Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian / picture alliance

Europäische Verteidigungsunion - Zeit für ein Europa von unten

Brexit, Flüchtlingskrise und erstarkende Rechtspopulisten setzen Europa zu. Deutschland und Frankreich wollen darauf mit einer engeren militärischen Zusammenarbeit reagieren. Doch eine weitere Vertiefung der EU wäre die falsche Antwort

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Das organisierte Europa ist derzeit auf der Suche nach Sinn. Der Brexit markiert einen Einschnitt. Der Beschluss der Briten, die europäische Union zu verlassen, hat das Bündnis erkennbar traumatisiert. 

Auf dieser Suche haben die Gründerstaaten und ihre Regierungen eine alte Idee wiederentdeckt, die nun einen neuen Namen trägt, beziehungsweise mit einem neuen Kürzel versehen wird. EVU das sind die Versalien, die Resteuropa ohne die britische Insel ein neues strategische Ziel ebnen sollen.

Europäische Verteidigungsunion heißt das ausbuchstabiert, und die Idee bedeutet Folgendes: Offenbar haben wir, die Regierungen, ein Problem damit, unseren Bevölkerungen den Sinn dieses Verbundes klar zu machen. Offenbar sind Frieden und Wohlstand nicht länger ausreichend. Beide sind hervorgegangen aus der Überlegung, zunächst mit Kohle und Stahl die beiden Produkte wirtschaftlich zu vereinigen, aus denen der Krieg gemacht ist. Was aber bietet sich an? Ein Verteidigungsbündnis gegen das, was da auf uns zukommt.

Die EVU ist eine Mogelpackung

Die EVU soll also den verunsicherten EU-Bevölkerungen zunächst das Gefühl geben, dass gemeinsam ein militärischer Schutzwall gegen die unkontrollierte Zuwanderung errichtet werden soll. Das, so das Kalkül, holt die Menschen wieder ab und lässt sie all die Überregulierungen aus Brüssel vergessen, über die sie sich teilweise völlig zu Recht aufregen.

Diese EVU, deren geistiger Vorgänger GASP heißt, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, ist aber eine Mogelpackung. Jedenfalls wenn sie nur als Baustein für eine Festung Europa begriffen und politisch verkauft wird. Denn am Ende steht da nicht nicht die Sicherung der Außengrenzen. Am Ende einer Europäischen Verteidigungsunion steht eine gemeinsame Armee. Das muss jedem klar sein, der diesen Weg beschreitet.

Militärische Einigkeit ist schwer vorstellbar

Nicht, dass das per se eine falsche Idee wäre. Sie ist vor Jahren auch schon mal von Bundeskanzlerin Angel Merkel öffentlich als erstrebenswert bezeichnet worden. Wenn mehrere Länder nicht nur die Währung, sondern auch noch die Armee teilen, so belegen sie damit: Sie vertrauen einander enorm, wenn sie existenzielle Dinge wie Geld und Sicherheit vergemeinschaften.

Aber genau an diesem Vertrauen fehlt es zur Zeit. Der Brexit und die Fliehkräfte in der Flüchtlingsfrage lassen es schlechterdings unmöglich erscheinen, sich jetzt Folgendes vorzustellen: Alle dann 27 Mitglieder stehen vor der drängenden Frage einer Auslandeinsatzes dieser gemeinsamen Armee und müssen nach dem Einstimmigkeitsprinzip beschließen: Machen oder bleiben lassen?

Europa muss von unten wachsen

Der Autor dieser Zeilen war auch einmal voller Hoffnung auf und Befürwortung für die Vereinigten Staaten von Europa. In den Vereinigten Staaten von Europa wären eine solche Armee und ein gemeinsamer Beschluss vorstellbar gewesen. In der realen EU-Welt dieser Tage nicht. Die vergangenen 20 Jahre ist das Falsche vorangetrieben und gekaufte Zeit nicht genutzt worden. Diesen Befund kann man beklagen, man muss ihn aber realistischerweise für die EU-Politik der kommenden Jahre zugrunde legen. Deshalb kann die Antwort auf den Brexitschock und den Migrationsdruck nicht eine Verteidigungsunion sein, die in eine gemeinsame Armee und damit noch mehr Vertiefung führt.

