AfD im Umfragen mit der SPD zweitstärkste Partei - Sahnetorten für die Populisten

Gegenseitige Schuldzuweisungen dominieren die Debatten nach den jüngsten Umfrageerfolgen der AfD. Doch wenn Parteien und Regierung mit paternalistischer Rhetorik auf den wachsenden Zuspruch für die Rechtspopulisten reagieren, stärken sie die AfD noch weiter.

Innenministerin Nancy Faeser will Deutschland als Reaktion auf die Umfragen noch aufgeschlossener, toleranter und vielfältiger machen. Ob man so die AfD bekämpft? / dpa
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Ausgerechnet die 18. Rechtsradikale Zahlenmystiker werden darin verquere Zeichen erkennen wollen, und der Publizist Jens Bisky weist auf eine verstörende Parallele hin. Im aktuellen „Deutschlandtrend“ der ARD kommt die AfD auf sage und schreibe 18 Prozent und landet damit zusammen mit der SPD auf Platz zwei der Sonntagsfrage. Die Aufregung ist groß, jeder hat entsprechend seines eigenen Standorts die passende Erklärung für diese zugegeben dramatische Umfragelage parat. Doch greift das gegenseitige Blaming meist zu kurz und ist zu einseitig.

Sind die Grünen schuld, weil sie beim Klima, bei Flüchtlingen und in der Gleichstellungspolitik an einem Großteil der Wähler vorbei regieren? Offenkundig hat der wachsende Zuspruch für die AfD mit der katastrophalen Performance der Ampel-Regierung zu tun. Besonders das Debakel um die sogenannte Wärmewende offenbart, wie abgehoben derzeit vor allem das grün-geführte Wirtschaftsministerium Politik betreibt. Doch reicht das an Analyse? Die Grünen sind zum Hassobjekt im rechten Spektrum geworden, doch das erklärt den Aufschwung der AfD höchstens halb.

Ist die CDU schuld, weil sie es nicht schafft, die Unzufriedenheit mit der Ampel bei sich zu versammeln? Sie steht zwar auf Platz 1 der Wählergunst, aber angesichts der Ampel-Dramatik erscheint die Union mit 29 Prozent doch nur gebremst erfolgreich. Fehlt die „klare Kante“ von Parteichef Friedrich Merz, für den seine Anhänger ihn doch gewählt hatten? Der Sauerländer Retro-Rhetoriker sollte doch der AfD-Bezwinger sein, nun gibt er sich oft nur als freundlicher Dompteur im Streichelzoo der CDU-internen Eitelkeiten, wie manche spotten. Fehlt der CDU der Mut, pointierter als Opposition zu agieren, weil sie schon auf das schwarz-grüne Bündnis 2025 spekuliert? Es wäre wohl eine Aussicht wie eine Sahnetorte für die „Alternative für Deutschland“.

Die Menschen, die für die AfD stimmen, sind zunächst ernst zu nehmen

Der größte Fehler ist, den Erfolg der AfD paternalistisch zu betrachten. Die Politik müsse besser erklärt, die Sorgen der Menschen ernster genommen und die sozialen Härten besser aufgefangen werden. So etwas will keiner hören. Betreute Politik braucht kein Demokrat in einer Demokratie. Die Menschen, die bei der Umfrage für die AfD gestimmt haben, sind zunächst ernst zu nehmen. Sie wollen eine andere Migrationspolitik, sie stört der bisweilen oberlehrerhafte Duktus der politischen Diskurse etwa bei Themen wie Klimapolitik, gesellschaftlicher Wandel und ökonomische Transformation und sie nervt das „Umsetzungsproblem“ des politischen Apparats. Dass sich diese Unzufriedenheiten in Zustimmung für eine rechtsradikale Partei niederschlagen, mag sehr ärgerlich sein, darf aber nicht zu selbstgerechten Lagerkämpfen führen.

