taktik soll die tiefen Gräben innerhalb der Ampel-Koalition in der Migrationspolitik verdecken. 
 
Ist damit der Deutschlandpakt gescheitert?
 
CDU und CSU sind immer bereit, für das Land Verantwortung zu übernehmen, sowohl in der Regierungs- als auch in der Oppositionsrolle. Entscheidend ist aber, dass die Maßnahmen zu wirksamen und spürbaren Entlastungen führen. Die Zuzugszahlen müssen sinken. Die Kommunen müssen entlastet werden. Wenn der Wille zur Konsequenz bei der Bundesregierung nicht vorhanden ist, wird der Deutschlandpakt scheitern. Wir bleiben nur dabei, wenn die Zahl der zu uns kommenden Flüchtlinge spürbar sinkt.   

Ist es richtig, dass die CDU so intensiv mit der Ampel zusammenarbeitet – oder schadet ihr das am Ende?
 
In der Migrationsfrage müssen wir eng zusammenarbeiten, um schnell zu spürbaren Ergebnissen zu kommen. Der Bund-Länder-Gipfel hat aber gezeigt, dass es wichtig ist, dass die Union den Druck aufrechterhält, damit SPD, Grüne und FDP sich bewegen. Wir haben in Deutschland eine Vertrauenskrise in die Politik. Wir müssen zu Erfolgen kommen, gerade in der Migrations- und Asylfrage. Deswegen reichen wir in dieser Sache die Hand. Klar ist aber auch, dass die Ampel maßgeblich durch ihre schlechte Politik das Vertrauen ganz besonders geschädigt hat. Die Bundesregierung muss endlich ihre Arbeit machen oder aufhören. 
 
Die Fragen stellte Volker Resing.

 

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