Entwicklungszusammenarbeit - Jobs statt Belehrungen

Wenn die Bundesregierung Wachstum und sozialen Ausgleich in Afrika unterstützen möchte, muss ein interessenbasierter außenpolitischer Ansatz im Zentrum des entwicklungspolitischen Handelns stehen. Das ist derzeit aber nicht der Fall.

Eine Bäuerin in Tunesien kämpft gegen die Trockenheit / picture alliance
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Prof. Dr. Andreas Freytag ist Professor an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Honorarprofessor an der Universität Stellenbosch (Südafrika) und Mitglied des CESifo Research Network.

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Stefan Liebing ist Geschäftsführender Gesellschafter der Investment- und Projektentwicklungsfirma Conjuncta mit Sitz in Hamburg und seit 2012 ehrenamtlicher Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. Er unterrichtet als Honorarprofessor für Außenwirtschaft an der Hochschule Flensburg.

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Afrika rückt wieder einmal in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Noch vor einigen Jahren haben Politiker regelmäßig die ungenutzten Chancen für die deutsche Wirtschaft in den Mittelpunkt gestellt. Auch das Potenzial des Kontinents in der Klimapolitik wurde betont, beispielsweise als Standort für die Erzeugung von grünem Wasserstoff. Inzwischen ist die Euphorie etwas verflogen. Denn heute wird Afrika vor allem mit den sich zuletzt häufenden Militärputschen und mit steigenden Migrationszahlen in Verbindung gebracht.

In der Tat werden die Zeiten dort schwieriger. Nach einem Jahrzehnt der Zuversicht sind die Folgen diverser Krisen zunehmend spürbar. Inflation und deutlich gestiegene Staatsverschuldung als Folge der Corona-Krise schränken die Handlungsfähigkeit vieler Staaten ein. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine steigen Lebensmittel- und Energiepreise noch weiter. Unerwartete Trockenphasen und Klimawandel erschweren landwirtschaftliche Produktion. Es ist bedauerlich, aber nicht zu leugnen: Während weiterhin spannende Chancen für unternehmerisches Engagement auf dem Kontinent bestehen, sind die Nischen kleiner geworden, und die Zahl der attraktiven Zielländer für Investitionen ist zurückgegangen.

Die Ausgangslage ist nicht gut

Dabei bräuchte Afrika nichts dringender als Wirtschaftswachstum und Investitionen aus dem Ausland. Regierungen sind davon abhängig, Arbeitsplätze für die wachsende junge Bevölkerung anzubieten, wenn sie politische Stabilität sichern und wiedergewählt werden möchten. Das erfordert Zufluss an Investitionsmitteln und technologischem Know-how. 

Um diese Art von Unterstützung bitten afrikanische Staatschefs seit Jahrzehnten. Weder Europa noch die USA haben dabei bislang wirklich geliefert. Am stärksten sichtbar und am wenigsten mit Belehrungen verbunden sind bislang chinesische Investitionen. Aber auch das chinesische Engagement in Afrika geht aufgrund der internen Schwierigkeiten Chinas stetig zurück.

Die Ausgangslage ist also nicht gut. Unzufriedene junge Bevölkerungsgruppen, die keine Perspektive für sich sehen, sind der beste Nährboden für Populisten und Extremisten. Ohne die Unterstützung der Jugend wären die Militärputsche kaum möglich gewesen, die inzwischen mehr als eine Handvoll Länder ereilt haben. Und es kommt nicht von ungefähr, dass die Zahl der Migranten, die aus Afrika ankommen, gerade jetzt steigt. Es wird immer deutlicher: Traditionelle Formen der Entwicklungshilfe waren bislang weitgehend erfolglos und haben nicht die gewünschten Wirkungen gezeigt – weder die von afrikanischen Regierungen erhofften noch die von der deutschen Bundesregierung beabsichtigten.

Verzerrte Anreize führen zu Stillstand

Die Evidenz ist sehr klar: Offizielle Entwicklungshilfe hat über mehr als 60 Jahre im Durchschnitt keinen nennenswerten positiven Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung der Zielländer erreicht. Dies gilt im Prinzip für alle OECD-Länder und ist kein typisch deutsches Versagen. Die Gründe dafür sind eindeutig systemisch und haben nichts mit der Ernsthaftigkeit und Integrität der Projekte im Einzelfall zu tun. Das ganze Konzept ist nicht zeitgemäß, verzerrt die Anreize und sorgt für Stillstand.

Regierungen bei der Erstellung von Gesetzen zu beraten oder bei organisatorischen Veränderungen, Energieversorgern Solaranlagen zu schenken und Workshops zu feministischer Außenpolitik oder Biodiversität durchzuführen, mag aller Ehren wert sein, löst aber die akuten gesellschaftlichen Probleme nicht. Niger und Afghanistan haben gezeigt, dass die Drohung, solche Entwicklungsprojekte einzustellen, die neuen Regierungen kaum beeindruckt hat. Ganz offensichtlich, weil sie aufseiten der Empfängerländer kaum vermisst werden.

