Kämpfer der Gruppe Wagner in Rostow am Don / picture alliance

Meuterei in Russland - Nach der Rebellionsfarce der Wagner-Truppe

Wenig spricht dafür, dass das russische Regime am Wochenende auch nur einen Moment in Gefahr war. Das Schicksal Putins hängt nicht von Aufrühren aus den eigenen Reihen ab, sondern vom weiteren Verlauf des Krieges in der Ukraine.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

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Es ist wieder die Stunde der Kremlastrologen. In den Kommentaren zur 36-Stunden-Revolte der Wagner-Söldner unter ihrem berüchtigten Anführer Jewgeni Prigoschin herrscht die Meinung vor, dass das Regime Putins nur knapp einer Katastrophe entgangen sei, dass seine Herrschaft durch den Vormarsch der Truppe auf Moskau ernsthaft bedroht gewesen sei.

Nicht nur die Tatsache, dass eine rebellierende Privatarmee Gebäude der regulären Streitkräfte ohne Widerstand besetzte, sondern auch der vom belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko ausgehandelte Kompromiss, der zum Abbruch der Meuterei führte, seien eine beispiellose Demütigung für den Kremlherrscher, seine Stellung im Lande sei geschwächt.

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Klaus Funke | Mo., 26. Juni 2023 - 11:52

Ich sehe das ähnlich, Gefallen haben mir Ihre historischen Einschübe. Ja, so muss man Russland und seine Verhältnisse sehen, im historischen Zusammenhang. Es gäbe noch ein Randüberlegung: Was wäre, wenn das Ganze eine Inszenierung war, um zu testen, wie fest "Volk und Reich" hinter dem Zaren stehen? Nein, Putin war nicht im Gefahr wie es manche im Westen und in der Ukraine behaupten. Im Gegenteil. Für die Ukraine, sofern man überhaupt noch von einem existierenden Staat sprechen kann, sehe ich schwarz. Deren Offensive ist in sich zusammengefallen wie überhitzter Pfannenkuchen. Und da kommt auch nichts mehr. Ich glaube auch nicht an ein Gelingen einer atomaren Provokation in Saporishja, mit der man die NATO ins Land holen will. Wenn die ersten NATO-Soldaten im Holzpyjama nach Hause kommen, ist die Sache gegessen. Nein, Selensky hat keine Trümpfe mehr. Er steht kurz vor dem Break-Down. Macht Schluss!

"Deren Offensive ist in sich zusammengefallen wie überhitzter Pfannenkuchen. Und da kommt auch nichts mehr."

Woran genau machen Sie das fest? Nur weil man nicht innerhalb von zwei Tagen eine Front durchbricht und mit Volldampf die Russen ins Meer wirft?

Sie haben absolut nichts verstanden und scheinen eine vollkommen antiquierte Vorstellung einer solchen militärischen Operation zu haben. Typisch für Leute, die noch in Kategorien des zweiten Weltkriegs denken und offensichtlich mental im 19ten Jahrhundert steckengeblieben sind.

Im Übrigen, genau die gleichen dümmlichen Sprüche wurden im vergangenen Jahr während der Cherson-Offensive von russischen Propagandisten vom Stapel gelassen. Ein paar Monate später musste sich Ihre ach so glorreiche und starke russische Armee geschlagen geben und das Feld räumen. Peinlich, nicht wahr, Herr Funke?

"Nein, Selensky hat keine Trümpfe mehr. Er steht kurz vor dem Break-Down. Macht Schluss!"

Klar?! Russland könnte aber z.B. kapitulieren ?.

Gerhard Lenz | Mo., 26. Juni 2023 - 12:14

Vorübergehend. Dennoch hat die Kurz-Revolte einer relativ kleinen Söldnertruppe ein erhellendes Licht auf den vermeintlichen Giganten geworfen.

