Midterm Elections - Patt in den Kongresswahlen

Bei den amerikanischen Zwischenwahlen hat die Republikanische Partei längst nicht so gut abgeschnitten, wie die meisten Beobachter erwartet hätten. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Trumps mächtigster innerparteilicher Konkurrent Ron DeSantis (l.) triumphierte in Florida (hier in einer Aufnahme von 2020) / dpa
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Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

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Daran werden die US-Republikaner noch lange nagen. Viele Beobachter hatten damit gerechnet, dass die Partei bei den gestrigen Zwischenwahlen in den Vereinigten Staaten mit deutlichen Mehrheiten die Kontrolle über den Kongress übernehmen wird. Aber der Abend verlief überraschend erfolgreich für Joe Bidens Demokraten.

Diese werden wahrscheinlich ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verlieren, wenn auch auf deutlich knappe Art. Welche Partei im Senat die Mehrheit haben wird, könnte sich aufgrund komplizierter Wahlgesetze in den verschiedenen Bundesstaaten erst in ein paar Tagen, wenn nicht gar Wochen herausstellen. Doch auch in dieser Kammer verlief der Abend anders, als es sich die Republikaner gedacht hatten. Die Kongresswahlen führen also auf ein Patt hinaus.

Die Republikaner müssen dies als Niederlage hinnehmen. Denn historisch büßt die Partei des amtierenden Präsidenten bei den ersten Zwischenwahlen seiner Amtszeit viele Sitze ein, manchmal, wie in den Jahren 1994 und 2010, auf extreme Art. In gewöhnlichen Zeiten hätte man auch dieses Jahr mit einem Erdrutschsieg der Opposition rechnen können, denn es sprach wahrlich nichts für ein erfolgreiches Auftreten der Demokraten: Besonders die hohe Inflation besorgte laut Umfragen sehr viele Amerikaner, und diese rechneten eher den Republikanern mehr Kompetenz bei ihrer Bekämpfung zu. Auch bei der Kriminalitätsbekämpfung sahen Umfragen die Demokraten im Nachteil. Bei den Gouverneurswahlen im Bundesstaat New York erhoffte sich der republikanische Herausforderer Lee Zeldin deswegen einen Überraschungserfolg gegen die demokratische Amtsinhaberin Kathy Hochul, die letzten Endes doch mit komfortablem Vorsprung gewann.

War die Haltung zur Abtreibung wahlentscheidend?

In ihrem Wahlkampf setzten die Demokraten hingegen sehr viel auf eine Verteidigung des Abtreibungsrechts. Das war ein riskantes Manöver, denn unter Wechselwählern standen eben Themen wie Inflation und Kriminalitätsbekämpfung weiter oben auf der Prioritätenliste. Und doch stellt sich eine deutliche Mehrheit der Amerikaner hinter das Recht auf Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimester, während die ablehnende Haltung der Republikaner weithin als zu extrem gilt. In vielen Bundesstaaten standen auch Volksbefragungen zum Thema Abtreibung auf dem Wahlzettel – und die Abtreibungsbefürworter triumphierten querbeet. Das kann sich auch auf die Entscheidungen bei den Kongresswahlen ausgewirkt haben.

Das Ergebnis stellt auch ein blaues Auge für Donald Trump dar. Viele der von ihm unterstützten Kandidaten, wie die Senatskandidaten Mehmet Oz in Pennsylvania und Blake Masters in Arizona, enttäuschten. Am Montag noch hatte Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Dayton, Ohio, versprochen, er werde nächste Woche eine bedeutende Erklärung von sich geben – höchstwahrscheinlich seine Kandidatur für die Präsidentschaft im Jahr 2024. Bei einer anderen Wahlkampfrede hatte er sogar den republikanischen Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, attackiert. Trump sieht in DeSantis seinen vielleicht ernstesten Konkurrenten um die republikanische Nominierung für das Präsidentschaftsamt.

 

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Die Sticheleien kamen jedoch unter Parteiaktivisten alles andere als gut an, besonders da DeSantis einen der wenigen überzeugenden republikanischen Triumphe am Dienstagabend verzeichnen konnte: Während dieser im Jahr 2018 das Gouverneursamt mit nur 0,4% Vorsprung gewonnen hatte, besiegte er seinen demokratischen Herausforderer Charlie Crist gestern mit knapp 20 % Vorsprung. Selbst demokratische Hochburgen, wie der Wahlbezirk Miami-Dade, schwangen ins republikanische Lager um. Bei seiner überschwänglichen Siegesrede betonte der überzeugte wertkonservative Kulturkrieger DeSantis auch gleich, in Florida finde „woke“ Ideologie den vorzeitigen Tod. Durch diesen spektakulären Erdrutschsieg könnte DeSantis seine Stellung innerhalb der Partei also nochmal verstärken und Trump beim Wettbewerb um die republikanische Nominierung auf die Pelle rücken, auch wenn der Ex-Präsident innerhalb der Parteibasis noch enorme Popularität genießt.

Mit J.D. Vance zieht jedoch ein überzeugter Trumpist in den Senat ein, auch wenn für die Republikaner sein Wahlsieg unterm Strich kein Zugewinn ist. Vance ersetzt in Ohio den republikanischen Senator Rob Portman, der dem Trump-Kurs seiner Partei nie etwas abgewinnen konnte und nun in den Ruhestand geht.

Die Pro-Trump-Kandidaten sendeten eher gemischte Signale

Auf programmatischer Ebene sendeten die Pro-Trump-Kandidaten der Partei eher gemischte Signale, sodass die populistische Welle, die Trump 2016 ins Amt beförderte, schnell im Sand verlief. Blake Masters erklärte auf einer Wahlkampfveranstaltung im vergangenen Sommer sogar, er würde im Falle eines Wahlsieges darüber nachdenken, das Sozialversicherungssystem „Social Security“ zu privatisieren. Zuletzt hatte sich George W. Bush an diesem Projekt versucht und musste schnell einen Rückzieher machen, denn Social Security ist unter den Amerikanern sehr beliebt. Besonders fatal für Masters: Er trat im Rentnerparadies Arizona an, wo die Haltung eines Kandidaten zur Social Security oft über Sieg und Niederlage entscheidet.

2016 hatte Trump noch eine Verteidigung des öffentlichen Sozialversicherungssystems versprochen, womit er auch die Republikaner in eine „Partei des amerikanischen Arbeiters“ verwandeln wollte. Eine versuchte Privatisierung oder selbst Kürzung der Renten, die dieses Jahr auch manch andere republikanische Politiker gefordert haben, lässt dieses populistische Projekt deutlich unglaubwürdig erscheinen.

Sollte nach abgeschlossenen Auszählungen der Kongress geteilte Mehrheiten in beiden Kammern hervorbringen, wird auf Präsident Biden nichtsdestoweniger eine schwierige zweite Hälfte seiner Legislaturperiode warten. Denn es ist zu erwarten, dass die Republikaner die Reformpläne der Demokraten, wie schon unter Barack Obama, ausbremsen werden. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass Biden bei der nächsten Präsidentschaftswahl gar nicht mehr antritt. Dies wünscht sich zumindest laut einer Wahltagsbefragung des Senders CBS eine Zweidrittelmehrheit der Amerikaner so.

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