Die EU ist zur Zeit wie eine Hecke. Sie muss jetzt erstmal zurückgeschnitten werden, bevor sie wieder von innen her grünt. Und das ist das Entscheidende: von innen, von den Bevölkerungen her. Die Zeit ist vorbei, in der man die 500 Millionen Menschen auf dem Kontinent zu ihrem Glück zwingen konnte.          

Es ist Zeit für eine ganz andere EVU. Es ist Zeit für ein Europa von unten. 

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Horst Liener | Di., 4. Oktober 2016 - 11:29

Das Ewige Bla Bla kann ich nicht mehr hören, sie hatten so lange Zeit und haben alles runtergewirtschaftet. Ich habe kein Vertrauen mehr in diese "Politik" der Europäischen Aparatschniks und glaube England hat die auf die Dauer beste Entscheidung getroffen.

Christop Kuhlmann | Di., 4. Oktober 2016 - 12:04

Ich weiß nicht was ich mir unter einem Europa von unten vorzustellen habe. Gemeinsame Medien, eine Berichterstattung, die eine Art von Kommunikation zwischen den Europäern ermöglicht? Ein politisches Facebook vielleicht? Ich finde eine EVU nicht schlecht, denn insgesamt gaben die Staaten der EU vor zehn Jahren ca.
EU Gesamt = 267,4 Milliarden US Dollar = 201 Milliarden Euro jährlich aus und die
USA Gesamt = 532,8 Milliarden US Dollar = 400,9 Milliarden Euro. Man kann nicht behaupten, dass die EU damit 50% der Kampfkraft erzielt. Ein Großteil der aufgewendeten Mittel wird in kostspieligen 27 fachen Mehrfachstrukturen verschwendet. Solange sich die EVU als reines Verteidigungsbündnis begreift, dürfe auch Einigkeit über einen Verteidigungsfall herzustellen sein. Das schafft die Nato ja auch. Bei Angriffskriegen bin ich ja froh wenn die Voraussetzungen nahezu unerreichbar sind. Das Problem an einem Europa von unten ist doch die Komplexität, der Privatleute einfach nicht gewachsen sind.

Georg Dallmann | Di., 4. Oktober 2016 - 12:18

Allein schon die Vorstellung, Frankreich würde seine "force de frappe" einem nichtfranzösischen Kommando unterstellen, ist jenseits jeder Realität. Man mag vielleicht ein paar gemeinsame Bataillone als Feigenblatt unterhalten, im Kern ändert sich nichts, und das ist auch gut so.
Dieses ganze Europa-Gefasel ohne Substanz geht jedem Normalsterblichen nur noch auf den Wecker.
27 Staaten die UNTERSCHIEDLICHER und UNGLEICHER und INTERESSENSVERSCHIEDENER nicht sein könnten als EIN EUROPA zu bezeichnen, ist nichts geringeres als Wahnsinn in reinster Form.
Diese - geradezu gewaltsame - AUSDEHNUNG UM JEDEN PREIS war ALLEINE kommerziellen Gründen geschuldet (neue MÄRKTE!), einen - weiteren Sinn gab es dafür nicht. Diese weiteren "Märkte" kamen alleine den Grosskonzernen zugute, nicht den Menschen. Wer anderes erzählt, lügt sich die Wahrheit schön.
Wer angesichts des - auch (!) - ökonomischen DESASTERS (Stichwort Euro) nach wie vor meint, die EU müsse größer werden (Stichwort Beitritt Türkei)

Wolfgang Z. Keller | Di., 4. Oktober 2016 - 20:02

Antwort auf von Georg Dallmann

Sehr geehrter Herr Dallmann,

habe mit Interesse Ihre Kommentare I, III und IV gelesen. Wo blieb Nr. II stecken?