Wer die wachsenden Probleme in Afrika angehen möchte, kommt nicht umhin, eine neue Form der Entwicklungszusammenarbeit zu betreiben, die effektiv ist, Arbeitsplätze schafft und soziale Unwuchten vermeidet. Ende November bietet sich die nächste Gelegenheit, wenn Bundeskanzler Olaf Scholz zahlreiche Staatspräsidenten aus Afrika zu einem Gipfel in Berlin begrüßen wird. Dieser Gipfel ist eine sehr gute Möglichkeit, den afrikanischen Regierungen ein attraktives Angebot zu machen und die deutsche Außen- und Entwicklungspolitik stärker an den Realitäten auszurichten.

Technologie aus Deutschland

Die deutsche Entwicklungspolitik sollte alles tun, um private Investitionen hiesiger Unternehmen in Afrika anzureizen, die einen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen und lokalem Wirtschaftswachstum leisten können. Es sind bereits einige Hundert deutsche Unternehmen auf dem Kontinent aktiv, neue Firmen erschließen die neuen Märkte, die den Zugang zu einer interessanten Mittelschicht versprechen und deren infrastrukturelle Grundlagen auch durch Technologie aus Deutschland geschaffen werden können.

Denn es bieten sich weiterhin spannende Chancen. Die Erzeugung von Wasserstoff auf Basis von Solar- und Windenergie etwa, ohne die Europa die Umstellung auf grüne Energie niemals rechtzeitig schaffen würde. Deutsche Mittelständler planen eine Reihe von milliardenschweren Investitionen auf dem Kontinent. Würden nur einige wenige dieser Projekte realisiert, hätte Deutschland die Chance, an die chinesischen Investitionsbestände in Afrika anzuschließen.

Afrika bietet zudem gute Möglichkeiten für Unternehmen, die nach den Corona-Erfahrungen ihre Lieferketten diversifizieren und nicht mehr alle Vorprodukte in China erzeugen möchten. Marokko und Tunesien etwa sind mittlerweile zu Geheimtipps für Mittelständler vor allem auf dem Gebiet arbeitsintensiver Produktionsprozesse geworden. Und schließlich können die oft sehr gut ausgebildeten IT-Fachleute Afrikas einen Beitrag dazu leisten, den Mangel hierzulande zu beheben.

Lösung afrikanischer Probleme 

Allerdings scheinen die potenziellen Partner des Afrikagipfels im November nicht dieselben Vorstellungen davon zu haben, was attraktiv ist. Die von der Bundesregierung ausgerufene „feministische Entwicklungspolitik“ wird auf der Prioritätenliste der Gäste für die Gespräche vermutlich nicht weit oben stehen. Ganz im Gegenteil: Dass der aktuelle Ansatz der Bundesregierung in der Außen- und Entwicklungspolitik zur Lösung afrikanischer Probleme Erfolg versprechend ist, darf bezweifelt werden.

 

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Deshalb plädieren wir für eine rationale – eben nicht gefühlige – Entwicklungszusammenarbeit, die afrikanische Interessen genauso in den Blick nimmt wie klimapolitische Möglichkeiten und dabei noch der gebeutelten deutschen Wirtschaft Export- und Investitionsmöglichkeiten eröffnet. Das bedeutet nicht, dass wir unseren Wertekanon vernachlässigen müssen. Man sollte aber darauf verzichten, Partnerländer in Afrika von oben herab zu belehren.

Eng mit dem Westen zu kooperieren

Wer die Partnerschaft mit Afrika vertiefen und afrikanische Staatschefs möglicherweise auch davon abhalten möchte, sich zu eng mit Russland zu verbünden, sollte darauf verzichten, eine „wertebasierte“ Außenpolitik zu betreiben. Vielmehr muss es darum gehen, afrikanische Regierungen zu überzeugen, dass es in ihrem Interesse ist, eng mit dem Westen zu kooperieren. Wenn das erfolgreich ist, werden sich viele Länder irgendwann automatisch von Russland fernhalten.

Wenn es politischer Wille ist, dass deutsche Investitionen in Afrika stattfinden und dort zur Stabilität beitragen, dann muss die Bundesregierung Unternehmern aus Konzernen und Mittelstand dabei helfen, indem sie ihnen einen Teil der Risiken durch Garantien und Versicherungen abnimmt. Viele Unternehmer, die vielversprechende Projekte verfolgen, scheitern an der Finanzierung. Die Finanzierung von Projekten in Afrika ist oft schwierig, weil viele Banken die als hoch wahrgenommenen Länderrisiken nicht oder nur zu sehr teuren Konditionen eingehen können.

