
- Der perfide Kampf um die Deutungshoheit
Kaum hatte sich die Nachricht von den schrecklichen Ereignissen in Würzburg herumgesprochen, formierten sich im Netz die Fraktionen zum Kampf um die Deutungshoheit. Doch der geht an der Sache vorbei. Es geht nicht mehr um Fakten, sondern um Symbole. So entsteht ein Klima, das Tätern wie dem von Würzburg erst Raum gibt.
Ein Spindoctor ist ein Journalist oder Kommunikationsberater, der Ereignissen den richtigen medialen „Spin“ geben soll, also den richtigen politischen Dreh. Doch Spindoctoren gibt es heutzutage nicht nur im Profibereich und nach Wahlkampfdebatten: Wann immer sich in Deutschland etwa ein Amoklauf ereignet, Menschen auf offener Straße getötet werden oder ein vergleichbares Verbrechen geschieht, greifen in Deutschland tausende selbsternannter Spindoctoren in die Tasten. Ihr Ziel: Der Berichterstattung über die Tat die richtige Richtung zu geben. Am besten so, dass das eigene politische Lager von der Tat profitiert. Und zugleich dem jeweiligen politischen Gegner irgendwie eine Mitverantwortung für das Verbrechen in die Schuhe zu schieben. Das alles geschieht in der Regel im Brustton absoluter Empörung. Es ist ein widerliches Ritual.
Als am gestrigen frühen Abend die ersten Meldungen über einen Amoklauf in der Würzburger Innenstadt die Runde machten und nach und nach deutlich wurde, dass ein 24-jähriger Somalier drei Menschen getötet und mehrere teils schwer verletzt hatte, gab es kein Halten. Unter dem Hashtag #Würzburg formierten sich umgehend zwei Fraktionen: Auf der einen Seite die routinierten Antifaschisten, die in jedem kritischen Kommentar Rassismus witterten, vor Spekulationen und Gerüchten warnten und davor, die Tat politisch zu instrumentalisieren. Auf der anderen Seite jene, die sich über die Berichterstattung der öffentlichen Medien mokierten, Merkels Flüchtlingspolitik für die Tat verantwortlich machten und Hohn und Spott über die Migrationspolitik der letzten Jahre ausgossen. Das alles war in seiner Absehbarkeit mehr als öde und man fragt sich, ob sich die Leute dabei nicht selbst langweilen. Tun sie aber nicht.