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(picture alliance) Yudhoyono interessiert sich für die anhaltende Korruption nur wenig

Indonesien - Korrupte Demokratie

Präsident Susilo Bambang Yudhoyono hat Indonesien in die Demokratie geführt. Doch nun wächst Skepsis am Erreichten. Über einen Präsidenten, an dem Kritik abprallt, weil ihm nach der neuen Verfassung sowieso keine weitere Amtszeit zusteht

Es war kurz vor Weihnachten, im schwülen Jakarta, als die Deutschen zum ersten Mal zusammenzuckten. Susilo Bambang Yudhoyono hatte die Delegation des Bundespräsidenten zu einem Staatsbankett eingeladen, als die Palastkapelle ihren Peter-Maffay-Song beendete, der indonesische Präsident sich in seiner ganzen Länge aufrichtete und dem Ehrengast die Errungenschaften seines Landes erklärte. Er schloss mit einer unerhörten Bitte: Indonesien möchte enger auf dem Feld der Rüstung zusammenarbeiten. Rüstung – muss Freundschaft denn so weit gehen?

In Indonesien versteht man die Bedenken nicht, diese ganze deutsche Debatte über mögliche Menschenrechtsverletzungen, die der geplanten Lieferung von Leopard- Panzern folgte. Hat man in Jakarta nicht alles richtig gemacht? Hat nicht gerade der Staatspräsident persönlich viel dafür getan, das Inselreich zu befrieden und in die gute Stube der Weltpolitik zurückzuführen? Und müsste, andersherum, Deutschland nicht Interesse daran haben, die nunmehr freieste Demokratie Südostasiens zu unterstützen und die wirtschaftlichen, aber auch politischen Beziehungen zur größten Volkswirtschaft der Region zu vertiefen?

Yudhoyono gehört zu der wachsenden Zahl pazifischer Staats- und Regierungschefs, die sich über den internationalen Auftritt der Europäer wundern. In dieser Hinsicht ist er ein moderner asiatischer Politiker, der seine Region als neuen Mittelpunkt der Welt betrachtet und den Dünkel der alten Welt, überhaupt die hergebrachte internationale Hackordnung für überholt hält. Auch deswegen hat er seine 250 Millionen Landsleute – Indonesien ist das viertgrößte Land der Welt – in die G 20 geführt: Er betrachtet die Gruppe, wie viele seiner Amtskollegen, als Keimzelle einer neuen, ausgewogeneren internationalen Ordnung.

Yudhoyono fragt und wundert sich ohne Schärfe, mit javanischer Zurückhaltung und Höflichkeit. In dieser Hinsicht darf man ihn einen typischen Indonesier nennen, einen Mann, der sich Autorität über Milde und Ruhe erwirbt. „Bapak“, Vater, nannten die Indonesier schon den 32 Jahre lang herrschenden Autokraten Suharto, der hinter seiner bescheiden wirkenden Freundlichkeit allerdings eine beachtliche Portion Härte verbarg. An der, sagen viele Kritiker, fehle es dem amtierenden Präsidenten. Yudhoyono sieht sich in der Folge der beiden langjährigen Präsidenten Indonesiens, Sukarno und Suharto; die drei Staatschefs, die in den Jahren 1998 bis 2004 regierten, betrachtet er als Übergangsphänomene. Sukarno gründete das unabhängige Indonesien, Suharto führte es wirtschaftlich auf westlichen Kurs, Yudhoyono formte es zu einer stabilen Demokratie – so das Selbstbild, das von einigen Gemeinsamkeiten zementiert wird. Wie Sukarno und Suharto verdankt General a. D. Yudhoyono seinen Aufstieg dem Militär und wurzelt kulturell in den Traditionen der Hauptinsel Java. Und wie seine beiden Vorgänger ist er ein aufgeklärter Muslim, der die nationale Einheit der religiös diversen Nation – 30 Millionen Indonesier glauben nicht an Allah – höher hält als die reine islamische Lehre.

Schon als Innenminister ging er entschlossen gegen die Terroristen der „Jemaah Islamiah“ vor, die vor zehn Jahren den blutrünstigsten Bombenanschlag nach „Nine- Eleven“ verübten und in Bali 202 Menschen töteten. Anders als etwa in Pakistan werden militante Extremisten in Indonesien verfolgt, verurteilt und eingesperrt; einige sogar hingerichtet. Doch vor allem in der liberalen Hauptstadt Jakarta wird dem Präsidenten vorgehalten, dass er nicht deutlichere Zeichen gegen den religiösen Fanatismus setzt, der sich unterhalb der Terrorschwelle breitmacht.

Kritik schlägt Yudhoyono auch aus der Wirtschaftswelt entgegen. Viele Geschäftsleute sind enttäuscht über das nachlassende Reformtempo und den aufkommenden Protektionismus. Wenn seine Demokratische Partei im Jahr 2014 die Macht verlieren sollte, wonach es derzeit aussieht, dann liegt dies aber vor allem am Ärger über die anhaltende Korruption. Deren Beseitigung war das Versprechen gewesen, für das Yudhoyono zweimal ins Amt gewählt wurde. Viele Politiker und Geschäftsmänner sitzen inzwischen hinter Gittern, und doch hat sich die Vetternwirtschaft in der Wahrnehmung der Indonesier nach zehn Jahren „SBY“ ausgedehnt.

Yudhoyono scheint Kritik nicht mehr anzufechten. Nach der neuen Verfassung steht ihm keine dritte Amtszeit zu. Anders als Sukarno und Suharto, die mehr oder weniger in Unehren schieden, darf sich Yudhoyono mit dann 65 Jahren auf einen geachteten Ruhestand freuen. Er zählt darauf, dass seine an Inaktivität grenzende Behutsamkeit im Rückblick zu einer Politik des Ausgleichs gerinnen wird, zu einem weisen Kurs, der den jungen demokratischen Staat nach innen gefestigt und nach außen aufgewertet hat. Schon jetzt kann man sich den künftigen Rentner irritierend gut dabei vorstellen, wie er in seinem Privathaus am Rande Jakartas den zu kurz gekommenen Leidenschaften nachgeht: dem Dichten, Komponieren und Singen von Liebesliedern.

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