Es wird zunehmend deutlich: Die militärische Stärke des Putin-Reiches wurde massiv überschätzt. Putin präsentiert zwar ständig der Welt neue Wunderwaffen, die seltsamerweise trotzdem nicht oder kaum den Krieg gegen die weitaus schwächere Ukraine beeinflussen. Und Putins persönlicher Hampelmann Medwedew darf im Wochentakt an die russischen Atomwaffen erinnern. Was wohl eher im Westen Eindruck schinden soll.
Militärisch ist Putins Eroberungsfeldzug ein Desaster. In der Truppe scheint Chaos zu herrschen, die Moral dürfte weitgehend auf dem Tiefpunkt sein. Noch kann Putin die russische Bevölkerung recht erfolgreich belügen. Wie lange noch, wird sich zeigen. Je länger die Ukraine sich verteidigt, desto schwieriger wird seine Position.
Was wohl auch erklärt, warum seine "Friedensfreunde" im Westen die sofortige ukrainische Kapitulation fordern.

Keppelen Juliana | Mo., 26. Juni 2023 - 12:15

ein Lichtblick im "westlichen" Blätterwald und den Talkshows. Ähnlich wie Herr Urban sehe ich die Lage auch. Ich bezweifle nur, dass Herr Prigoschin ungestraft davon kommt. Dass das Ansehen Herrn Putins in Russland gelitten hat bezweifle ich, denn welcher Präsident weltweit hat je einen Putsch so schnell und unblutig und souverän in den Griff bekommen? Mir fällt auf die Schnelle keiner/keine ein. Evtl. Meinungsverschiedenheiten in einem Regierungsapparart sind normal (wer wüsste das nicht Besser als wir hier in Deutschland) daraus aber schon die Abenddämmerung für Herrn Putin zu sehen oder herbeizuwünschen scheinen mir eher Wunschdenken unserer in einer Blase lebenden Talker, "Experten", Politiker und Schreibtischkämpfer in den Schreibstuben zu sein. Ganz unabhängig von der Lage in Russland ist eine Regierungszeit von 20 Jahren immer zu lang selbst die 16 Jahre von Kohl und Merkel waren zu lang also ein Wechsel wäre angebracht.

einen Putsch so schnell und unblutig und souverän in den Griff bekommen?"
Mir fällt da nur der Putsch gegen Erdogan in der Tükei ein - Erdogan war allerdings alles Andere als souverän, er hatte sich erstmal irgendwo in Sicherheit gebracht und das Volk den Putsch bekämpfen lassen. Auch im Nachhinein sind noch lange Zeit tausende von Köpfen gerollt, Erdogangegner öffentlichkeitswirksam abgeführt Richter Staatsanwälte und Lehrer (mindestens) ihres Amtes enthoben worden. Vorbehaltlich all dem, was wir NICHT wissen, war Putin wesentlich souveräner.

Markus Michaelis | Mo., 26. Juni 2023 - 12:42

Ein Sturz Putins war auf diesem Wege wohl unrealistisch - dem kann ich folgen. Für Prigoschin war es vielleicht nur eine "private" Aktion, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, weil er zu unbequem wurde - wer weiß.

Vollkommen unabhängig davon, was der innere Kreis um Putin dazu denkt, scheint mir die Aktion aber doch einen großen Vertrauensverlust in der Breite von Bevölkerung, Staat, Ausland zu bedeuten.

Würden in Deuschland irgendwelche Kampftruppen 36 Stunden große Städte zumindest soweit unter Kontrolle halten, dass der Staat nichts Sichtbares dagegen unternimmt - und man einigt sich dann auf einen gegenseitigen ehrenhaften Abzug - wäre mein Vertrauen darin, wer überhaupt noch hinter dem Staat steht und welche Kräfte zur Verfügung stehen, angekratzt. Ich denke, das wird vielen anderen auch so gehen.

