Madrids Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso - Die Schutzheilige der Gastwirte

Madrids konservative Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso hat sich zur heimlichen spanischen Oppositionsführerin aufgeschwungen – und strebt einen Regierungswechsel an. Denn am 23. Juli wird in Spanien gewählt.

Isabel Díaz Ayuso ist Regionalpräsidentin Madrids. Langfristig könnte sie auch auf die große Bühne schielen / dpa
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Ute Müller ist Korrespondentin für Spanien mit Sitz in Madrid.

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Gezielte Provokationen sind das Markenzeichen von Isabel Díaz Ayuso, der Galionsfigur von Spaniens Konservativen. „Wenn man dich als Faschist bezeichnet, dann weißt du, dass du auf der richtigen Seite stehst“, so einer ihrer Sprüche. Bislang hat sie keinen Schaden davongetragen, ganz im Gegenteil. Die 44-Jährige hat zum dritten Mal in Folge in der Hauptstadtregion mit ihren 6,6 Millionen Einwohnern die Wahlen gewonnen, Ende Mai holte sie sogar die absolute Mehrheit für ihre konservative Volkspartei (PP). Dank Ayusos Triumph in Madrid wittert diese nach fünf Jahren in der Opposition auch spanienweit wieder Morgenluft.

Der PP-Spitzenkandidat Alberto Núñez Feijóo wird in allen Umfragen als Sieger der vorgezogenen Parlamentswahlen am 23. Juli gehandelt, doch ob es dem aus dem ländlichen Galicien stammenden Politiker gelingen wird, sein Terrain dauerhaft gegen Ayuso zu verteidigen, ist fraglich. Denn schon seit Jahren mischt sie von ihrem Regierungssitz an der Madrider Puerta del Sol munter in der nationalen Politik mit und hat sich zur heimlichen Oppositionsführerin aufgeschwungen. Ihr Lieblingsfeind ist Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident Pedro Sánchez, der in einer glücklosen Koalition mit der Linkspartei Unidas Podemos regiert. Jeder zweite ihrer Tweets ist ein Frontalangriff auf Sánchez’ Politik, egal ob es um die ungelöste Katalonienfrage, das Euthanasiegesetz oder um eine neue Bankensteuer geht.

Immer knapp an der Grenze

Heftig ging sie auch mit Sánchez’ Krisenmanagement während der Covid-­19-Pandemie ins Gericht. Sein „Seuchensozialismus“ sperre die Bürger ein und halte sie mit Finanzhilfen bei der Stange. Bewusst forderte sie die Zentralregierung kurz nach den in Spanien besonders harten Lockdown-Zeiten heraus. Ganz nach dem Motto „Freie Tavernen für freie Bürger“ ermöglichte sie den Madrilenen den Zugang zu den Bars und Kneipen der Region, das gab es sonst nirgendwo im Land. Die Madrider Gastwirte dankten es ihr, ihr madonnenhaftes Konterfei ziert viele Tresen – und in einigen Restaurants gibt es bis heute ein Gericht, das nach Ayuso benannt ist. Mit dieser Strategie gelang es ihr auch, die Versäumnisse ihrer Regionalregierung, die besonders viele Corona-­Tote in den Madrider Altersheimen zur Folge hatten, aus der öffentlichen Debatte zu verdrängen.

 


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Die Politikerin, die wohl wie niemand sonst den rechten Flügel der Partei repräsentiert, hält auch nichts von politischer Korrektheit. Ohne Komplexe spricht sie von der „Diktatur“ radikaler Feministinnen und zieht auch Themen wie Gleichberechtigung, Schutz von Minderheiten oder auch Rechte von Transpersonen ins Lächerliche. Sie ist allerdings mit einem untrüglichen Instinkt ausgestattet und weiß genau, wie weit man gehen kann, ohne mit den Rechtspopulisten von Vox gleichgesetzt zu werden. Eines ihrer Vorbilder ist die britische Ex-Premierministerin Margaret Thatcher. Ebenso wie die Eiserne Lady setzt Ayuso auf neoliberale Rezepte wie Steuersenkungen für Reiche oder die Privatisierung des Gesundheitswesens in ihrer Region.

Bisher hält sie sich zurück

Ihre scharfe Rhetorik weckt den Argwohn einiger Parteikollegen, denn sie stiehlt damit dem eigentlichen Oppositionsführer Núñez Feijóo die Show. Dieser geht einer offenen Konfrontation allerdings aus dem Weg. Er hat gesehen, wie Ayuso mit seinem Vorgänger Pablo Casado umsprang. Dieser legte sich mit ­Ayuso an, weil sie immer wieder seine Pläne torpedierte, der Partei ein moderates Profil zu verpassen. Vor einem Jahr glaubte er eine Gelegenheit gefunden zu haben, Ayuso loszuwerden. Er bezichtigte sie der Vetternwirtschaft, weil ihr Bruder an einem umstrittenen Maskendeal mitverdient haben soll. Casados Versuch, sie aus der Partei auszuschließen, scheiterte kläglich, denn die Beweise reichten nicht. Ayuso warf ihrem Förderer und langjährigen Freund eine Schmutzkampagne vor. Der Parteivorstand wagte es nicht, sich gegen die beim Wahlvolk beliebte Ayuso aufzulehnen, und setzte stattdessen Casado auf die Straße.

Die streithafte Politikerin hat inzwischen einen weiten Weg zurückgelegt, ihre Karriere begann einst recht bescheiden. 2011 wurde sie von der damaligen Regionalpräsidentin Esperanza Aguirre damit beauftragt, sich um ihren Internet­auftritt zu kümmern. Dazu gehörte vor allem der Twitter-Account von Aguirres geliebtem Schoßhündchen namens Pecas. Für Ayuso ist es kein Problem, einst Public Relations für einen Vierbeiner betrieben zu haben, acht Jahre später wurde sie ja selbst Regionalpräsidentin. 

Doch in Madrid stößt sie an ihre Grenzen, bessere Wahlergebnisse kann sie nicht mehr erzielen. Plant sie den Sprung in die nationale Politik? Den Medien ist sie auf diese Frage bislang ausgewichen, stets mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen: „Ich weiß, welche Stellung mir gebührt.“

 

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe von Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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