Ernst Heim | Di., 4. Oktober 2016 - 12:30

Leopold Kohr, umfassender Denker und Buchautor, publizierte vor 75 Jahren erstmals sein Prinzip "Klein sein oder nicht sein", das später als "small is beautiful" populär geworden ist. Die Lebensfähigkeit von überschaubaren Einheiten und Strukturen hat er nicht nur am Beispiel von Staaten sondern auch von Unternehmen und anderen Vereinigungen. Der Text ist trotz mancher zeitbedingter Details im Prinzip aktueller denn je. Zwischen England, Wales und Salzburg pendelnd unterstützte Kohr seit 1982 bis zu seinem Tod (1994) unser Begegnungszentrum freundschaftlich.
http://www.begegnungszentrum.at/texte/kohr/kohr-einigung.htm

Georg Dallmann | Di., 4. Oktober 2016 - 12:33

Eine asoziale Politik, für die auch die "Sozial"-Demokratische Partei und die Grünen nicht unerheblichen Anteil haben. Das ist die FAKTENLAGE, die nicht "post" ist sondern AKTUELL.
Dennoch stellen sich die Politikkartellisten hin und lassen sich "feiern". Wofür?
Von wem? Vom Medienkartell, welches - überwiegend großkapitalistisch beherrscht (!) - freudig Beifall klatscht.
Wer sich da noch wundert, dass immer mehr Menschen die blanke WUT packt und der HASS aus ihnen herausquillt, hat wirklich nichts verstanden. oder - wahrscheinlicher - den interessiert das schlicht und einfach einen feuchten Kehrricht.
Dazu kommt die Öffnung der Grenzen ohne demokratische Legitimation für Millionen von Menschen, deren Identität, Herkunft, Ziele und Absichten keiner kennt, gegen das Gesetz und damit unter Umgehung des Parlaments, als Repräsentant des "Souveräns", wohlwissend (!), dass mindestens die Hälfte all deren KEINE Bleibeperspektive haben, aber dennoch nicht abgeschoben werden können....

Gerdi Franke | Di., 4. Oktober 2016 - 12:35

Für die Verteidigung haben wir eigentlich die NATO. Da muss sich die EU nicht auch noch einmischen und sich eine neue Beschäftigung suchen. Oder soll dann die NATO aufgelöst werden?

hans jürgen laumann | Di., 4. Oktober 2016 - 20:18

Antwort auf von Gerdi Franke

Nato ist "Amerika" .......
Wollen wir wirklich eine "bestimmende, fordernde Weltmacht" , die um
ihrer Werte ( die westlichen?) willen, sieben muslimische Länder bombardiert,
den längsten Krieg der US-Geschichte nicht beendet ;als "Hegemon " Privatarmeen
einsetzt, und, und..........

Robert Flag | Di., 4. Oktober 2016 - 12:37

Eine europäische Armee könnte sich nicht einmal den Weg aus einer nassen Papiertüte herauskämpfen.

hans jürgen laumann | Mi., 5. Oktober 2016 - 19:56

Antwort auf von Robert Flag

Herr Flag wer sollte die "nasse Tüte" denn sein ?
Ein Krieg in Europa ist das "Ende" - Nahost, der zündelnde " Hegemon"
sollten Warnung sein - ein Krieg in Europa kennt nur Verlierer; die Militär-
ausgaben helfen nur "Einem ".............

Reiner Kraa | Di., 4. Oktober 2016 - 12:40

Toll, Herr Schwennicke. Genau so ist es. Ich würde aber eher von Wildwuchs statt von Hecke sprechen. Die europäischen Völker sind klug genug zu bgreifen, dass sich ihr Nutzen nur dann einstellt, wenn er auch ein solcher für die Nachbarn ist. Dazu brauchen sie nicht die Autokraten aus Brüssel und am wenigsten Frau Merkel mit ihren DDR-Methoden wie z. B ihrem Lissaboner Knebelvertrag. Europa wird sich aus eigener Kraft zum Wohle aller entwickeln und seine Brüssler Bevormunder und Selbsbereicherer endgültig abschütteln. Mit dem Brexit hat der Widerstand endgültig begonnen und er wird weiter wachsen.

