Eine Frau in einem durch russische Raketenangriffe zerstörten Gebäude im Zentrum der Stadt Kramatorsk / picture alliance

Gespräch über Krieg und Zeitenwende, Teil I - „Das böse Erwachen für die Europäer“

Der Historiker und Oberst Markus Reisner ist derzeit einer der gefragtesten Militär-Analysten im deutschsprachigen Raum. Im ersten Teil des Interviews spricht er über Objektivität in Zeiten des Ukrainekrieges, Geschichte, die sich wiederholt, und das mögliche Auftauchen des Schwarzen Schwans - also eines Ereignisses, mit dem niemand gerechnet hat.

Autoreninfo

Frank Lübberding ist freier Journalist und Autor.

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Im Frühjahr 1945 fand vom 16. März bis zum 15. April die „Schlacht um Wien“ statt. „In den Kämpfen“, so heißt es in einem gleichnamigen Buch, „taten sich junge Menschen gegenseitig Dinge an, die man in unserer aufgeklärten Gesellschaft nicht für möglich“ hielte. Man war davon ausgegangen, „dass diese extremen Gewalthandlungen eingehegt auf ewig der Vergangenheit“ angehörten. Autor ist der promovierte Historiker und Oberst in der österreichischen Armee Markus Reisner. Er schloss das Manuskript im August 2020 ab.

Reisner konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, was knapp 18 Monate später in der Ukraine passieren sollte. Russland griff die Ukraine an, und es entwickelte sich ein konventioneller Krieg, den es in dieser Form seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa nicht mehr gegeben hatte. Der Kommandant des Gardebataillons des Bundesheeres wurde nach Kriegsausbruch zu einem der gefragtesten Militär-Analysten im deutschsprachigen Raum. Wer das Buch über die „Schlacht um Wien“ liest, weiß auch warum: Es schildert die militärischen Operationen der sowjetischen Streitkräfte in diesen 31 Tagen eines Ringens, das am Ende zehntausende sowjetische und deutsche Soldaten das Leben kostete, hinzu kommen die toten Zivilisten.  

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Henri Lassalle | Do., 29. Juni 2023 - 20:20

Nie wieder Krieg in Europa. Diesen Grundsatz gab es auch nach dem ersten Weltrieg, Leute wie Gustav Stresemann setzten sich für ein vereintes Europa ein, predigten Frieden und Völkerverständigung. 1939 wollte ausnahmslos niemand in Europa Krieg, bis ein (ehemaliger) Österreicher Unheil über Europa brachte. Man sagt, die Geschichte serviert niemals dieselben Gänge - doch, das ist so, nur jedes Mal in einem anderen Geschirr. Wir haben bei allem geistigen Fortschritt und operativen Fähigkeiten noch immer das Hirn des Steinzeitmenschen, damit muss man leben und umzugehen wissen. Alles andere wäre naiver Optimismus.

Bernhard Homa | Do., 29. Juni 2023 - 23:47

Mit mindestens zwei sehr treffenden Feststellungen:
- Krieg führt je länger je mehr zu einer Brutalisierung und Dehumanisierung - das ist ihm immanent, mit allen langfristigen Folgen
- Nach Kriegsende - völlig egal wann und wie es aussehen wird - wird ein Haufen von "Schlaubergern" hervortreten, die immer schon vorher gewusst haben wollen, dass es selbstverständlich genau so ausgehen wird

Norbert Heyer | Fr., 30. Juni 2023 - 07:06

Als die Berliner Mauer fiel - schon da hätte man die Prioritäten für die Zukunft festlegen müssen. Das die Länder des Warschauer Paktes sich den Verlockungen des Westens zuwenden würden, war voraussehbar. Man hat diese Länder in die EU aufgenommen und Russland brüskiert. Putin hat bei seiner berühmten Rede im Bundestag Lösungswege aufgezeichnet, die Europa einigen könnte - im Verbund mit Russland in der NATO. Genau zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die USA und GB niemals einer solchen Lösung zustimmen würden, würde dadurch doch der Einfluss auf Europa erheblich gemindert. Hier an der Bruchstelle der Ideologien sollte weiterhin Feindschaft, Misstrauen und Unfrieden herrschen. Die USA hatten Angst vor der geballten Wirtschaftsmacht Europa mit der Rohstoffmacht Russland. „Teile und herrsche“ - ein Spruch in Stein gemeißelt, gilt nach wie vor - und er bietet garantiert auf Dauer immer wieder neuen Sprengstoff, um Konflikte zu schüren und Krieg, Elend und Zerstörung überall zu realisieren.

Christa Wallau | Fr., 30. Juni 2023 - 11:38

der als Militärhistoriker über ein fundiertes Wissen verfügt.
Seine plausiblen Ausführungen habe ich daher mit großem Interesse gelesen und stimme seinen bisherigen Einschätzungen im Großen und Ganzen zu.

Das Aussitzen von Problemen und die Infantilität bzw. politische Unfähigkeit, mit der in Deutschland seit dem Dienstantritt Angela Merkels regiert wird, ist meilenweit entfernt von jeglicher Weitsicht und Erkenntnis, wie sie hier in diesem Interview aufleuchten.

Dem CICERO danke ich dafür, daß er dieses aufschlußreiche Interview veröffentlicht.

Naumanna | Fr., 30. Juni 2023 - 11:54

Natürlich hat er recht - wir sollten eine eigenständige europäische Sicherheits-Politik wagen. Aber wie soll das bewerkstelligt werden?

Alexander Brand | Fr., 30. Juni 2023 - 14:33

„In den Kämpfen taten sich junge Menschen gegenseitig Dinge an, die man in unserer aufgeklärten Gesellschaft nicht für möglich hielte.“

Das ist genau das Ziel der auch bei uns von den MSM und der linksgrüngefärbten Politik betriebenen „Dehumanisierung“ des Gegners! Und weil die Menschheit per se nicht lernfähig ist, wiederholt die Masse immer und immer wieder die selben Fehler bzw. verfällt in die selben Muster. Dehumanisierung führt zur Verrohung, dem entmenschlichten „Gegner“ kann man Dinge antun, die man „Menschen“ nie antun würde! Das ist der Sinn und Zweck der Propaganda!

Im Kleinen läßt sich das Prinzip auf die innenpolitische Situation in D übertragen, der Grünlinke entmenschlicht alles, was nicht links ist und delegitimiert es so, er rechtfertigt damit die Nichteinhaltung eigentlich verbriefter Grundrechte, Freiheiten bis hin zur Abschaffung der Demokratie!

Das Interview ist ansonsten recht flach und einseitig, was wohl auch erklärt warum der Oberst ein gefragter Gast ist.