AfD-Äußerung von Merz führt zu parteiinterner Unruhe - „Friedrich telefoniert zu wenig“

CDU-Chef Merz hat sich wieder mal ungeschickt ausgedrückt. In der Partei geht es längst nicht mehr um die inhaltliche Frage der Positionierung zur AfD. Vielmehr fragen sich manche, ob der Vorsitzende bislang ausreichend Professionalität zeigt.

Friedrich im ZDF-Sommerinterview mit Theo Koll. /dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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In der Politik geht es bekanntlich nie nur darum, was man sagt, sondern auch wie und wo man es sagt. Und vor allem ist entscheidend, wer etwas äußert. Wenn Friedrich Merz etwas sagt, dann wird es gefährlich. Das musste der CDU-Vorsitzende nach dem ZDF-Sommerinterview nun noch mal sehr drastisch selbst feststellen. Das Verhältnis der CDU zur AfD, der stärksten zur inzwischen in Umfragen zweitstärksten Kraft in Deutschland, ist kein Randthema, kein Sommerlochfüller wie die Löwin von Kleinmachnow, es ist der weiße Elefant, besser gesagt die Elefantenherde, in der politischen Arena schlechthin.

Doch zu dieser Gretchenfrage für die politische Zukunft Deutschlands äußert sich der der konservative Bundeskanzler in spe fast beiläufig, er plaudert locker mit ZDF-Journalist Theo Koll. Und es bleibt vor allem der Eindruck zurück, sein Statement war nicht vorbereitet, das Wording nicht vorgecheckt, vor allem hatte er intern in der Partei vorher mit keinem gesprochen.

Überall in Europa bilden sich Koalitionen mit den Rechtspopulisten, an diesem Wochenende zieht so ein Bündnis in Spanien am Horizont herauf. Doch der CDU-Chef fachsimpelt etwas von „gesetzgebenden Körperschaften“ in denen es keine Zusammenarbeit geben solle, wohl aber sei auf kommunaler Ebene die Welt eine andere, dort müsse man „gemeinsam Wege suchen“. Was bedeutet das? Wer versteht das? Fällt also die so genannte „Brandmauer“ der CDU in Richtung AfD?

Scheingefechte um die Brandmauer

Schon geht der Sturm der Entrüstung los. Der AfD-Chef Tino Chrupalla postet schadenfroh (oder wirklich froh) auf Twitter Bilder von bröckelnden Wänden. Aus den Ampel-Parteien frohlockt es, nun könne man die CDU noch weiter in Richtung rechte Ecke schieben. In der CDU wird aus allen Rohren beteuert, der Parteitagsbeschluss stehe. Friedrich Merz schließlich widerruft beziehungsweise stellt klar, alles nicht so gemeint. Seine Richtigstellung im Wortlaut auf Twitter: „Um es noch einmal klarzustellen, und ich habe es nie anders gesagt: Die Beschlusslage der @CDU gilt. Es wird auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit der #CDU mit der AfD geben.“ 

Doch in Wahrheit geht es gar nicht um die „Brandmauer“ oder um die AfD oder wie „rechts“ die CDU ist oder wird. Das sind alles Scheingefechte. Es geht um die Führungsfähigkeit des Vorsitzenden. In der Sache hatte beispielsweise die Zeit-Journalistin Anne Hähnig, nun nicht als Pressesprecherin der CDU bekannt, Merz verteidigt. Seine  Aussage zur Zusammenarbeit mit der AfD sei „die Beschreibung eines Ist-Zustandes“. lm Kommunalen gäbe es schon lange kleinere Kooperationen. Es kommt eben darauf an, wer etwas sagt und wie und warum.
 

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Es liegt kein inhaltliches Versagen von Merz vor, vielleicht könnte es sogar sinnvoll sein, rhetorisch abzurüsten und auch als CDU den von Hähning beschriebenen Status quo irgendwie zu beschreiben, um sich nicht ständig angreifbar zu machen, die „Brandmauer“ sei nicht „dicht“. Doch wenn ein CDU-Vorsitzender so etwas plant, dann redet er vorher mit seinem Parteivorstand, zumindest mit einigen Unterstützern. Dann organisiert er eine „Kommunikation“, damit die CDU geschlossen dasteht. Kurz: der Vorsitzende führt. „Friedrich telefoniert zu wenig“, heißt es dazu überall in der Partei. Genau das aber, was er immer angekündigt hat, „Führung“, will oder kann Merz offenbar nicht. Er scheitert hier bislang an sich selbst.

Kein Konkurrent wagt sich jetzt vor

Was aber bedeutet das für die CDU und die Frage der Kanzlerkandidatur? Die Fehler von Merz häufen sich. Zuletzt hatte seine Formulierung, die CDU sei die „Alternative für Deutschland mit Substanz“ für Kopfschütteln und Verärgerung gesorgt. Dabei ist es längst kein wirklich inhaltlicher Lagerkampf mehr, die Ungeschicklichkeiten ärgern die Merz-Getreuen ebenso wie seine Widersacher und Kritiker. Doch es gibt derzeit noch keinen „Plan B“.

Als weitere mögliche Kandidaten für eine CDU-Kanzlerkandidatur 2025 werden NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder genannt. Keiner von beiden hat irgendein Interesse, jetzt zweieinhalb Jahre vor dem Termin in den Ring zu steigen. Zumal im Oktober erstmal in Bayern gewählt wird. Die Schwäche von Merz nutzt im Moment keinem, selbst seinen möglichen Widersachern nicht, das steigert die Wut innerparteilich noch mal mehr. „Es ist zum Haare raufen“, sagt ein Mitglied der Parteiführung.  

In angeschlagener Lage

CDU-Chef Friedrich Merz hat aus finanziellen und möglicherweise taktischen Gründen für dieses Jahr keinen Parteitag einberufen, das ist durchaus ungewöhnlich. Jetzt hilft es ihm, weil er sich in angeschlagener Lage nicht vor den Delegierten verteidigen muss. Umso wichtiger wird das Parteitreffen im Frühjahr kommenden Jahres. Durchaus möglich, dass es dann nicht nur um eine Kanzlerkandidatur, sondern auch um einen neuen CDU-Parteivorsitzenden geht.

Merz war nach drei Anläufen schließlich durch ein Mitgliedervotum ins Amt gekommen. Keiner wird ihn leichtfertig herausfordern. Doch nach den sich häufenden Schwierigkeiten und seinem von vielen als unprofessionell angesehenem Agieren, ist ein Wechsel an der Spitze der Machtmaschine CDU nicht mehr auszuschließen. Auch die einstigen Merz-Fans werden sich schnell umorientieren, wenn ihr Leitstern nicht die erhoffte Rückeroberung des Kanzleramtes zu liefern imstande ist.

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