Georg Dallmann | Di., 4. Oktober 2016 - 12:41

...und deshalb zeitlebens dem deutschen Steuerzahler auf der Tasche liegen werden. Die AOK kündigte bereits massive Beitragserhöhungen WEGEN der FLÜCHTLINGE an. Das sind die FAKTEN Frau Merkel. Dann kommt der Schäuble und schwadroniert, daß "keiner einen Euro weniger habe deswegen"! Wirklich Herr Schäuble? Welche Note hatten Sie denn - dereinst - in Mathe?
Wenn jährlich - nach sachverständigen Schätzungen - mindestens 20 Mrd. (!) Euro allein für die Versorgung der Migranten aufgewendet werden müssen, woher kommt dann das Geld, wenn nicht zu LASTEN wichtiger sozialer Projekte von EINGESESSENEN BÜRGERN? Marode Schulen? Marode Strassen? Fehlende Kitas? Sinkende Renten? etc.......Schon mal was von gehört oder gelesen Herr Schäuble?
DAS liebe Leser und werte Cicero-Redaktion ist die "POLITIK", die die meisten der NICHTPROFITEURE dieses asozialen "Staatsmanagments" auf die Barrikaden und zur Weissglut treibt. Das ist NICHTS, "verwunderlich". Vereintes Europa? Erst die Hausaufgaben machen!

Christa Wallau | Di., 4. Oktober 2016 - 12:42

Sie sind bei den Bürgern angekommen, lieber Herr Schwennicke.
Genau das wünschen sich die Europäer: Ein Europa, das von unten (= von den Bürgern her) zusammenwächst. Das ist der einzig vernünftige und zukunftsweisende Weg.
Gemeinsame Projekte werden von den meisten Leuten nur akzeptiert, wenn sie erkennbar
a l l e n nützen. Dazu bedarf es vor allem der dauernden Rücksprache mit den Volksgemeinschaften, die zur EU gehören. Nicht die Regierungschefs oder die EU-Kommissare in Brüssel haben auszukungeln, was ihnen Tausende von ansässigen Lobbyisten täglich in die Ohren blasen bzw. ihnen die Finanzjongleure vorgaukeln, sondern die BÜRGER müssen befragt werden, wo und wie sie sich m e h r Europa wünschen oder vorstellen können. Bei allen Projekten müssen
v o r h e r die Vor- und Nachteile (auch die Folgewirkungen) realistisch besprochen werden. Danach muß es Volksabstimmungen geben. Das kostet viel Zeit. Aber genau das bedeutet ZUSAMMENWACHSEN, und genau so funktioniert DEMOKRATIE!

Wo kommen wir dahin, wenn jedeR nach seiner Fasson lebt oder leben will ?!
Bei einer Diktatur - ähnlich Politik a la "Alternativlos" und/oder "Basta" - weiss doch jedeR , wo er/sie dran ist. Und wenn man nicht gefragt wird, hat man halt den Mund zu halten !
Wofür steht eigentlich Europa ?
Gute Frage - nächste Frage !

Reiner Jornitz | Di., 4. Oktober 2016 - 12:42

Sehr geehrter Herr Schwennicke,
wie Recht sie haben in ihrer Einschätzung zu Europa. Könnte man behaupten, das der Normalbürger seid der Wiedervereinigung nicht mehr von der Politik mitgenommen worden und einfach die Menschen das spiegeln und das zurückgeben was die Politik 25 Jahre vorgelebt hat " ein regieren am Volk vorbei und das Ausleben einer unvorstellbaren Arroganz und Ignoranz den Werten der Bevölkerung gegenüber ( siehe katastrophalen Flüchtlingspolitik und Management) ohne die Kosten für die Zukunft weiterer Generationen einzubeziehen. Da ist auf einmal Geld da Wer bezahlt die Zeche?

Toni Kolot | Di., 4. Oktober 2016 - 13:17

Herr Schwennicke, da haben Sie einen sinnvollen und aussagekräftigen Kommentar geschrieben, vielen Dank. - Ich sage mal dazu, "die Nachricht hör ich gern, allein mir fehlt der Glaube", wie das alles künftig passieren soll?
Ich glaube eher, die EU-Karre ist momentan so tief in den Dreck gesunken, und keiner ist in Sicht, sie wieder herauszuholen.-
Allein, was den Flüchtlingsstrom betrifft, in diesem Jahr sind schon wieder mehr als 220000 "Migranten" gekommen q- wo soll das in dieser EU hinführen . . . ? - Da rückt ein Traum von einer EVU in weite Ferne.