Die sozialdemokratische Internet-Aktivistin Lilly Blaudszun schreibt auf Twitter: „Das sind unsere Leute, die zur AfD gehen; die, für die wir Politik machen.“ Sie erntet darauf sofort Kritik. AfD-Wähler seien Rechtsradikale, die nicht „zurückzuholen“ seien. Blaudszun, die auch die eigene Parteiführung bisweilen kritisiert, meint: „Die meisten von ihnen wählen nicht AfD, weil sie rechts sind, sondern weil wir unseren Job nicht richtig machen und unsere Leute nicht ehrlich kommunizieren. Es muss sich was ändern.“ Das passt natürlich einigen nicht; der Vorwurf, Nazis würden verharmlost, ist schnell zu hören.

 

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Beim ARD-Deutschlandtrend geben 67 Prozent an, AfD wählen zu wollen, „weil sie von den anderen Parteien enttäuscht“ seien. Die AfD ist also eine Protestpartei, aber selbstverständlich ist sie es nicht nur. Denn offenbar sind 32 Prozent auch überzeugt von der AfD. Beide Gruppen müssen in der Analyse jeweils betrachtet werden, sie gegeneinander auszuspielen, hilft wiederum nur der AfD.

Seit ihrer Gründung 2013 hat die AfD nur einmal zuvor im „Deutschlandtrend“ die 18 erreicht. Es war im September 2018. Erst wenige Monate zuvor war Angela Merkel zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt worden. Nach den Niederlagen bei Landtagswahlen gab sie im Oktober den CDU-Parteivorsitz ab. Die Stärke der AfD war damals ein Krisenzeichen, eine wachsende Unzufriedenheit mit der Berliner Politik. Dass sich diese Erfolgswerte bei den Rechtsextremen auch wieder zurückdrängen lassen, haben dann die Wahlen in der Folge gezeigt. Möglichst bis zum Wahljahr 2024 sollte also sowohl die Ampel als auch die CDU klare Zeichen setzen, dass der Warnschuss gehört wurde.

Hohn für Wähler, die schon jetzt unzufrieden sind

Bei den Reichstagswahlen im September 1930 erreichte die NSDAP erstmals 18 Prozent der Stimmen. Sie war damit die zweitstärkste Kraft hinter der SPD, kleiner würde sie nicht mehr werden. Autor Jens Bisky schreibt auf Twitter, er sei nie ein „Freund von Weimar-Vergleichen“ gewesen, um dann doch mit dem „Aber“ zu kommen. „Nach dem 14.9.30 (18 Prozent NSDAP) haben weder Sozialisten noch Konservative oder Liberale die politische Initiative zurückgewinnen können. Trotz kluger Analysen, Polemiken. Die Ratlosigkeit von damals scheint mir mit der heutigen vergleichbar.“

Es gehört zum Wesen des Vergleichs, dass er hinkt. Die AfD ist nicht die NSDAP, die Demokratie in Deutschland ist heute stabiler, auch ist es durchaus ein Gewinn, wenn die übrigen politischen Kräfte weniger heftig verfeindet sind, als dies in Weimar der Fall war. Aber dennoch ist das süßeste Gift die Verharmlosung. Wenn die Sprecherin der Bundesregierung als Reaktion auf die Umfrage erklärt, für „mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft“ sorgen zu wollen, verkennt das die eigene Verantwortung für diese Lage.

Und das Bundesinnenministerium schafft es mit seiner Stellungnahme sogar, den von der AfD so sorgsam gepflegten Opferstatus auch noch zu bedienen. Ein Sprecher aus dem Haus von Nancy Faeser (SPD) sagte, es sei für die Regierung eine Daueraufgabe, dafür zu sorgen, dass Deutschland „aufgeschlossen, tolerant und vielfältig“ bleibe. Das muss wie Hohn klingen für Wähler, die schlicht unzufrieden mit ihrer Regierung sind.

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