Klage gegen Israel vor dem IGH - Konstruierter Genozid-Vorwurf

Die südafrikanische Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof dient einzig dazu, Israel zu einer Beendigung der Kampfhandlungen im Gazastreifen zu zwingen. Die Behauptung, Israel begehe Völkermord, dient dabei nur als Vorwand.

Tal Becker, Rechtsberater des israelischen Außenministeriums, bei der Anhörung in Den Haag / dpa
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Vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat gestern die Anhörung zum Völkermordvorwurf gegenüber Israel begonnen. Klage eingereicht hatte Südafrika, das Israel systematische Taten von Völkermord gegen die Palästinenser im Gazastreifen vorwirft. Im Eilverfahren vor dem IGH durfte zunächst Südafrika seine Position darlegen. Die Rechtsvertreter Südafrikas schilderten in der Anhörung am Donnerstag Beispiele der militärischen Gewalt sowie Äußerungen israelischer Politiker und Militärs in den vergangenen rund drei Monaten. Dies sei mit der „Absicht des Völkermordes“ geschehen, hieß es.  

Israel nimmt seit heute Vormittag, 10 Uhr, zum Vorwurf des Völkermordes Stellung. Rechtsvertreter Israels weisen die von Südafrika eingereichte Klage entschieden zurück. Israel beruft sich dabei auf sein Recht auf Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta nach den Attacken der Terrororganisation Hamas und anderer Palästinenser am 7. Oktober 2023, bei denen rund 1200 Menschen brutal ermordet worden waren, zum Teil nach vorheriger Folterung und Vergewaltigung. Ein Massaker, in dem die israelische Regierung mit gutem Grund ihrerseits den Versuch eines Genozids sieht, denn die Opfer wurden in reiner Vernichtungsabsicht ermordet, einzig deswegen, weil sie Juden waren. Der Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen stehe „in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Recht“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Donnerstag.

Es geht darum, den internationalen Druck auf Israel zu erhöhen

In dem Verfahren geht es zunächst um einen Eilantrag Südafrikas, wonach die Richter ein Ende der militärischen Handlungen anordnen sollen. Das Gericht wird darüber in den nächsten Wochen entscheiden. Ein Verfahren zur Hauptsache, dem Völkermord-Vorwurf, kann Jahre dauern. Und genau das ist der Kern dieses juristischen Winkelzugs, dessen sich die südafrikanische Regierung bedient: Eine Entscheidung über die Frage, ob ein Genozid vorliegt oder nicht, interessiert die Kläger überhaupt nicht; der konstruierte Genozid-Vorwurf dient einzig dazu, Israel zu einer Beendigung der Kampfhandlungen im Gazastreifen zu zwingen. Die Regierung Südafrikas macht sich damit zum verlängerten Arm der Hamas. Entscheidungen des IGH sind bindend, allerdings kann dieser sie nicht selbst durchsetzen, sondern nur den UN-Sicherheitsrat anrufen. Eine einstweilige Anordnung des IGH würde aber den internationalen Druck auf Israel erhöhen. Und genau darum scheint es in dem Verfahren auch zu gehen.

 

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Der südafrikanische Justizminister Ronald Lamola sagte bei der Anhörung am Donnerstag: „Kein bewaffneter Angriff ist eine Rechtfertigung für die Verletzung der Völkermordkonvention.“ Eine Binsenweisheit, denn selbstverständlich ist nichts eine Rechtfertigung für die Verletzung der Völkermordkonvention. Dass eine solche vorliege, geben die vorgelegten „Beweise“ aber eben gerade nicht her. Zwar verurteilt auch Südafrika pro forma das Massaker der Hamas, aus dieser Verurteilung folgt aber dann rein gar nichts. So bleibt völlig offen, was für eine Reaktion auf dieses Massaker der südafrikanischen Regierung denn genehm wäre. 

Die Frage, welche Art der Gegenwehr gegen einen Angreifer ohne Tötungshemmung, der bereits weitere Attacken noch größeren Ausmaßes angekündigt hat, diejenigen, die sich so rechtschaffen über das militärische Vorgehen Israels empören, für angemessen und akzeptabel halten würden, bleibt wie immer unbeantwortet. Die Antwort findet sich zwischen den Zeilen: Denn der Eilantrag Südafrikas, Israel zur Einstellung sämtlicher Kampfhandlungen zu verurteilen, läuft auf nichts anderes als auf eine Kapitulation gegenüber der Hamas hinaus.  

Inflationierung des Genozid-Vorwurfs

Was sich Südafrika hier zunutze macht, ist die Inflationierung des Genozid-Vorwurfs, die in den vergangenen Jahrzehnten vor allem von westlichen Regierungen vorangetrieben wurde, wenn es galt, fragwürdigen Militäreinsätzen – von Kosovo bis Libyen – moralische Legitimation zu verleihen. Dass Israel keinerlei Vernichtung oder Vertreibung der Palästinenser intendiert, zeigen schon die Nachkriegspläne für den Gazastreifen, die der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant (Likud) in der vergangenen Woche vorgestellt hat. 

Nach dem Ende der Kampfhandlungen und dem Erreichen der israelischen Kriegsziele – der „Rückkehr der Geiseln“, der „Zerschlagung der militärischen Kapazitäten und des Führungssystems der Hamas“ sowie der „Eliminierung der militärischen Bedrohungen“ – soll es nämlich keine „israelische Zivilverwaltung“ und „keine zivile israelische Präsenz“ in dem Palästinensergebiet geben. Zur Frage, wer Gaza künftig verwalten soll, sagte Gallant: „Die Bewohner des Gazastreifens sind Palästinenser. Folglich werden palästinensische Einheiten zuständig sein unter der Bedingung, dass es keine feindliche Aktion oder Bedrohung gegen den Staat Israel gibt.“ 

Weder sollen die Palästinenser zur Auswanderung gezwungen, noch soll der Gazastreifen wieder von Israelis besiedelt werden, wie es einige rechte Minister vorgeschlagen hatten. Doch die Ideen der radikaleren Koalitionspartner sind eben noch lange keine Regierungspolitik. Und selbst diese radikalen Vorschläge wären noch Lichtjahre von einem Völkermord entfernt. Die Israelis wollen eigentlich nur eines: morgens aufwachen, ohne Angst haben zu müssen, von bewaffneten Islamisten in ihren Betten massakriert zu werden. Wer ihnen diesen Wunsch versagt, dem geht es nicht um Humanität, sondern um reine Ranküne gegen den einzigen jüdischen Staat. 

(mit dpa-Material)

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