Dr. Klaus Eckhard | Di., 4. Oktober 2016 - 13:35

Glaubt denn irgendeiner, die Franzosen würden uns Zugang oder Kommandogewalt über ihre Atomwaffen geben?
Und eine EVU ohne England?
Bitte lassen Sie uns über etwas anderes reden.
Also Zustimmung zu Ihrem Artikel. Zustimmung auch was ihre Ansicht über das Zurückstutzen der Hecke angeht . Wenn sie damit meinen, dass das, was die Nationalstaaten besser können als Brüssel, bei den Nationalstaaten bleiben soll, und das was Brüssel besser machen kann, dort entschieden werden soll, stimme ich wieder zu. Wenn man aber nach dem Brexit Merkel, Juncker, Tusc und Schultz gehört hat, soll nichts geändert werden alles so bleiben wie es ist.
Insofern leider wenig Hoffnung.

Dimitri Gales | Di., 4. Oktober 2016 - 20:58

Antwort auf von Dr. Klaus Eckhard

Für Frankreich sieht die Nuklearwaffen als Lebensversicherung - das habe ich oft genug gehört. Ausserdem kann der noch amtierende Präsident Hollande nichts mehr wirklich entscheiden; er ist politisch äusserst geschwächt, im eigenen Lager und im Land nimmt ihn niemand mehr ernst.

Willy Ehrlich | Di., 4. Oktober 2016 - 13:44

Was soll denn von "innen", von der "Bevölkerung her" kommen? Sie kennen doch die Schlagworte, die sich politisch mit "oben" und "unten" befassen.

Da für "die da unten" von den Medien (da gibts die nicht!) sehr erfolgreich alle Arten von "Selbstbedienungsmentalität" verteufelt wurden und diese sich deshalb arg benachteiligt fühlen und voller Neid sind, geht da gar nichts mehr.
Insbesondere dann nicht, wenn die "Selbstbediener" nicht die eigene Nationalität haben, denn dann springt "die Mittelschicht der Intelligenz" auch noch mit auf den Zug.

Wir sollten nicht so tun, als wenn wir die derzeitige Phase der "nationalen Rückbesinnung" aussitzen können. Und die Augen sollten wir davor sowieso nicht verschließen, denn das macht dann endgültig blind für aktuelle Entwicklungen.

Fazit: Das preußische Dreiklassenwahlrecht war gar nicht so schlecht.

Denn: warum soll sich denn jemand positiv mit Europa auseinandersetzen, wenn er kaum Kenntnisse und dazu keine eigene Meinung hat?

Yvonne Walden | Di., 4. Oktober 2016 - 14:17

Eine Armee der Europäischen Union, also eine Europäische Verteidigungsunion (EVU) wäre schon deshalb erstrebenswert, damit wir Europäer uns aus der Umklammerung der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) befreien könnten.
Die USA verfolgen nach wie vor imperialistische Ziele, die der eigenen Wirtschaft und vor allem der eigenen Rüstungsindustrie Vorteile bringen sollen.
Dazu zählt die "Bekämpfung" unliebsamer Regierungen in Staaten, die als Rohstofflieferanten für die USA bedeutsam sind. Beispielhaft sei der autoritäre und demokratieferne Staat Saudi-Arabien genannt. Und dies, obwohl die USA doch weltweit demokratische Verhältnisse anstreben.
Wenn wir Europäer uns von derartigen Bestrebungen unserer NATO-Vormacht freischwimmen wollen, könnte dies mittels einer eigenen europäischen Armee, die in jeglicher Hinsicht defensiv agieren sollte, geschehen.
Auf andere Weise dürfte es uns in Europa wohl kaum gelingen, diesem Klammergriff der Vereinigten Staaten von Amerika zu entfliehen.