Entwicklungspolitisch wünschenswerte Projekte müssen daher durch eine neue Risikoverteilung zwischen privater und öffentlicher Seite unterstützt werden. Bürgschaften und Garantien für Investitionen in Afrika sind massiv auszubauen. Risikofonds, Versicherungen und neue Garantieinstrumente zu schaffen und die Bedingungen für bestehende Instrumente zu verbessern, wäre der wohl wichtigste Schritt. So ist es kaum zu erklären, warum ein fertig projektierter Solarpark eines deutschen Unternehmens in Afrika wegen hoher Zinsen und Finanzierungskosten nicht realisiert werden kann, während Deutschland viel Geld für die Unterstützung von Konferenzen und Besuchsreisen afrikanischer Delegationen ausgibt.

Investitionen und Handel

Es ist notwendig, sich stärker auf wirtschaftliche Zusammenarbeit, also Investitionen und Handel, zu konzentrieren. Dazu gehört übrigens auch der Abbau unserer Handelsbarrieren gegenüber verarbeiteten Produkten aus Afrika. Leider behindert die Bundesregierung diese internationale Arbeitsteilung, denn sie sendet gleich in zweifacher Hinsicht zwiespältige Signale aus. 

Erstens werden Investitionen in, aber auch Handel mit Entwicklungsländern durch zusätzliche bürokratische Auflagen erschwert. Das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, das dafür sorgen sollte, dass deutsche Unternehmen bei ihren Lieferanten und deren Zulieferern stärker auf die Einhaltung von Menschenrechten achten, hat schon jetzt für einen Rückgang der Geschäftstätigkeit mit Entwicklungsländern gesorgt. Erste Unternehmen haben aus Sorge vor zu großer Bürokratie und den Haftungsrisiken ihren Rückzug aus afrikanischen Partnerländern bekannt gegeben. Das Gesetz führt damit zum Gegenteil dessen, was es eigentlich erreichen möchte. Denn die Lücken, die durch den Rückzug deutscher Unternehmen entstehen, werden von chinesischen Firmen gefüllt. Nicht unbedingt eine gute Nachricht für die Entwicklung der Menschenrechtslage.

Zweitens erweckt das Entwicklungsministerium, das kürzlich eine neue „Partnerschaft mit der Wirtschaft für Transformation“ verkündet hat, nicht den Eindruck, dass dort verstanden wurde, was zu tun ist. Künftig sollen in „Netzwerken und Steuerungsgruppen“ weitere Akteure wie Gewerkschaften, Unternehmerinnen und internationale Zivilgesellschaft einen breiteren Raum einnehmen. Inhaltlich solle eine Fokussierung auf Dekarbonisierungsprojekte sowie Umwelt- und Sozialstandards von Unternehmen erfolgen. Und schließlich ist eine Reorganisation der zahlreichen deutschen Beratungsstellen geplant, die bislang immer wieder auch parallel beauftragt waren, Unternehmen den Zugang nach Afrika zu erklären.

Weder Frauen noch der Zivilgesellschaft

Das alles kann man machen, aber erst wenn die Investitionsströme anlaufen. Diese Strategie voranzustellen, wird an keiner Stelle dafür sorgen, dass in Afrika mehr Arbeitsplätze entstehen oder dringend erforderliches Wirtschaftswachstum beschleunigt wird. Das wiederum hilft weder Frauen noch der Zivilgesellschaft; Klimaschutz wird dadurch auch nicht vorangetrieben.

Wenn wir Wachstum und sozialen Ausgleich unterstützen möchten, muss ein interessenbasierter außenpolitischer Ansatz im Zentrum unseres Handelns stehen. Wir müssen zunächst einmal genauer verstehen, wie die afrikanischen Interessen und Präferenzen aussehen und wie es gelingen kann, dass es im afrikanischen Interesse liegt, eine enge Zusammenarbeit mit dem Westen zu suchen, weil dieses Konzept afrikanischen Interessen besser dient als die jetzige neutrale Positionierung, die viele Länder zwischen Russland, Europa, den USA und China wählen.

Ohne starke internationale Wirtschaftspolitik wird es keine erfolgreiche Außenpolitik geben können. Die Hausaufgaben zur Stärkung deutscher Außenwirtschaftspolitik sind zuallererst in Berlin zu erledigen. Dazu gehört nicht weniger als ein vollständig neuer Ansatz in der deutschen Entwicklungspolitik.

In einer schwierigeren politischen Lage werden wir zunehmend auf eine enge und gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Afrika angewiesen sein, wenn wir unsere großen Probleme lösen wollen. Wenn das gelingt, dann könnte es vielleicht doch noch zu einer verspäteten deutsch-afrikanischen „Zeitenwende“ kommen.

 

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