nun meinen sie mit "etwas Sichtbares unternehmen" den Putsch blutig niederzuschlagen wie es sonst üblich ist? So gesehen hat der Staat Russland etwas einmaliges fertiggebracht, nähmlich einen Putsch in kürzester Zeit ohne Blutvergießen und Infrastruktur zu zerstören zu beenden und den "Putschistenführer" bis auf weiteres kaltzustellen. Soviel wie bis jetzt bekannt wollte Prigoschin auch nicht Herrn Putin stürzen sondern ihn dazu bringen, dass er den Verteidigungsminister und dessen Vize endlich absetzt deren Unfähigkeit er immer wieder lauthals beklagte. In seiner grandiosen Dummheit und Selbstüberschätzung hat dieser Choleriker nicht erkannt, dass er mit seinen Verbalattacken, die der "Westen" dankbar und gierig aufgegriffen hat, und jetzt mit dieser "Überfallaktion" sein Blatt überreizt hat und die Machtfrage des Kremls in Frage gestellt hat. Es scheint, egal wie der "Westen" das sieht, die Machtfrag ist geklärt.

Albert Schultheis | Mo., 26. Juni 2023 - 14:55

soweit ich das beobachten konnte, haben die meisten Kommentatoren hier auf Cicero die zunächst schwierig einzuschätzende Lage in Süd-Russland durchaus rational und richtig eingeordnet - das spricht auch für die Qualität dieses Mediums.
Nur die üblichen Zeloten des neuen Stasi-Regimes sahen "eine beispiellose Demütigung für den Kremlherrscher, seine Stellung im Lande sei geschwächt." - Schwamm drüber.
Der "grausame" Herrscher im Kreml dürfte tatsächlich gestärkt aus dem Aufstand hervorgehen, das Volk scheint die Reihen hinter ihm zu schließen. Was das bedeuten mag für den weiteren Verlauf des Krieges? Das Sterben wird weitergehen, da der Westen (Boris Johnson/Joe Biden), den bereits im März 2022 von beiden Seiten unterschriebenen Friedensvertrag annulliert hat und bekannt wurde, dass Minsk II nur abgeschlossen wurde, um Russland zu täuschen (Merkel) - auf dieser Grundlage kann Putin gar nicht verhandeln, er kann den Frieden dem Westen nur aus einer Position der Stärke heraus diktieren.

Gerhard Lenz | Mo., 26. Juni 2023 - 17:09

Antwort auf von Albert Schultheis

Sie verbreiten mal wieder nur bekannten, in Fake-News zusammengebastelten Unsinn vom Betrug an Russland.

Der Westen hat den Friedensvertrag mit Russland gebrochen?

MinskII wurde nur vereinbart, um Putin zu täuschen?

Wissen Sie eigentlich selbst noch, was Sie schreiben, in Ihrer offensichtlichen Besessenheit und Ihrem abgrundtiefen Hass auf alles, was nach Westen aussieht?

So klingt es wohl, wenn man seine Erkenntnisse in russischen Regierungsmedien abholt und noch ein wenig weiter aufbauscht.

Ernst-Günther Konrad | Mo., 26. Juni 2023 - 17:02

Bei allem was man so liest halte ich Ihre Ausführungen für nachvollziehbar. Und ja Herr Urban, Putins Schicksal wird vom Kriegsausgang abhängen, da bin ich mir auch sicher. Und es wird noch viel Zeit ins Land ziehen bis wir vielleicht die Wahrheit über den ein oder anderen Vorgang erfahren werden, wenn überhaupt. Nur eine Bemerkung stößt bei mir auf Unverständnis. Sie schreiben "...Und den wird er nun wohl noch brutaler führen lassen..." Ist Krieg nicht per se brutal. Ist brutal noch steigerungsfähig? Ist Tod, Verletzung, psychisches Leid und Verderben, Zerstörung und Vertreibung nicht für sich schon brutal und grausam? Mal abgesehen, dass er die A-Bombe nutzen könnte, ist dieser Krieg wie jeder andere auch. Eine leidvolle Erfahrung die kein Mensch braucht, egal aus welchen Motiven heraus.