Dimitri Gales | Di., 4. Oktober 2016 - 14:30

Aber es wächst nicht von unten. Vor einigen Tagen hat der Radiosender Europe1 eine Blitzumfrage veranstaltet, um zu sondieren, ob die Franzosen noch für Europa eintreten: 70 Prozent verneinten dies, äusserten sich negativ oder sehr kritisch gegenüber dem Brüsseler Europa. Hubert Vedrine, ehemaliger Aussenminister, sagte, dass nur noch ein kleiner Prozentanteil zu den "Fundamentalisten" der europäischen Sache zähle.
Es gab schon einmal einen Plan zur deutsch-französischen Armee in den fünfziger Jahren - er scheiterte am Widerstand Frankreichs. Den dürfte es heute noch geben. Und 2017 ist dort Wahljahr.
Es klappt nichts mehr so richtig in Brüssel-Europa. Eine gemeinsame Armee ist wieder eines der Luftschlösser, die gebaut werden, um die erlöschende Europa-Flamme zu retten. Aber wenn man die Menschen Europas nicht mehr überzeugen kann, dann ist alles andere Peanuts.
Europa ist und war ein Elite-Projekt - an das Volk dachte man nur selten. Die Folgen werden sich jetzt konkretisieren.

kurt mäschli | Di., 4. Oktober 2016 - 14:31

Bin voll und ganz einverstanden mit Ihrem Bericht. Nur sollte von den 500 Mil. Menschen viel mehr Wiederstand gegen ihre Regierungen gemacht werden. Und da sehe ich ein gewisses Desinterresse. Wenn jeder denkt der andere tuts, sind wir weit vom Ziel entfernt. Ganz abgesehen davon dass sehr viele Menschen noch gar nicht geschnallt haben, in was für einer sehr gefährlichen, explosiven Situation sich die Welt befindet!

franz wanner | Di., 4. Oktober 2016 - 15:20

sich etwas wünschen ist nicht gleich realisieren.
wenn 500. Mio Nasen sich etwas wünschen, dürfte der allen gemeinsame Nenner = 0 sein.
Zudem gilt der Zusammenhang von Quantität und Qualität. Irgendwann lässt sich Quantität nicht ohne neue Qualität machen.
Z.B. Freizügigkeit in der EU ohne wenigstens vergleichbare Lebenstandards in den Regionen der EU sind widersinnig. Ein Sehnsuchtsgefälle führt zwangsläufig zur Überforderung des Traumziels.
Und dies gilt für alles, für jede einzelne Kategorie, deren Zusammenklang eine europäische Einheit sein soll.
Bisher gilt: Alles, was für die EU-Staaten gemeinsam gilt, macht noch kein Europa. Lediglich ein Übervorteilungsgefälle, welches weidlich ausgenutzt wird.
Der Unmut zu Vorteilsverlusten hält den Laden zusammen. Bisher.
Siehe: Grexit.

Siegfried Stein | Di., 4. Oktober 2016 - 17:26

Es sind doch gerade Frau Merkel und ihre Entourage, die dabei sind, "Frieden und Wohlstand" in der EU abzubauen. Darüber hinaus sogar, die EU zu dekonstruieren. Nicht die Demonstranten und die paar Schreihälse sind schuld, es ist diejenige Nomenklatura 2.0, die sich selbst feiert und beglückt - angefangen beim Montblanc-Füller und nicht zu Ende bei den fetten Pensionen der EU-Beamten und -Parlamentarier.

Haben die Herren Juncker, Schulz, Brok und wie sie alle heissen schon was gegen die Jugendarbeitslosigkeit in der EU getan?

Herr Barroso macht das jetzt sicher bei Goldman-Sachs.

Andreas Martin | Di., 4. Oktober 2016 - 17:39

Ich dachte immer, das ist ganz einfach. Haben wir einen gemeinsamen Widersacher sind wir alle die besten Freunde.
Haben wir keinen,zoffen wir uns eben untereinander.
Dachte ich.
Aber anscheinend ist Europa blind für alles was außerhalb seiner Grenzen vor sich geht, denn wir benehmen uns immer noch wie im tiefsten Frieden. Wir sind wie der goldene Apfel der nur darauf wartet gepflückt zu werden. Hoffentlich mögen unsere Feinde kein Obst.

mira.kantor | Di., 4. Oktober 2016 - 18:52

Ich lebe seit 39 Jahren in Deutschland,also länger als Fr:Merkel.Es treibt mir tränen in die Augen wenn ich sehe wie sich dieses Land veränder hat seitdem sie Kanzlerin ist.Sie lässt sich nich wie Honecker wegjagen.Erst wenn wir hier Zustände haben,wie in derDDR,veschwindet sie.Bis dahin betet jeden Tag,dass Clinton Wahlen gewinnt.Dann ist sie wieder jemand und es wird noch schlimmer.

