Bundesverfassungsgericht bremst Heizungsgesetz - Dieses Urteil blamiert die Regierung und stärkt die Demokratie

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den von der Regierung gewollten Hauruck-Beschluss des Heizungsgesetzes zu verhindern, ist über den konkreten Fall hinaus heilsam. Er gebietet einer Vorstellung von Demokratie Einhalt, in der die Vertreter des Volkes nur noch eine lästige Nebenrolle spielen sollen.

Bundestagssitzung am 06.07.2023 / picture alliance
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Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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In letzter Zeit ist sehr oft von den „demokratischen Parteien“ die Rede. Das ist ein Prädikat, das sich vor allem die in der aktuellen Bundesregierung koalierenden Parteien gerne selbst zusprechen. Damit soll eine Art kategorischer Unterschied zur AfD etabliert werden, die damit als nicht demokratisch hinter die ebenso häufig erwähnte „Brandmauer“ verbannt wird.

Aus dieser Selbstbezeichnung spricht – ganz losgelöst von der Frage, wie man die AfD bewertet – eine erstaunliche Arroganz. Diese ist nun durch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts besonders offenkundig geworden. Die verfassungshütenden Richter bescheinigen der Bundesregierung beziehungsweise den sie tragenden Parteien schließlich, das demokratische Verfahren der Gesetzgebung verletzt zu haben, indem sie den gewählten Abgeordneten des Bundestags, also der zentralen Institution unserer repräsentativen Demokratie, nicht ausreichend Zeit für dieses Verfahren zugestehen wollten. Das ist für sie ein extrem peinliches Urteil.

An diesem konkreten Fall wird damit deutlich, wie hinter dem Nebel des eitlen Sprechens von der Demokratie das Bewusstsein für deren tatsächliche Regelhaftigkeit, ja für deren eigentliches Wesen schwindet. Politiker wie Robert Habeck, der die konkrete politische Verantwortung für das unter sebstgemachtem, vermutlich taktisch motiviertem Zeitdruck zusammengeschusterte und dann nach verheerender öffentlicher Kritik notdürftig und oberflächlich geflickte Heizungsgesetz trägt, scheinen eben einen Demokratie-Begriff zu kultivieren, der nicht mehr in erster Linie auf der Vorstellung der Volkssouveränität, der parlamentarischen Repräsentation und dem Pluralismus der Meinungen und Interessen beruht, die in einem langwierigen Prozess von Debatten und Abstimmungen zu politischen Entscheidungen führen. Stattdessen wird als „demokratisch“ empfunden und behauptet, was den eigenen, vermeintlich moralisch alternativlosen Vorstellungen entspricht. Im konkreten Fall etwa die Heizwende-Pläne zum Zwecke des Klimaschutzes.

 

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Hinter der Habeckschen Heizungseile steht letztlich eine Geringschätzung des Parlaments. Es soll nicht wirklich entscheiden, sondern nur Entscheidungen von selbst erklärten Demokraten mit der notwendigen Legitimation versehen. Darum brauchten die Abgeordneten nach Ansicht der Regierenden auch nicht wirklich die Zeit, um sich teifgreifend mit dem Gesetzesvorhaben zu befassen, es möglicherweise kritisieren und korrigieren zu können. Hinter dieser Geringschätzung des Parlaments und des repräsentativen Gesetzgebungsverfahrens steckt eine Vorstellung von Demokratie, die dem westlichen, freiheitlichen Demokratieverständnis entgegengesetzt ist. Aber sie ist nicht neu. Und erfahrungsgemäß zeitigte sie üble Folgen, wo sie konsequent und radikal zur politischen Praxis wurde.

Sie geht auf Jean-Jacques Rousseau und seine Lehre von der „volonté generale“, dem Allgemeinwillen, zurück. Seit Rousseau glauben immer wieder Politiker zu wissen, dass ihre eigenen Vorstellungen von der Zukunft diesem Allgemeinwillen zum Wohl des Gemeinwesens entsprechen. Wer darauf aufbaut, versteht also Demokratie nicht in erster Linie als den Wettstreit der Interessen und Überzeugungen auf der Basis von gemeinsam akzeptierten Regeln, vor allem offene Debatte und Wahlen, sondern als Verwirklichung dieses Allgemeinwillens des Volkes, den manche, die sich selbst Demokraten nannten, besser zu kennen glaubten als das Volk, in dessen Namen sie zu regieren behaupteten. So ist auch zu verstehen, dass sich einige der totalitärsten Regime des 20. Jahrhunderts demokratisch oder Republik nannten. Der angewandte Rousseauismus mündete jedenfalls immer in Unfreiheit, in schlimmster Konsequenz führte er zu Terrorherrschaft (zum Beispiel schon gleich beim ersten Versuch unter Robespierre und den Jakobinern in der französischen Revolution) und schließlich zum Zusammenbruch des Versuchs aufgrund der Unerfüllbarkeit seiner Versprechen (zum Beispiel 1989 in Osteuropa).

Das Bundesverfassungsgericht erfüllt den Zweck seiner Existenz

Trotzdem glauben immer wieder politische Akteure – in aller Regel wurden und werden sie der Linken zugeordnet – zu wissen, dass ihre eigenen Vorstellungen von der Zukunft diesem Allgemeinwillen entsprechen. Der heutige Rousseauismus begegnet uns überall dort, wo Politiker ihre eigene Politik für allein „demokratisch“ und alternativlos halten, oder Aktivisten unter der Parole „Follow the Science“ mit unbedingten Maßnahmen eine anders angeblich nicht abwendbare Klima-Apokalypse verhindern wollen, weshalb jeglicher Widerspruch unbedingt zu verstummen hat. Ein Heizungsgesetz muss dann eben ganz schnell in wenigen Tagen beschlossen werden, weil nur so das Klima gerettet werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun glücklicherweise diese Vorstellung von der Demokratie der selbsternannten Demokraten in die Schranken gewiesen und das Recht des langwierigen, pluralistischen Aushandlungsprozesses der Vertreter des Volkes gestärkt. Diese Klage war eine lobenswerte Tat des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann. Das Verfassungsgericht hat nach vielen Urteilen, die dem Willen der Regierenden entsprochen haben dürften, endlich wieder eine Entscheidung getroffen, die seinen Existenzzweck ganz und gar rechtfertigt, nämlich der Teilung der Gewalten und Einhegung der Macht der Regierenden.

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