Nicolas Wolf | Di., 4. Oktober 2016 - 19:15

Oje schlechte Wortwahl zum Schluss, denn zum Glück sind jetzt sehr viele Europäer gezwungen worden, man denke nur an die hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere bei der Jugend, in vielen europäischen Ländern.

Ansonsten gute Analyse, auch wenn ich ergänzen möchte, dass z.b. die USA ihre enorme militärische Schlagkraft eben auch einem klaren Bekenntnis zum Militär verdanken. Gerade die Deutschen sind da als größtes Land in Europa auf dem völlig falschen Dampfer. Ein einheitliches Militär sehe ich da eher als optional. Es fehlt der Wille, an Feinden mangelt es ja nicht.

Rainer Schiebel | Di., 4. Oktober 2016 - 19:45

Das Europa von „oben“ ruht auf einem Fundament, das nur zwei massive Säulen besitzt: Deutschland und Frankreich. Die Gesellschaft Frankreichs wird durch eine falsche Migrationspolitik unter dem Deckmantel von „Liberté, Égalité, Fraternité“ entkernt. Diese Entkernung kann kurz- oder mittelfristig zu einem Rechtsruck und einer Regierung unter dem „Front National“ führen. Wenn dieser Fall eintritt, dann wankt nicht Europa, sondern das Projekt Europa ist beendet!

Europa war, ist und bleibt lediglich eine Schicksalsgemeinschaft, nicht mehr und nicht weniger, zumindest in unserer Generation. Die Vereinigten Staaten von Europa und die sogenannten westlichen bzw. humanitären Werte sind lediglich der Traum einer linkspädagogischen besserverdienenden Elite. Dieser Traum wird so lange geträumt, so lange in den jeweiligen Staaten das Geld dafür erwirtschaftet wird.

Claudia Prinzel | Di., 4. Oktober 2016 - 21:38

Als sich der Oberst im MfS Schalck-Golodkowski in der Wendezeit entschloss, von seinem Lebensziel, Sieg des Sozialismus, Abstand zu nehmen und in die Dienste des bundesdeutschen Finanzkapitals zu treten, fand er Hilfe beim damaligen CDU-Funktionär Schäuble, der ihn aus "humanitären Gründen" schützte, sich vor einem DDR-Gericht für Machtmissbrauch und Korruption verantworten zu müssen und behilflich war, ein luxeriöses Asylquartier im CSU-Machtbereich Bayern zu requirieren.
Herr Schäuble ist also Spezialist für Asylanliegen. So verwundert es nicht, wenn er heute verlautbart, die nahezu eine Million nach Deutschland eingeströmter Asylbegehrender hätten bisher die deutsche Zivilgesellschaft nicht mit einem Cent belastet. Eine solche unwahre Argumentation geht an den eigenen Wahrnehmungen einer deutschen Altersrentnerin mit den bekannten minimalen Bezügen vorbei, wenn für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Monat etwa das Zehnfache aus Steuermitteln aufgebracht wird.

Detlev Bargatzky | Mi., 5. Oktober 2016 - 07:53

In der jetzigen Verfassung der EU wäre ein solcher Schritt nicht nur einfach falsch für das weitere Zusammenwachsen der EU-Staaten, sondern eher sogar höchst gefährlich für den "Weltfrieden".

Angenommen es gäbe diese gemeinsamen Streitkräfte und es wäre klar, dass wer diese Streitkräfte führt und wer über deren Einsätze entscheidet.
Was wäre wenn das aktuelle US-hörige Brüssel/Berlin sich auch weiterhin als Erfüllungsgehilfe der US-Administration sehen und ihr den Zugriff auf die EU-Streitkräfte gestatten?
Die EU-internen Diskussionen würden diesen Einsatz wohl kaum stoppen.

Sorry, aber m.E. ist eine Voraussetzung für einen solchen Schritt ein Restart der EU mit einer gemeinsamen Verfassung, verbindlichen Regeln und einer unabhängigen Justizbehörde, die auch korrupte Politiker auf allen Ebenen (ähnlich wie bis vor ein paar Jahren üblich in den USA) zur Verantwortung zieht.

Ernst Laub | Mi., 5. Oktober 2016 - 09:27

Wir haben zwar noch Glück gehabt, dass unsere Politiker uns nicht im Rahmen der aggressiven NATO in einen offenen Konflikt mit Russland geführt haben. Aber ausserhalb Europas müssen wir erleben, wie die heuchlerischen NATO-Staaten die Islamisten und andere „Freiheitskämpfer“ (z.B. in Syrien) unterstützen und damit dieses Land in Armut und Zerstörung führen.... und wohin die Überschwemmung Europas mit Flüchtlingen führt, das wissen alle.... ausser die "Spitzenpolitiker" der BRD und Frankreichs: Weder zu Frieden noch zu Wohlstand! Offen gestanden, anstatt unsere postdemokratische Elite würde ich lieber – auch in Westeuropa – Populisten wie den slowakischen (der Sozialdemokratie nahestehenden!) Premierminister Robert Fico an der Macht sehen!

Frank Goller | Mi., 5. Oktober 2016 - 09:55

Die EU ist doch schon unten - geht's wirklich noch weiter ?

Ernst Laub | Mi., 5. Oktober 2016 - 11:19

Bevor die Regierungen und das Brüsseler Politbüro die Nationen auflösen (wie von Bert Brecht vorausgesehen!), müssen diese dringendst aufgelöst werden. Europa kann sich nur weiter in Richtung Demokratie entwickeln, wenn nicht mehr Monsterstaaten wie die BRD, Frankreich und andere eingebildete „Grossmächte“ die EU monopolisieren, sondern wenn kleinere Einheiten wie Bayern, Sachsen, Burgund, Bretagne, Baskenland, Flandern, Elsass, Tirol (mit Südtirol), Schlesien, Katalonien, Lombardei usw. Gliedstaaten Europas sind. Europa muss – um zu überleben - schweizerischer, föderativer und basisdemokratischer werden. Dann könnte endlich auch die Schweiz Europa beitreten. Eine sich aus der Schweizer Armee entwickelnde europäische Streitkraft müsste dann die NATO endgültig überflüssig machen..... Und noch eine "schockierende" Idee: Zukünftige Hauptstadt Europas soll Königsberg-Kaliningrad im neuen zweisprachigen (deutsch und russisch) Mitgliedsstaat Preussen (Preussen ohne Brandenburg!) werden.

Christopher Kaatz | Do., 13. Oktober 2016 - 13:50

Man kann 500 Millionen nicht zu ihrem Glück zwingen. Stimmt. Man kann niemanden zu seinem Glück zwingen, 500 Millionen Europäer genauso wenig wie fünf Journalisten oder 50 Politiker. Die Alternative ist aber nicht ein "Wachsen von innen", was immer das sein mag. "Von innen" wächst überhaupt nichts. Dieses Bild tut so, als gäbe es einen Zaubermechanismus, der ohne weiteres Zutun dazu führt, das irgendetwas entsteht. Aus Nichts entsteht nichts. Es gibt keine gemeinsamen Werte, auf denen sich aufbauen ließe. Wer systematisch über Jahrzehnte Wertorientierung verlachte, verteufelte oder ideologisierte, darf sich heute nicht wundern, dass dieses Saat immerhin aufgegangen ist. Hedonismus, Nihilismus und Egoismus. Statt eines Vaterlandes Europa wurde uns ein Europa der Vaterländer vorgegaukelt. Was wir jetzt bekommen ist Nationalismus pur. Der Appell an die niederen Instinkte hat funktioniert, nun können wir die Geister nicht mehr bannen, die wir riefen.